Gründerin

Heidelbergerin gibt ihr Kräuterwissen modern verpackt weiter

"Urbarium" heißt die Firma von Jules Sentman. Im Onlineshop verkauft die gelernte PTA Naturkosmetik- und Teemischungen. Aber bis dahin war es ein weiter Weg - was die Mitte 40-Jährige alles erlebt hat

Von 
Michaela Roßner
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Jules Sentman weiß alles über Kräuter und gibt ihr Wissen gerne weiter. © Philipp Rothe

Es gibt Menschen, die scheinen ein bisschen intensiver zu leben als andere. Auf Jules Sentman trifft das wohl zu: Sie hat in den USA mit Drogenabhängigen, Obdachlosen und Prostituierten gearbeitet, ist Lehrerin, zweifache Mutter, gelernte Pharmazeutin, Bloggerin und Unternehmerin. Sie hat viel erlebt – auch einen Burnout. Mit Anfang 40 hat sie nun ihre Mitte gefunden als moderne Kräuterfee. Mit ihrer Tee- und Naturkosmetikfirma „Urbarium“ bringt die Heidelbergerin Menschen die Kräfte der Natur näher. Dazu bietet sie auch eine Ausbildung zur Kräuterpädagogin und in ihrem Onlineshop nachhaltige Produkte an.

„Ab Nachmittags ist hier viel Leben“, empfängt sie uns im Loft an der Bergheimer Straße. Im Moment sind wir noch alleine. Viel Tageslicht, die Einrichtung komplett selbst gebaut. Gemütlich und inspirierend kreativ wirkt der hohe Raum, der sich zum Innenhof öffnet. Hier ist auch der Verein „Actionhouse“ daheim: Konzerte, Vorträge und ein Coworking-Space. Räume, die sich immer wieder verwandeln. So denkt Chad, Jules Mann, gerade über die Einrichtung eines kleinen Bistros nach. „Das wird nie fertig sein hier“, kommentiert Jules lächelnd.

Ausbildung statt Abi

Sich zu verändern, neue Wege gehen – es scheint im Leben der quirligen Heidelbergerin ein roter Faden zu sein. Das private Elisabeth-von-Thadden-Gymnasium in Wieblingen musste sie verlassen, weil ihre Mutter arbeitslos wurde und das Schulgeld nicht mehr bezahlen konnte, erinnert sich Jules, heute selbst Mutter einer elf Jahre alten Tochter und eines 15 Jahre alten Sohns. Statt auf ein anderes Gymnasium zu wechseln, beginnt die Jugendliche eine Ausbildung zur PTA.

Die Natur mit ihren Kräutern und Pflanzen hat sie schon als Kind fasziniert. Denn viel Zeit verbrachte sie bei ihrem Großvater in einem pfälzischen Dorf: „Ich habe es geliebt, ihn einfach stundenlang zu beobachten.“ Opa Otto war blind und fast taub, hat im Ort Tees verkauft und Körbe geflochten. „Er hat an seinen Bienenstöcken gerochen und wusste, wann der Honig geerntet werden kann“, beschreibt Sentman, wie der Senior das fehlende Augenlicht mit feinen anderen Sinnen ersetzte.

Kräuter- und Drogenkunde wird das Lieblingsfach ihrer Ausbildung. Dass sie in der Apotheke dann aber eher Chemotherapien oder fertig verpackte Salben verkauft, lässt bald die Enttäuschung über den gewählten Beruf wachsen. Sie ist Anfang 20 und zu jung, um zu bleiben. Nimmt ein Studium an der Pädagogischen Hochschule auf. Englischlehrerin möchte sie nun werden. „Das Studentenleben habe ich sehr genossen, ich bin auch viel gereist“, erinnert sich die Heidelbergerin, die sich die Welt in vielen Facetten angeschaut hat.

Körpersignale als Wendepunkte

In Los Angeles erlebt sie, wie nahe Reichtum und Elend nebeneinanderwohnen können, „eine krasse Zeit“, wie sie heute findet. Am Wochenende arbeitet sie zwischen 3 und 6 Uhr, berät ausstiegswillige Frauen, die sich an der Straße verkaufen. Das Leben sei ihr da manchmal „wie ein Actionfilm“ vorgekommen. Jules lernt ihren Mann kennen und lieben. Als sie schwanger ist, zieht das Paar nach Heidelberg. Dort kommt der Sohn mit einer schweren Behinderung zu Welt, die Ärzte machen zunächst kaum Hoffnung, dass er überlebt. In den ersten Lebensjahren muss der Junge mit dem offenen Rücken rund drei Dutzend Mal operiert werden. Heute ist Gideon ein lebenshungriger attraktiver Teenager, der – obwohl seine Beine gelähmt bleiben – begeistert Skateboard fährt und bald Richtung Abi lernt.

Die beste Therapie findet man in der Natur.
Jules Sentman

Jules, die am liebsten alle konsequent duzt, paukt in den Wartezimmern der Kliniken für ihr Staatsexamen. Als Lehrerin für Sport und Englisch und inzwischen Mutter von zwei kleinen Kindern kommt sie aber an ihre Grenzen: Ein Hörsturz zwingt sie zum Kürzertreten. Der Burnout leitet wieder eine berufliche Wende ein: Sie übernimmt die Firma ihres Mannes und fängt an, pädagogische Filme zu drehen – bald auch über Kräuter.

Bekannt auch durch Fernsehbeiträge

Als sie von der Schulkreide ein Ekzem an den Händen bekommt, besinnt sie sich auf das Kräuterwissen aus der PTA-Ausbildung und rührt eine feste Creme an. Die selbstkreierte „Handbutter“, die die Haut wunderbar pflegt, findet schnell einen begeisterten Kundenkreis. Auch die Tees. „Die beste Therapie findet man in der Natur“: Die Zutaten baut sie im eigenen, acht Meter breiten und 100 Meter langen Garten in Handschuhsheim an, dazu kauft sie Kräuter aus Bioproduktion.

„Urbarium“ heißt Sentmans Kräuterfirma. Die Wortschöpfung kombiniert urban (städtisch) mit Herbarium (Pflanzensammlung). Bekannt wurde die Heidelberger Gründerin auch durch Beiträge von SWR und WDR. Die Tees und die Kosmetik rührt sie im eigenen Labor zusammen. Außerdem bietet sie Schulungen für Kräuterpädagogen. „Ich bin gut angekommen“, sagt Jules heute. Einen Traum hegt sie indes noch: „längere Zeit in Thailand leben.“

Redaktion Redakteurin Metropolregion/Heidelberg

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