Porträt - Ralph Hohenberger erhält für seine Forschungsarbeit den „Anti-Nobelpreis“ / Testpaare im privaten Umfeld rekrutiert

HNO-Arzt Ralph Hohenberger erhält „Anti-Nobelpreis“: Orgasmus befreit die Nase - zumindest eine Stunde lang

Von 
Michaela Roßner
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HNO-Arzt Ralph Hohenberger hat den „Anti-Nobelpreis“ bekommen. In seiner Studie belegt er, dass Sex wie Nasenspray hilft, die Nasenatmung zu verbessern. Die Preisverleihung fand online statt, die Trophäe musste selbst gebastelt werden. © privat

Heidelberg. „Heidelberger Mediziner beweist: Sex hilft wie Nasenspray“: Unter dieser Schlagzeile haben wir berichtet, dass ein HNO-Arzt der Unistadt mit dem „Ig-Nobelpreis“ ausgezeichnet wurde. „Ig“ steht im Englischen für ignoble – übersetzt „unehrenhaft“. Dass er dennoch sehr stolz auf diese Auszeichnung ist – und warum –, hat uns der Mediziner Ralph Hohenberger im Telefoninterview erzählt.

„Ich bin sehr froh, dass wir das geschafft haben“, sagt der 31-Jährige, der den Preis zusammen mit seinem Heilbronner Kollegen Olcay Cem Bulut bekommen hat. Die beiden Hals-Nasen-Ohren-Experten kennen sich aus ihrer gemeinsamen Heidelberger Klinikzeit und sind vom Heilbronner Klinikdirektor Burkard Lippert unterstützt worden – dem neuen Chef Buluts.

Wie haben die Kollegen auf die Nachricht reagiert? „Die meisten fanden’s lustig und haben sich mit uns gefreut“, berichtet Hohenberger, der aus Heidelberg stammt, in Mannheim das Karl-Friedrich-Gymnasium besuchte und zum Medizinstudium in seine Geburtsstadt zurückkehrte.

Verbindung von Genital und Nase

Die Forscher belegten, dass Orgasmen beim Sex genauso effektiv wie abschwellende Medikamente dabei helfen, die Nasenatmung zu verbessern. Wie kommt man auf solch eine Forschungsfrage? „Aus eigener Beobachtung und den Berichten aus dem persönlichen Umfeld“, erklärt Hohenberger. „Schon Sigmund Freud (1856-1939) diskutierte mit seinem Freund und Hals-Nasen-Ohrenarzt Wilhelm Fliess die These, dass Genitale und die Nase miteinander verbunden sind und Probleme im Unterleib sich in Symptomen der Nase bemerkbar machen.“

Dass man seinen Sexpartner gut riechen können muss, hat sich evolutionsbiologisch sicher als sehr günstig erwiesen. Aber wie funktioniert der „Freie-Nase-Sex“ denn nun? „Das können wir nicht genau erklären. Vermutlich ist es unter anderem eine Kombination aus Hormonen und körperlicher Betätigung.“

Daten zuhause erhoben

18 heterosexuelle Paare haben für die Untersuchung daheim Sex gehabt – nicht in den Räumen der Universitätsklinik. Das sei vielleicht eine mögliche Schwachstelle der Untersuchung: „Wir waren nicht dabei.“ Die Aufgabe der Paare, denen Anonymität zugesichert wurde: „Sie haben die Nasenatmung an fünf verschiedenen Zeitpunkten gemessen, vor dem Sex, direkt nach dem Sex und dann im Abstand von 30 Minuten, einer Stunde und drei Stunden“, beschreibt der HNO-Arzt den Versuchsaufbau. Alle Paare seien persönlich bekannt und daher vertrauenswürdig, was die Zuverlässigkeit der Messung angeht.

Mit einem speziellen Gerät wurde das Volumen der Nasen-Atemluft ermittelt. Einen Tag drauf sind die Messungen wiederholt worden. Statt Sex gab es dann aber Nasenspray. Der Effekt des Orgasmus halte etwa 60 Minuten an. Auf längere Sicht sei das Nasenspray wirksamer.

Die Daten für die Nasen-Studie haben Hohenberger bereits vor zwei Jahren erhoben. Dann wurden sie ausgewertet und – das ist eine Bedingung für die Berücksichtigung für einen Anti-Nobelpreis – im Fachjournal veröffentlicht, in diesem Fall „Ear, Nose & Throat“. Seit fünf Jahren arbeitet der Heidelberger an der Universitäts-HNO-Klinik. Sein Fachgebiet sind vor allem Zufriedenheitswerte der Patienten nach Nasenkorrekturen: Welche Nasenbesitzer profitieren von solchen Korrekturen und können nach der OP besser durchatmen? Das soll beantwortet werden.

Die auch als „Anti-Nobelpreis“ bezeichnete Auszeichnung wird seit 1991 von der amerikanischen Zeitschrift „Annals of Improbable Research“ verliehen. Gewürdigt werden Forschungen, die „erst zu Lachen und dann zum Denken anregen“.

Die meisten Preisträger stammen bislang aus den USA. Eine deutsche Beteiligung hatte die Auszeichnung in der Sparte Literatur 1993: Das Werk habe „hundertmal mehr Autoren als Seiten“, begründete die Jury die Auswahl. Der Physiker Arnd Leike von der Maximilians-Universität München bekam den Anti-Nobelpreis 2002 für den Beleg, dass Bierschaum den Gesetzen des exponentiellen Zerfalls unterliegt, die Bläschen also immer schneller platzen, je länger das Bier steht.

Seit 2012 findet die Preisverleihung in der Universität Harvard übergeben. Diesmal – und im Vorjahr – allerdings nicht: Wegen der Pandemie gab es ersatzweise eine Online-Veranstaltung. Und das führte kurioserweise dazu, dass Hohenberger und sein Forscherkollege ihre Trophäe in Form einer Zahnspange selbst basteln mussten: „Die Anleitung dazu haben wir per Mail erhalten, dann mussten wir Zahn für Zahn ausschneiden“, berichtet Hohenberger.

Redaktion Redakteurin Metropolregion/Heidelberg

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