Konzertkritik Jazz

Herausragendes Konzert von Joel Ross im neuen Heidelberger Karlstorbahnhof

Das Quartett des US-Vibrafonisten bei Enjoy Jazz zeigt, wie explosiv Balladen voller Improvisationen klingen können

Von 
Andreas Ahlemann
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Herausragend: Joel Ross. © L.Desberg

Sie als Wunderkinder zu bezeichnen ist vielleicht etwas hoch gegriffen. Doch alle vier Musiker des Joel Ross Quartet sind zweifelsfrei Ausnahmekünstler. Im neuen Karlstorbahnhof in Heidelbergs Südstadt kann man erleben, wie Jazz klingt, wenn sich kompositorische Innovation mit spieltechnischer Reife und ausgebufften Improvisationen vereint.

Joel Ross, der als Kind in Chicago bereits als Schlagzeuger startete und später zum Vibrafon kam, ist gerade mal 27 und ein bereits mehrfach ausgezeichneter „Blue Note“-Künstler. Entgegen dem heute üblichen Vibrafonspiel mit vier Schlegeln beschränkt sich Ross auf nur zwei Mallets, die er allerdings zeitweise wie ein Wirbelwind über seine Metallplatten sausen- und so keine Akkordklänge vermissen lässt.

Große kompositorische Reife

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Pianist Jeremy Corren und Schlagzeuger Joe Dyson sind von ähnlichem Schlag. Zunächst sehr zurückhaltend, gerade so, als wollten sie jeden Ton besonders genießen, beginnen sie fast jedes Stück mit einzelnen leisen Klängen, um im Lauf der Komposition einen Hurrikan zu entfachen. Mit der in Yokohama geborenen, aus Monterey kommenden Bassistin Kanoa Mendenhall komplettiert sich dieses Quartett, dessen Konzert im Wesentlichen aus nicht mehr als drei aus mehreren Kompositionen zusammengeknüpften langen Arrangements besteht.

Bemerkenswert sind neben der kompositorischen Reife aller Stücke das nahezu perfekte Zusammenspiel und der Improvisationsaufbau bei allen Solopassagen. Wer glaubt, eine Ballade bliebe stets getragen und besinnlich, wird von Joel Ross sicher überrascht. Explosiver und intensiver können Einzelpassagen im Verlauf kaum gespielt werden, wobei die harmonische Basis auch bei den flinkesten Single-Note-Linien nie missachtet wird.

Wer dieses junge Quartett um Joel Ross noch nicht kannte, dürfte absolut beeindruckt gewesen sein. Für die diesjährige Enjoy Jazz-Konzertreihe gehört der Vortrag dieser vier Ausnahmemusiker ohne Frage zu den Highlights. Herausragend!

Freier Autor

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