Heidelberg. Die besonderen emotionalen Momente der Anderen sind ihr Arbeitsalltag - und darin hat sie ihre Berufung gefunden: Die Heidelbergerin Ingrid Rupp begleitet als freie Rednerin Hochzeitspaare genauso wie trauernde Angehörige. Nahe bei den Menschen zu sein, deren Geschichten zu hören und zu würdigen - das schätzt die 41-Jährige besonders an ihrer Aufgabe. Bevor sie sich als freie Rednerin selbstständig machte, arbeitete die promovierte Biologin in der Forschung sowie als Redakteurin in einem medizinischen Fachverlag und leitete danach mehrere Jahre die Dietmar Hopp Stiftung.
Spricht sie lieber bei Trauerfeiern oder gehen ihr doch freie Trauzeremonien leichter über die Lippen? „Für mich gibt es da gar nicht so einen großen Unterschied“, sagt Rupp nach kurzem Nachdenken. Nicht nur, weil bei beiden Anlässen „gelacht und geweint“ werde und der Moment jeweils einzigartig sei: Ausführliche Gespräche und darin aufgeblätterte Lebensgeschichten bilden in beiden Fällen die Grundlage ihrer Arbeit: „Es tut allen Leuten gut, wenn man ihnen richtig zuhört.“
Natürlich begegne ihr bei Bestattungen sehr viel Traurigkeit. Die empfinde sie mit - könne sie aber am Schluss der Zeremonie auch wieder abgeben: „Die Trauer fließt durch mich durch.“ Fassung zu behalten müsse die einfühlsame Rednerin schon allein, um ihre Rolle gut auszufüllen. Ruhe auszustrahlen und am Ende Dankbarkeit und Zuversicht zu vermitteln, gehöre dazu. Die Trauernden seien schließlich die Hinterbliebenen - und sie sollen ihren Gefühlen und ihren Tränen ungestört freien Lauf lassen können, während sie als Außenstehende für einen würdigen Ablauf der Feier sorgt. Mindestens zwei Stunden schreibt die Rednerin an den individuellen Texten, die nach ausführlichen Gesprächen mit den Auftraggebern entstehen. Schreiben wollte die in Nordhessen aufgewachsene und seit zehn Jahren in Heidelberg lebende Rupp schon seit ihrer Kindheit. Doch dann wurde sie erst einmal Wissenschaftlerin. Während der Arbeit an der Promotion im Labor tauchten erste Zweifel daran auf, ob das der Lebensinhalt sei, erinnert sich die Mutter zweier Kinder - die Tochter war schon auf der Welt und die Vereinbarkeit von Familie und Forschungsarbeit schien schwierig. Eine Biografie, die sie über ihre Oma schrieb, erfüllte Rupp hingegen mit vielen Glücksgefühlen. Später kam nebenberuflich mit einem Geschäftspartner das Schreiben von ersten Hochzeitsreden hinzu. Hauptberuflich machte die einfühlsame Zuhörerin Karriere in der Dietmar Hopp Stiftung, betreute erst Pressemitteilungen und die Auslobung von Preisen für Mediziner, bevor sie der Mäzen 2019 zur Leiterin der Stiftung machte. Dafür sei sie noch heute sehr dankbar. Dennoch reifte da längst der Wunsch, als Trauerrednerin den Menschen näher zu kommen. 2016 starben die Großeltern und die Enkelin hielt ihre erste öffentliche Trauerrede. Da habe sie verstanden, wie „sinnvoll und wichtig es ist, die richtigen Worte zu finden“.
Als sie dem SAP-Gründer Hopp ihre Kündigung übermittelte, hätten Freude und Bekannte das kaum nachvollziehen können. „Ich hatte nichts, kein Konzept, kein Netzwerk - nichts“, erinnert sich die 41-Jährige und scheint noch immer selbst erstaunt über ihre Risikobereitschaft. Als sie drei Monate später ihren ehemaligen Chef noch einmal traf, habe der bekannte Unternehmer ihr versichert, dass sie erfolgreich sein werde - vielleicht spürte er die Kraft und Überzeugung der jungen Gründerin, die sich voller Elan an die Realisierung ihres beruflichen Traums machte.
Ein Friedhof, das ist der freien Rednerin wichtig, sei „ein Ort des Waffenstillstands“: Streit zwischen Familienmitgliedern oder auch politische Interessen hätten keinen Platz, wenn Menschen zu ihrer letzten Ruhe begleitet werden. „Es wird auch niemand angefeindet.“ Dass Aufträge manchmal große Überraschungen bereithalten, hat Rupp bei einer Trauerfeier „irgendwo auf dem Land“ erlebt: Vorab habe sie nur die Info bekommen, dass „ein“ Sänger die Trauerfeier mit ihr gemeinsam gestalten werde.
Von Xavier Naidoo überrascht
„Als ich vor den Gästen stand, kam plötzlich Xavier Naidoo dazu“, erzählt sie. Der wegen politischer Äußerungen in den vergangenen Jahren in die Kritik geratene berühme „Sohn Mannheims“ war mit dem Verstorbenen persönlich verbunden gewesen - und nur das zählte für Rupp in diesem Moment.
Bei der Gestaltung von Trauerfeiern, so die Erfahrung der Rednerin, zeigten die Angehörigen oft mehr Mut, als es Brautpaare wagten: „Bei Hochzeiten wird immer noch sehr traditionell gedacht“, beschreibt Rupp. Jüngst sei „Spiel mir das Lied vom Tod“ bei einer Bestattung gespielt worden - „das war unfassbar toll“, bleibt es für die Rednerin unvergesslich.
In Erinnerung bleibt auch das Seniorenpaar, das ganz allein nur mit ihr sein Eheversprechen im Heidelberger Schlosspark erneuerte. „Ich habe sie mit einem Fotografen überrascht, der diesen besonderen Moment immerhin festhielt.“
Viel Zeit nimmt sich Rupp vor dem Termin, um ein Brautpaar die Geschichte seiner Liebe erzählen zu lassen. Das wirke - inmitten des Vorbereitungsstresses - häufig wie eine „Vitaminkur“ für deren Beziehung, „fast wie eine Paartherapie, denn die Brautleute sprechen aus, was sie einander bedeuten“.
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