Heidelberg. Kinder lieben sie und Eltern lesen sie gerne vor: Rund acht Millionen Kinder haben die Bücher vom „Drachen Kokosnuss“ gelesen. Am 6. Februar erhält der Zeichner und Texter Ingo Siegner in der Stadtbücherei den Heidelberger Kinderbuchpreis „Leander“. Die Kinderbuchexpertin Gabriele Hoffmann verleiht den Preis gemeinsam mit der Unternehmensgruppe „Schmitt & Hahn“. Im Gespräch mit dieser Zeitung verrät Siegner, wie der kleine Drache und seine Freunde geboren wurden - und welche Abenteuer ihnen demnächst bevorstehen.
Was bedeutet Ihnen der Preis, den ja als Erste Joanne K. Rowling („Harry Potter“) erhielt?
Ingo Siegner: Ich bin ehrlich gesagt gar nicht so auf dem Laufenden, welche Preise es gibt - aber als ich die Nachricht bekam und mich informierte, habe ich mich riesig gefreut.
Sie leben in Hannover. Haben Sie einen Bezug zu Heidelberg?
Siegner: In Heidelberg habe ich zum ersten Mal in meinem Leben einen über den Durst getrunken. Das war während einer Klassenfahrt in den 1980er Jahren. Das Weinlokal gibt es noch - ich gehe manchmal vorbei, wenn ich zu Lesungen in der Gegend bin. Später bin ich mit einem Jugendfreund von Heidelberg aus zu Radtouren aufgebrochen.
Sie haben eine Banklehre gemacht und Romanistik sowie Philo- sophie studiert. Wie kamen Sie zum Kinderbuchschreiben?
Siegner: Eigentlich habe ich schon als Zwölfjähriger gerne meinen kleineren Geschwistern Geschichten erzählt. Später betreute ich als Angestellter eines Reiseunternehmens Eltern-Kinder-Gruppen. Und da las ich mit einer Kollegin Geschichten vor. Daraus wurde ein freies Erzählen. Im direkten Kontakt mit Kindern war das eine wunderbare Schule für kindgerechtes Schreiben. Irgendwann in den 1990er-Jahren suchte ich ein Geschenk für den kleinen Sohn von Freunden. Ich habe kleine Zeichnungen zum Text hinzugefügt. Daraus wurde eine Tradition, weitere Geschichten entstanden - auch das erste Abenteuer von „Kokosnuss und der Wal“. Das kam besonders gut an. Irgendwann wurde ein Literaturagent aufmerksam. Er war angetan, wie viele Geschichten ich schon geschrieben hatte - und wie ich vor Ideen sprühte.
Neben den Texten stammen auch alle Zeichnungen von Ihnen - ganz ohne Spezial-ausbildung?
Siegner: Ich bin überzeugt davon, dass sehr viele Menschen dieses Talent zum Zeichnen besitzen. Es gibt im Kindergarten oder in der Schule immer Mädchen oder Jungen, die besonders gut abmalen können. Ich habe es halt irgendwann zum Beruf gemacht. Dabei wollte ich ursprünglich eher nur schreiben. Das Aquarellieren ist wie eine Operation am offenen Herzen. Man muss die Bilder in einem Zug malen, sonst trocknen Teile des Bildes ein. Das erfordert viel Konzentration.
Fangen Sie gleichzeitig mehrere Bücher an?
Siegner: Ich konzentriere mich meist auf ein Buch. Daran arbeite ich dann etwa drei bis vier Monate - aber zwischendurch gehe ich auch einkaufen oder koche. Es dauert vorher indes oft mehrere Wochen, bis die Geschichte im Kopf entsteht. Dann mache ich andere Dinge parallel, gehe etwa auf Lesereisen. Wenn sie halbwegs im Kopf fertig ist, beginne ich zu schreiben.
Ihr Sohn ist heute erwachsen - war er früher ihr kritischer Testleser?
Siegner: Nicht nur er. Aber mein größter erster Kritiker bin ich meist selbst. Denn ich lese die Texte mir immer wieder laut vor. Ich mache aber immer mal Manuskriptlesungen im kleinen Kreis.
Welche Abenteuer erlebt der Drache Kokosnuss als nächstes?
Siegner: Es geht nach China. Der Staat baut gerade wahnsinnig seinen Einfluss in der Welt aus. Das wird eher moderat erwähnt, die Unterhaltung hat Vorrang. Kokosnuss wird einen chinesischen Drachen treffen. Es entwickelt sich ein Abenteuer „unter Drachen“.
Kokosnuss’ Abenteuer vermitteln immer mehr Wissen - etwa über die Zeit der Römer, das alte Ägypten oder Piraten. Wie wichtig ist Ihnen historische Recherche?
Siegner: Das muss schon alles stimmen, unbedingt. Da sitze ich dann in der Vorbereitung schon lange in Bibliotheken. Für das „Ägypten“-Buch habe ich intensiv mit einem Experten aus Hannover zusammengearbeitet. Und beim „Römer“-Buch hat mich ein Historiker darauf aufmerksam gemacht, dass Legionäre bis auf die Leibgarde des Kaisers niemals in Rom selbst anzutreffen waren - sondern dass die Heere die römischen Staatsgrenzen außerhalb Italiens zu verteidigen hatten. Nur als Beispiel.
Werden Sie in Heidelberg etwas aus den neuen Büchern lesen?
Siegner: Bei Kokosnuss ist der Text fertig, da sitze ich gerade an den Illustrationen. Und an Eliott schreibe ich gerade noch. Ich werde sicher aus den beiden neuen Büchern etwas vorstellen.
Das klassische Kinderbuch wird - auch bei Ihren Geschichten - längst digital ergänzt. Warum?
Siegner: Ich persönlich habe mit den digitalen Medien nicht viel zu tun und bin eher ein Büchermensch. Im Verlag kam aber eines Tages der berechtigte Wunsch auf, „dorthin zu gehen, wo die Kinder sich aufhalten“ - und so entstand unter anderem der Auftritt von „Kokosnuss“ im Youtube-Kanal. Es bringt ja auch nichts, das alles zu verteufeln. Die Kinder verbringen nun einmal viel Zeit mit diesen Dingen. Aber das Lesen, das Umblättern von Papier, darf und wird nicht verschwinden. Ein gutes Buch hat einfach eine ganz eigene Qualität.
Heidelberger Leander
- Der „Heidelberger Leander“ ist ein Kinderbuchpreis.
- Die frühere Inhaberin von „Leanders Leseladen“, Gabriele Hoffmann, hat ihn kreiert. „Leander“ ist ein kleiner Kater, der es liebt, in Büchern zu schmökern.
- Den Kinderbuchpreis hat Gabriele Hoffmann 2000 erstmals und zusammen mit ihrem Mann Hans-Bernhard Petermann 25 Mal verliehen - in einem Jahr gab es gleich fünf Preise.
- 2019 war Margit Auer („Die Schule der magischen Tiere“) Preisträgerin.
- 2020 erhält Ingo Siegner (54) den Preis. Er ist Autor und Illustrator.
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