Heidelberg. Es ist nicht zu übersehen: Nach zwei Jahren Corona-Pause steht das ehrwürdige Spiegelzelt wieder auf dem Universitätsplatz in der Altstadt. Am Mittwochabend sind dort die 28. Heidelberger Literaturtage eröffnet worden. Bis Sonntag, 5. Juni, organisiert das Kulturamt mit lokalen Akteuren Lesungen, Diskussionen, literarische Stadtrundgänge und vieles mehr. Zur Eröffnung kam sogar eine First Lady: Eliza Reid ist die Frau des isländischen Präsidenten Guni Th. Jöhannesson. Die Journalistin und Autorin stellte ihr erstes Buch vor.
Es knistert und knarzt wieder unter dem Zeltdach. Verlage, Buchhandlungen und Institutionen präsentieren sich in den Sitznischen aus poliertem Holz. Das Festival ist der Treffpunkt für alle, die in der Unesco-Literaturstadt an Texten, Büchern, Übersetzungen oder Inszenierungen arbeiten. Einige von ihnen sind auch im Programm vertreten, das nicht nur im, sondern auch um das Zelt Bühnen hat. Ein Drittel der insgesamt 60 Veranstaltungen können kostenlos besucht werden. Für den erkrankten Oberbürgermeister eröffnete Erster Bürgermeister Jürgen Odszuck das Festival. Er würdigte besonders die „jungen Formate“, die etwa als App neu ins Festival gekommen sind.
Kulturamtsleiterin Andrea Edel, die 2016 als Interimslösung die Organisation übernahm, begrüßte neben Reid Gäste aus weiteren Unesco-Literaturstädten wie etwa Grenada. Während der Pandemie habe man das Format „zwei Mal neu erfinden müssen“, verwies sie auf die digitalen Literaturtage 2020 und die Hybridversion 2022.
Shortlist-Lesung am Sonntag
Am Mittwoch ist auch bekanntgegeben worden, wer sich die größten Hoffnungen auf den Preis der Heidelberger Autorinnen und Autoren machen darf: Minu Dietlinde Tizabi, Erik Hauser, Stefan Hölscher, Andrea Landfried, Dennis Mizioch sowie Joscha Schaback sind die Nominierten der Shortlist. Der Preis wird zum fünften Mal verliehen. Das Besondere: Die Autoren und Autorinnen der Stadt selbst loben ihn aus. So sollen, formuliert Kristin Peschutter vom Jury- und Organisationsteam, „gegenseitige Vernetzung und Wertschätzung der Heidelberger Literaturszene“ sowie deren Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit gestärkt werden. Am Sonntag, 5. Juni, 14 Uhr, stellen die sechs Shortlist-Nominierten sich und ihre eingereichten Texte vor. Insgesamt nicht länger als 20 Seiten durften die beiden eingereichten Kurzgeschichten sein – außerdem noch nicht veröffentlicht. Eine siebenköpfige Jury bewertete die anonym eingereichten Texte. Die Gewinnerlesung findet am 7. Juli in der Stadtbücherei statt.
„Sprakkar“ – so nennt man erfolgreiche Frauen in Island. „Secrets of the Sprakkar (Geheimnisse der Sprakkar)“ heißt Reids Buch, in dem sie der Frage nachgeht, warum Island in Sachen Gleichberechtigung ganz oben angesiedelt wird. Jagoda Marinic, designierte Festivalleiterin, moderierte die Lesung mit Reid.
Die Programmpunkte der Heidelberger Literaturtage können nicht nur im Zelt, sondern auch im Public Viewing per Leinwand auf dem Uniplatz verfolgt werden. Außerdem werden die Veranstaltungen live gestreamt – Reservieren kann man Tickets für alle drei Zuschau-Varianten auf der Internetseite. Mitmachen ist ebenfalls vorgesehen: Nicht nur beim breiten Kinder- und Jugendprogramm, sondern zum Beispiel am Samstag, 4. Juni, um 14 Uhr beim „Shared Reading“, wo unter Anleitung gemeinsam ein Text gelesen und besprochen wird.
Am Donnerstag ist ein Maghreb-Tag geplant. Ab 17 Uhr widmen sich etwa der Lyriker und Herausgeber Amin Khan, der Algerier Mohamed Khoudir und der Politologe Claus Leggewie in Lesung und Gespräch dem Jahrestag „60 Jahre algerische Unabhängigkeit von Frankreich“. Die Heidelberger Literaturtage sollen ab 2023 als Stabsstelle bei Kulturbürgermeister Wolfgang Erichson angesiedelt werden. Die Verwaltungsleitung soll Georg Bachmann übernehmen, der bislang beim Kulturamt der Stadt Heidelberg für die Produktionsleitung der Literaturtage verantwortlich zeichnete. Künstlerische Leiterin soll die Schriftstellerin Jagoda Marinic werden, die dann zehn Jahre das Interkulturelle Zentrum aufgebaut und geleitet hat.
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