Heidelberg. Nein, zwar gab es am Mittwoch viele Redaktionen auf die bundesweit wahrgenommene Nachricht – aber der Altkanzler hatte sich bis zum frühen Nachmittag noch nicht in Heidelberg gemeldet: Der rund 1000 Mitglieder zählende SPD-Kreisverband hat, wie kurz gemeldet, am Dienstag den Antrag gestellt, Gerhard Schröder aus der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands auszuschließen. Begründet wird das mit seiner Nähe zu Wladimir Putin und der Weigerung, Aufsichtsratspositionen in den russischen Unternehmen Rosneft und der Nord-Stream AG aufzugeben. „So lange sich Schröder nicht von Putin distanziert, schadet er Deutschland, der Partei und der Sozialdemokratie“, erklärt der Kreisvorsitzende Sören Michelsburg im Gespräch mit dieser Redaktion.
Schröders Rolle als Aufsichtsrat in einem kriegsrelevanten Staatsunternehmen sei „nicht mit sozialdemokratischen Grundwerten vereinbar“ argumentiert Michelsburg weiter. „Uns geht es darum, demokratische Werte und eine Welt in Frieden zu verteidigen und dafür einzustehen. Ein SPD-Mitglied, das diese Werte missachtet und den Krieg eines Autokraten unterstützt, ist für uns nicht mehr tragbar“, fügt Michelsburg hinzu.

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Dieses „Parteiordnungsverfahren“ habe man nicht dem Bundesvorstand zumuten wollen, „der hat jetzt genug zu tun“, begründet Michelsburg den Vorstoß aus der Metropolregion Rhein-Neckar. „Heute haben sich schon einige andere Kreisverbände gemeldet, die einen ähnlichen Schritt planen. “ Viele Zuschriften seien bei der SPD Heidelberg eingegangen – vor allen zustimmende. „Wir sind sehr dankbar für diesen großen Zuspruch“, sagt der Kreisvorsitzende – auch wenn man sich solchen Zuspruch auch gerne mehr bei inhaltlichen Themen wünsche.
Bereits am 24. Februar ging Post aus Heidelberg an die Parteispitze der Sozialdemokraten. Gerhard Schröder wurde darin aufgefordert, „seine Mandate als Aufsichtsratschef von Rosneft und der Nord-Stream AG niederzulegen sowie von der Nominierung für den Aufsichtsrat bei Gazprom zurückzutreten“. Michelsburg: „Wir haben Schröder genug Zeit für einen sicheren Rückzug seiner Aktivitäten für russische Staatskonzerne gegeben, aber jetzt ist genug. Auch eine Distanzierung von dem russischen Präsidenten Vladimir Putin ist seitdem nicht geschehen.“
Jede SPD-Ebene kann laut Organisationsstatut einen Parteiausschluss beim zuständigen Schiedsgericht beantragen. In diesem Fall sitzt das Schiedsgericht in Hannover, in Schröders Heimat. Diese Instanz habe nun sechs Monate Zeit, den Antrag zu prüfen, zu entscheiden, eine Rüge zu erteilen oder anders zu reagieren. Vielleicht reicht es den Antrag auch an eine übergeordnete Instanz weiter, sieht Michelsburg eine weitere Möglichkeit.
„Wir sehen es auch als unsere Verantwortung an, für die Grundwerte der Sozialdemokratie einzustehen“, formuliert Kreisvorstandsmitglied Daniel Al-Kayal. Landesvorstand Andreas Stoch sowie Mitglieder des Bundesvorstandes haben sich bereits von Schröder distanziert. Stoch warf dem Ex-Kanzler ein „Versagen gegenüber Putin und seiner Regierung“ vor. Auch Wirtschaftsunternehmen distanzieren sich von Schröder. Die Universität Göttingen erwägt nach Medienberichten, dem Hannoveraner die Ehrendoktorwürde wegzunehmen.
„Dieser Professor“
Einen besonderen Bezug zum prominenten Sozialdemokraten gibt es in Heidelberg indes nicht, auch wenn der damalige Bundeskanzler die Stadt am Neckar besucht hat und etwa am 14. April 2000 den etwa 80 Millionen Mark teuren Neubau der Print Media Academy einweihte – damals noch auf Einladung des Unternehmens Heideldruck. 2017 sprach Schröder, längst „Bundeskanzler a.D,“, beim Jahresempfang des DKFZ.
Eher weniger beliebt machte sich Schröder in der Stadt, als er den Verfassungs- und Steuerrechtler Paul Kirchhof als „den Professor aus Heidelberg“ betitelte: Im Bundestagswahlkampf 2005 war Kirchhof im Schattenkabinett von Kanzlerkandidatin Angela Merkel als Minister vorgesehen. Kanzler Schröder erfand für ihn diese Bezeichnung und verhalf Kirchhof mitsamt dessen Vorschlägen zur Steuerreform in Nicht-Juristen-Kreisen zu zweifelhaftem Ruhm.
Nicht mit Heidelberg, aber mit Mannheim verknüpft ist hingegen eine andere schmerzhaftere Erinnerung; 2004 ohrfeigte ein arbeitsloser Lehrer Bundeskanzler Schröder bei einer SPD-Veranstaltung in der Quadratestadt. Zum Prozess gegen den 52-Jährigen vor dem Mannheimer Amtsgericht kam Schröder nicht mehr nach Mannheim. Der Angreifer, der erst wenige Monate zuvor den Genossen beigetreten war, wurde wegen Körperverletzung zu vier Monaten Haft verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurden. Sein SPD-Mitgliedsbuch war der aggressive Lehrer da schon weggenommen worden.
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