Rathaus-Personalie

Kulturbürgermeister in Heidelberg: Eine Wahl mit „Frauen-Bonus“

Nach zwei Amtszeiten à acht Jahren ist die Position des Bürgermeisters für Kultur und Ordnungsdienste in Heidelberg turnusgemäß zur Neubesetzung ausgeschrieben. Amtsinhaber Wolfgang Erichson bewirbt sich erneut - aber es sollen auch andere eine Chance bekommen

Von 
Micaheal Roßner
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Heidelberg. Die Person sollte sich mit dem regionalen Kulturleben ebenso auskennen wie mit Bürgerservice, Zuwanderung und Digitalisierung. Gesucht wird eine Führungspersönlichkeit - und jemand, der hinter den „Ideen und Zielen grüner Politik“ steht sowie eng mit der Fraktion Bündnis 90/Grüne zusammenarbeitet: Heidelberg sucht eine Besetzung für den - neben dem von Klimaschutz-Bürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain - zweiten „grünen“ Bürgermeistersessel in der Unistadt.

Am 31. August endet die Amtszeit von Bürgermeister Wolfgang Erichson. Der gebürtige Berliner, seit 2007 im Heidelberger Rathaus und 2015 wiedergewählt, hat seinen Hut bereits für eine dritte Amtsperiode in den Ring geworfen. Seine Partei, die Grünen, haben das Vorschlagsrecht. „Wolfgang Erichson ist ein verdienter Bürgermeister“, betont der Fraktionsvorsitzende Derek Coofie-Nunoo. Dennoch habe man sich mit dem Amtsinhaber auf ein „offenes Verfahren“ verständigt, das „eine faire Chance für alle“ verspreche.

Über Parteigrenzen hinweg

Dieses Verfahren soll schon vor der ersten offiziellen Behandlung im Gemeinderat auch über Parteigrenzen hinweg wirken. So würden unter anderem SPD, Linke und Bunte Linke bei der Vorauswahl jener Persönlichkeiten eingebunden, die sich dann dem Gemeinderat zur Wahl stellen. „Kein Geheimnis“ sei indes laut Coofie-Nunoo, dass die Grünen gerne - neben Stefanie Jansen (SPD) - eine weitere Bürgermeisterin in der Riege der Dezernenten sähen.

Trotz aller Flexibilität könnte dem Förderer der Queer-Bewegung die Geschlechterfrage zum Verhängnis werden

Erichson möchte sich auf Anfrage dieser Redaktion und in Absprache mit seiner Partei bedeckt halten, um die Arbeit der Findungskommission „nicht zu stören“. Dass er aber gerne eine weitere Amtszeit gestalten würde, bestätigt der Verwaltungsexperte. „Ich habe noch nicht fertig“, sagt er in Anlehnung an das Zitat Giovanni Trapattonis, des früheren Trainers des FC Bayern. „Mein Hut ist im Ring“, unterstreicht Erichson. Insbesondere reize ihn, den Bereich Kultur weiter mit zu gestalten: Seit vor zwei Jahren Bürgermeister Joachim Gerner in den Ruhestand wechselte, gehören die Stadtbücherei und die Literaturtage genauso wie die Kreativwirtschaft zum fünften Dezernat.

Viele Veränderungen im Dezernat

Während seiner bisher 16 Jahre im Amt hat Erichson gleich drei Veränderungen im Zuschnitt des Dezernats erlebt. Gestartet als Dezernent für „Integration, Chancengleichheit und Bürgerdienste“, wurde sein Verantwortungsbereich kurz nach der Wiederwahl 2015 umgestaltet in „Umwelt, Bürgerdienste und Integration“. 2020 wurde daraus „Bürgerservice, Chancengleichheit und Kreativwirtschaft“, ab Januar 2021 „Kultur, Bürgerservice und Kreativwirtschaft“.

Trotz aller Flexibilität könnte dem bekennenden Homosexuellen und Förderer der Rainbowcity-Initiative sowie Queer-Bewegung die Geschlechterfrage zum Verhängnis werden. Denn es soll auf Wunsch der Grünen eine Wahl mit Frauenbonus werden: „Bei gleicher Qualifikation werden Bewerbungen von Frauen bevorzugt berücksichtigt“, heißt es auf Antrag der Fraktion in der Ausschreibung. Das Vorgehen und den Zeitplan hat der Gemeinderat in seiner jüngsten Sitzung am 9. Februar auf den Weg gebracht, bis 19. März können Bewerbungen beim Grünen-Fraktionsvorsitz und im Rathaus zu Händen von Oberbürgermeister Eckart Würzner abgegeben werden.

Knapp unter der Altersgrenze

Am 26. April und 11. Mai soll nach Vorauswahl der Besetzungskommission im Ausschuss und im Gemeinderat entschieden werden, wer sich persönlich vorstellen soll. Nichtöffentlich präsentieren sich die angehenden Dezernentinnen am 29. Juni, öffentlich am 20. Juli - da soll der neue Bürgermeister - oder die neue Bürgermeisterin - dann auch gleich gewählt werden.

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Im August wird Amtsinhaber Erichson 68 Jahre alt. Das liegt knapp unter der aktuellen Altersgrenze für Kandidierende im Bürgermeisteramt: Wer über 68 Jahre alt ist, darf sich nicht mehr um die Leitung eines Dezernats bewerben. Aber diese Vorgabe soll schon bald überholt sein. Die Höchstaltersgrenze für die Wählbarkeit (unter 68 Jahre) und die Ruhestandsaltersgrenze (73 Jahre) sollen bei einer Änderung des Kommunalwahlrechts entfallen. Das Kabinett in Stuttgart hat diese Wahlreform bereits beschlossen. Sie senkt andere Altersgrenzen nach unten ab: So soll man bald schon mit 16 Jahren (bisher mit 18) Gemeinderat werden dürfen und mit 18 Jahren Bürgermeister (bisher 25 Jahre).

Mehrere Ämter

Gibt es in kleineren Kommunen nur einen Bürgermeister, wird die Arbeit der Verwaltung in größeren Städten auf mehrere Dezernate verteilt. An deren Spitze steht jeweils eine vom Gemeinderat eingesetzte Dezernatsleitung, die zusätzlich den Titel Bürgermeisterin oder Bürgermeister tragen kann.

Wer immer in Heidelberg ab Herbst das „Dezernat V“ verantwortet - der oder die Neue beziehungsweise der Bestätigte verantworten mehrere sehr unterschiedlich breit aufgestellten Ämter: Bürger- und Ordnungsamt, Amt für Digitales und Informationsverarbeitung, Standesamt, Kulturamt, Kurpfälzisches Museum, Stadtbücherei, Musik- und Singschule und Stadtarchiv. Im Verantwortungsbereich befinden sich zudem die Stabsstelle Kultur- und Kreativwirtschaft sowie die Zuwanderungs- und Ausländerbehörde und das „Interkulturelle Zentrum“. Die beiden Letztgenannten sind im Landfriedkomplex als „International Welcome Center Heidelberg“ (IWCH) angesiedelt.

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