Heidelberg. 60 Akteure, mehr als 50 Veranstaltungen in neun Wochen: Die Internationalen Wochen gegen Rassismus in Heidelberg stehen unter dem Motto „Haltung zeigen“ und sind rekordverdächtig. Zum Auftakt ist ein großes Mädchen-Fußballfest geplant: Für das Spielfest auf dem Rasen der SG-Kirchheim am 13. März können sich noch viele Mädchen im Alter zwischen neun und 17 Jahren anmelden.
Tugba Tekkal ist nicht nur für viele Mädchen ein großes Vorbild. Die im Irak geborene kurdische Jesidin musste mit ihrer Familie fliehen und begreift es heute als großes Glück, in Deutschland viele Möglichkeiten bekommen zu haben. Auch die, ihrer Leidenschaft Fußball nachzugehen: Mit dem 1.FC Köln gelang ihr 2014/15 der Aufstieg in die Bundesliga. Dass Mädchen Fußball spielen, ist in der irakischen Gesellschaft nicht vorgesehen. Tekkal kämpfte gemeinsam mit ihren Schwestern dafür, dass sie es dürfen. Mit dem Projekt „Scoring Girls“ hat sie inzwischen sechs Standorte in Deutschland und dem Irak. Die Fußballerin bringt mit ihrem Team den Mädchen nicht nur das Tore schießen und das Dribbeln bei, sondern kümmert sich - meist in der Nähe von Flüchtlingsunterkünften angesiedelt - auch um Unterstützung bei Hausaufgaben, Ämtergängen oder bei Gesprächen mit den Eltern.
Altkanzlerin ein Fan
Zu den Fans der kickenden Mädchen gehören Altkanzlerin Angela Merkel und TV-Journalistin Anne Will. Es sind Mädchen wie Sylva, die dieses Projekt stark gemacht hat: Mit 13 fing die Jugendliche aus Syrien an, bei den „Scoring Girls“ Fußball zu spielen. Das sei „das tollste Geschenk“ gewesen, das sie erhalten habe, erzählt sie in einem Video. Einen ursprünglich gehegten Berufswunsch hat die junge Frau, die nun beim DFB Juniorcoach ist, inzwischen aufgegeben: Eine Ausbildung zur Arzthelferin sei ihr großer Traum gewesen, erzählt Trainerin Tekkal. Doch kürzlich habe sie gesagt, dass sie stattdessen Medizin studieren und Ärztin werden möchte, ist die Fußballerin stolz, dass Sylva inzwischen so viel Selbstvertrauen besitzt.
Es sind Geschichten wie diese, die Jagoda Marinic, Gründerin und Leiterin des Interkulturellen Zentrums (IZ) in Heidelberg, begeistern - und der Grund dafür, dass sie die Tekkal-Schwestern nach Heidelberg einlud. Denn Tugba Tekkal, die bald einen „Scoring Girls“-Standort in Baden-Württemberg eröffnen möchte, kommt nicht alleine:Ihre Schwester Tülin legt am Montag, 14. März, ab 19.30 Uhr bei einer Party im Interkulturellen Zentrum die Platten auf.
Die offizielle Eröffnung der Internationalen Wochen gegen Rassismus ist am Montag, 14. März, um 17 Uhr in der Alten Aula der Universität am Universitätsplatz. Hier trifft man auch die dritte Tekkal-Schwester - insgesamt hat die Familie elf Kinder - Düzen Tekkal, Menschenrechtlerin und Trägerin des Bundesverdienstkreuzes.
Standort im Land in Planung
Die Idee Marinics, ein Mädchenfußballturnier in Heidelberg zu veranstalten, gefiel Uwe Hollmichel sofort, erzählt der Vorsitzende der SG Kirchheim. Seit zehn Jahren gibt es Frauenfußball hier. Zwei bis dei Jugendteams und zwei Damenteams kicken für den Verein auf dem Sportgelände Süd - das höchste in der Verbandsliga, also kurz unter der Bundesliga. Auch die Integration von Geflüchteten wird bei der SG längst gelebt: „Ich erinnere mich sehr genau, als auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle 2015 ein kleiner Junge fasziniert am Spielfeldrand stand und zuschaute - allein“, berichtet Hollmichel. Die Kirchheimer gründeten erfolgreich eine „Weltliga“. Der Junge durfte mit ins Training, ist heute 23 Jahre alt und Auszubildender, berichtet der Vereinsvorsitzende, ebenfalls stolz auf diese Erfolgsgeschichte. Mit „ Anpfiff ins Leben“ hat die SG zudem schon viel Erfahrung in der Begleitung der auch aus sozial schwachen Familien stammenden Kinder bei Hausaufgaben und sozialen Themen. „Fußball wird so zum Tor für Bildung“, fasst Hollmichel zusammen.
„Wir ermutigen ganz besonders Mädchen, die nicht im Vereinssport aktiv sind oder die noch nicht viel Erfahrung mit Fußbal oder mit Sport generell haben, sich anzumelden. Die Scoring Girls zeigen euch ihre Tricks und begeistern für den Sport“, werben Marinic, Hollmichel und Tekkal, dass sich möglichst viele Mädchen bewerben.
Bei „Scoring Girls“ sind insgesamt inzwischen 180 Mädchen dabei. „Den nächsten Standort öffnen wir in Hamburg, aber dann kommt ganz bald Baden-Württemberg dran.“
„Etwas Schönes machen“, das lag Marinic gerade im zehnten Jahr des IZ am Herzen. Auch wenn die Situation in der Ukraine - gerade für Menschen mit Flucherfahrung - sehr bedrückend sei, müsse auch Raum sein für Feiern und Spaß haben.
Die Arbeit mit den Kindern sei „Integrationsarbeit über zwei Generationen hinweg“, beschriebt Marinic: „Wir nehmen die Familien mit.“ Und so sorgen einige der insgesamt 100 Vereine und Organisationen, die sich im IZ treffen, für die Verköstigung der Spielerinnen, die gerne mit der gesamten Familie kommen sollen. Aber aufs Spielfeld, da ist Tugba Tekkal strikt, dürfen an diesem Tag nur die Mädchen. Wer beim Fußballturnier mit Workshops und Verpflegung mitmachen möchten, kann sich unter sgbildung@hawar.help anmelden. Teams oder Einzelpersonen sind willkommen, die Teams werden am Turniertag zusammengestellt.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/heidelberg_artikel,-heidelberg-internationale-wochen-gegen-rassismus-auftakt-mit-maedchen-fussballfest-in-heidelberg-_arid,1921009.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/heidelberg.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/heidelberg.html
[3] https://www.mannheimer-morgen.demailto:sgbildung@hawar.help