Straßenkunst

Heidelberger "Wimmelbild" erwacht dank Handy zu Leben

Das Künstlerkollektiv WE.N.U hat an einer Hauswand im Heidelberger Altklinikum ein meterhohes Wandgemälde gestaltet. Nun erwacht das schwarz-weiße "Wimmelbild" zu Leben - auf dem Handy des Betrachters

Von 
Michaela Roßner
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Das Wimmelbild in Heidelberg. © Michaela Roßner

Heidelberg. Gerade noch sieht man ein schwarz-weißes „Wimmelbild“, dann plötzlich legt sich Nacht über die Szene. Eine Schublade öffnet sich, eine Schlange bewegt sich, überall in dem wandgroßen Gemälde entsteht Licht und Leben. Die Technik „Augmented Reality (erweiterte Realität“) macht dieses Erlebnis im Park des Altklinikums im Heidelberger Stadtteil Bergheim nun möglich. Wer auf sein Mobiltelefon eine spezielle App herunterlädt und die Kamera auf das Wandbild richtet, erfährt ein Kinoerlebnis - 30 Sekunden lang.

„School of dreams (Schule der Träume)“ heißt das Wandgemälde, das in einer Kooperation des Konfuzius Instituts an der Universität Heidelberg und des Centrums für Asienwissenschaften und Transkulturelle Studien (CATS) mit dem Metropolink Festival für urbane Kunst entstanden ist. Im Gebäude selbst an der Luisenstraße hat das Kurfürst -Friedrich-Gymnasium eine Außenstelle: Im Luisenhaus werden die siebten Klassen unterrichtet.

Es sieht aus wie eine kleine Stadt auf einer Eisscholle oder Insel. Schon beim starren Bild kann man immer wieder neue Details entdecken. Das Video, hoffen die Initiatoren, schaut man auch mehrmals an und entdeckt immer wieder neue Dinge.

Künstlerin aus Hongkong und drei Berliner Graffiti-Experten

Das Mural (Wandbild) am Luisenhaus ist im September 2020 während der Pandemie entstanden. Das Künstlerkollektiv WE.N.U besteht aus der Honkonger Künstlerin Friendly Liu sowie den drei Berliner Graffiti-Künstlern Erik, Mo und Jenne. „Die aus Berlin angereisten Künstler hatten nur anderthalb Tage, um von zwei Hebebühnen aus das meterhohe Bild auf die Hauswand zu bringen“, erinnert sich Baumgärtner. Unter anderem mit den auf Deutsch und Chinesisch eingezeichneten Namen „Berlin“ und „Hongkong“ haben sich die Künstler in dem cartoon-ähnlichen Bild verewigt.

Das Mobiltelefon wird zum „Zauberspiegel“

„Das Handy wird zum Zauberspiegel, durch den man à la Harry Potter blickt und zuvor nicht sichtbare Dimensionen entdeckt“, erklärt Johannes Rossnagel. Der Motion-Graphic-Artist aus Heidelberg hat das Video im Auftrag von Pascal Baumgärtner erstellt. Das Metropolink Festival feiert in diesem Jahr sein 10-jähriges Bestehen.

Petra Thiel vom Konfuziusinstitut berichtet, dass die Zusammenarbeit mit Baumgärtner 2015 entstand, als eine Klanginstallation chinesischer Künstler in die neue Galerie im ehemaligen Supermarkt in Patrick-Henry-Village zog. Seither arbeite man immer dann wieder zusammen, wenn es um chinesische Kunstschaffende geht.

Nach Schmetterling und Abstraktem Bild das dritte Video

Wie schon der riesige Schmetterlings des Künstlers Mantra auf der Wand des Hauses in der Uferstraße 5 in Neuenheim und das farbexplosive, plastisch-abstrakte Mural des Künstlers Bond Truluv in der Plöck 29 in der Altstadt, ist nun die „School auf Dreams“ digital zum Leben erweckt worden. Möglich macht das eine Software, die für das New Yorker MoMa entwickelt wurde. Um das bewegte Bild zu sehen, muss man sich die „Artivive“-APP auf das Mobiltelefon herunterladen. Das geht kostenlos. Den passenden GPS-Code dazu kann man zum Beispiel von einem Schild unter dem Wandbild herunterladen. Dann setzt sich die Animation automatisch in Bewegung, sobald die Kamera des Telefons auf das Bild gerichtet wird - das funktioniert auch, wenn man nicht vor der Wand steht, sondern das Telefon auf ein Foto des Kunstwerks richtet.

Wie viele Stunden intensiver Arbeit in der Animation stecken, lässt Rossnagel, leicht mit den Schultern zuckend, offen. „Es war sehr viel Arbeit“, räumt der Kreativschaffende ein. Zunächst sei es um die Konzeption gegangen. In Abstimmung mit Baumgärtner habe man die Idee des nächtlichen Wachwerdens eines eigentlich unbewegten Kunstwerks entwickelt. „So ein bisschen wie bei ,Nachts im Museum‘“, fügt Rossnagel hinzu. In diesem bekannten amerikanischen Spielfilm und Kinderbuch wachen die Ausstellungsstücke nachts auf und erleben Abenteuer. Tagsüber stellen sie sich stumm den Museumsbesuchern zur Schau.“

Metropolink Festival feiert Zehnjähriges im Sommer

Baumgärtner und das Festival haben dafür gesorgt, dass inzwischen 100 einst triste Hauswände mit großformatigen Bildern einzigartig wurden. „Nun gehen wir daran, das auch in die digitale Dimension zu heben“, sagt der Leiter des Festivals. Die Verknüpfung mit bewegten Bildern auf dem Handy realisierten sie zum ersten Mal in Walldorf an der Wand des SAP-Ausbildungszentrums. Und so wird es sicher nicht das letzte Wandbild in der Stadt gewesen sein, das per „Zauberspiegel“ Handy lebendig wird.

Redaktion Redakteurin Metropolregion/Heidelberg

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