Kommunalpolitik

Im Heidelberger Gemeinderat: Was darf hinter verschlossenen Türen verhandelt werden?

Welche Aufgaben und welche Pflichten Gemeinderatsmitglieder haben, regelt die Gemeindeordnung. Doch was Kommunalpolitiker eigentlich öffentlich diskutieren müssen und was nicht, erklärt ein Experte

Von 
Michaela Roßner
Lesedauer: 
Der Heidelberger Gemeinderat (hier ein Bild vom November 2021) tagt in der Regel im Historischen Ratssaal in der Altstadt. Welche Aufgaben und Pflichten die Mitglieder haben, regelt die Gemeindeordnung. © Philipp Rothe

Heidelberg. Eher heikle Themen besser hinter verschlossenen Türen klären - und erst die Ergebnisse an die große Glocke hängen? Manchem Rathauschef und dem einen oder anderen Mandatsträger könnte das vielleicht manchmal gelegen kommen. Aber wäre eine solche „Hinterstübchen-Politik“ überhaupt zulässig? Um die Frage zu klären, was in öffentlicher Sitzung behandelt werden muss und was in nicht-öffentlicher, hat sich die Heidelberger Verwaltung in die öffentliche Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses einen externen Experten eingeladen, der die Frage juristisch beantwortete: Arne Pautsch, Professor an der Hochschule für Öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg.

Gemeindeordnung als Grundlage

  • Welche Aufgaben der Gemeinderat hat und welche Rechte und Pflichten die Mitglieder des Gremiums – die Bürgermeister eingeschlossen – besitzen, regelt die Gemeindeordnung in Baden-Württemberg (GemO).
  • Für die Frage, ob eine Entscheidung in öffentlicher oder nichtöffentlicher Sitzung behandelt wird, geben die Paragrafen 34 und 35 GemO in Baden-Württemberg die Grundlagen.
  • In Paragraf 35 heißt es unter anderem „Die Sitzungen des Gemeinderats sind öffentlich. Nichtöffentlich darf nur verhandelt werden, wenn es das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner erfordern; über Gegenstände, bei denen diese Voraussetzungen vorliegen, muss nichtöffentlich verhandelt werden.“
  • Absatz 2: „Die Gemeinderäte sind zur Verschwiegenheit über alle in nichtöffentlicher Sitzung behandelten Angelegenheiten so lange verpflichtet, bis sie der Bürgermeister von der Schweigepflicht entbindet.“ 

Grundsätzlich habe der Gemeinderat laut Gemeindeordnung öffentlich zu tagen, schiebt der Professor seinem Vortrag voran. Personalfragen oder Grundstücksfragen indes könnten typische Beispiele für Tagesordnungspunkte sein, die im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung behandelt gehörten. Das sei nämlich immer dann der Fall, wenn das „öffentliche Wohl“ und „berechtigte Interessen Einzelner“ verletzt werden könnten. Was das sein kein, ist ebenfalls in der Gemeindeordnung hinterlegt. Wenn nämlich „persönliche oder wirtschaftliche Verhältnisse zur Sprache kommen können, an deren Kenntnisnahme schlechthin kein berechtigtes Interesse der Allgemeinheit bestehen kann und deren Bekanntgabe dem Einzelnen nachteilig sein könnte“.

Abmahnung vor zwei Jahren

Hintergrund der Diskussion ist die Weitergabe von Informationen zur städtischen Wohnungsbaugesellschaft GGH. Der Zwist beschäftigt bereits seit zwei Jahren Juristen: Oberbürgermeister Eckart Würzner hatte Gemeinderat Arnulf Weiler-Lorentz (Bunte Linke) in einem Brief abgemahnt, weil er aus seiner Sicht unbefugt Unterlagen aus einer nichtöffentlichen Sitzung öffentlich gemacht hatte. Dagegen war der Stadtrat vorgegangen und hat nun vom Verwaltungsgericht Karlsruhe Recht bekommen. Dabei ging es um ein als vertraulich gedachtes Strategiepapier zur Zukunft der GGH, das der Stadtrat an Pressevertreter weitergereicht haben soll.

Zu Beginn der Gemeinderatssitzung Anfang Februar hatte Erster Bürgermeister Jürgen Odszuck daher in Abwesenheit von Oberbürgermeister Eckart Würzner eine Erklärung vorgelesen - wie sie das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung gefordert hat. Das Vorgehen des Oberbürgermeisters, der den Stadtrat in einem Schreiben gerügt hatte, sei nicht zulässig gewesen, entschieden die Richter.

Begründung: Der Stadtchef sei formal nicht befugt gewesen, Weiler-Lorentz zu rügen. Das hätte nur dem Gemeinderat insgesamt zugestanden, argumentierten die Verwaltungsrichter. Allerdings führten die Richter aus, dass auch das Verhalten des Stadtrats zu weit ging, da er nicht allein darüber zu entscheiden habe, welche Informationen aus einer nicht-öffentlichen Sitzung rausgegeben werden dürften. Diese Entscheidung stehe nur dem Gemeinderat als Gremium insgesamt zu. Bei einer Verletzung der Verschwiegenheitspflicht hätte der Gemeinderat theoretisch die Möglichkeit, ein Ordnungsgeld von bis zu 1000 Euro zu verhängen.

Entscheidung im Einzelfall

Würzner war in der Hafa-Sitzung am vergangenen Mittwoch wegen Urlaubs entschuldigt. Die Sitzungsleitung lag erneut bei Odszuck. Pautsch erörterte zunächst, ob sich aus dem Landesinformationsgesetz besondere Ansprüche auf Öffentlichkeit ergeben. Alle Themen seien indes längst nicht über einen Kamm zu scheren. Vielmehr müsse im Einzelfall entschieden werden, welches Thema in den nicht-öffentlichen Teil einer Gemeinderatssitzung geschoben werden sollte. Nur dass etwas „heikel“ oder gar „unangenehm“ sei, rechtfertige eine nichtöffentliche Behandlung nicht.

„Wir sehen immer wieder Probleme darin, wie mit der Öffentlichkeit und Nichtöffentlichkeit umgegangen wird“, kritisierte Ratsmitglied Hildegard Stolz (Bunte Linke). SPD-Fraktionschefin Anke Schuster verwies hingegen darauf, dass jenes Stretegiepapier der GGH, das den Anlass für die Diskussion und den jahrelangen Rechtsstreit gegeben hatte, noch in keinem Unternehmensgremium vorgestellt worden war und dennoch den Gemeinderäten zur Kenntnis gegeben werden sollte - nichtöffentlich.

„Grundsätzliche strategische Ausrichtungen gehören in einer Demokratie mit einer breiten Öffentlichkeit diskutiert, formulierte der Rechtswissenschaftler Pautsch, der selbst schon fünf Jahre als hauptamtlicher Bürgermeister in einer niedersächsischen Kommune gewirkt hat. Generell könne man die Faustregel verfolgen, „je grundsätzlicher“ eine Angelegenheit sei, „desto öffentlicher“ müsse sie behandelt werden. Auf eine Einschätzung zum vorliegenden, zunächst intern behandelten, GGH-Papier ließ sich Pautsch nicht ein. „Man muss im Detail schauen“, verweist er auf eine notwendige Einzelfallabwägung.

Redaktion Redakteurin Metropolregion/Heidelberg

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen