Heidelberg. Mehr als 200 Seiten umfasst der Gesetzentwurf zur Freigabe von Cannabis, der in der vergangenen Woche im Bundestag erstmals gelesen wurde. SPD, Grüne und FDP möchten den Hasch-Erwerb aus der kriminellen Ecke holen. Bis zu 25 Gramm sollen Erwachsene besitzen, bis zu drei Pflanzen daheim hegen dürfen.
Voraussichtlich im November soll der Gesetzentwurf erneut im Parlament diskutiert werden. Die gesellschaftlichen Folgen dieser Legalisierung und der Jugendschutz sind nicht ausreichend berücksichtigt, kritisiert der CDU-Bundestagsabgeordnete Alexander Föhr bei einem Besuch im Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), wo er sich mit Katrin Schaller, Leiterin der Stabsstelle Prävention, austauschte.
„Cannabis wird meist zusammen mit Tabak geraucht“: Darin sieht Schaller das größte Problem - und die Präventionsarbeit von Jahrzehnten gefährdet. Jahrzehntelang kämpften Schallers Vorgängerin, die inzwischen verstorbene Martina Pötschke-Langer sowie der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Lothar Binding erfolgreich für einen besseren Nichtraucherschutz und gegen die Tabaklobby. Dieses Erbe scheint nun in Gefahr, befürchtet die Präventionsexpertin.
Dabei gibt es eigentlich eine Agenda und den Vorsatz, bis 2040 ein rauchfreies Land zu sein. „Das bedeutet, dass höchstens fünf Prozent der Erwachsenen und höchstens zwei Prozent Heranwachsende Tabak konsumieren“, präzisiert Schaller. 15 Krebsarten vom Rachen-Karzinom bis zum Darmkrebs werden direkt mit dem Konsum von Tabak in Verbindung gebracht. Viele kanzerogenen Stoffe fallen beim Verbrennungsprozess einer Zigarette oder auch eines Joints an. Rund 130 000 Menschen sterben in Deutschland jedes Jahr an den Folgen des Tabakkonsums - auch passiver Konsum schadet.
Jeder zehnte Deutsche konsumiert Cannabis
Eine „Tüte“ (umgangssprachlich für Haschzigarre) zu rauchen, scheint für viele Menschen inzwischen dazuzugehören: Cannabis ist die am häufigsten konsumierte illegale Droge im Land. 8,8 Prozent der Bevölkerung gaben 2021 an, im vergangenen Jahr Cannabis konsumiert zu haben. Etwa die Hälfte der Heranwachsenden zwischen 18 und 25 Jahren bestätigten in der gleichen Studie, den Stoff schon einmal konsumiert zu haben.
„Mir geht es nicht um die Dauer-Diskussion, Cannabis legalisieren oder nicht“, erklärt Föhr. Aber der nun vorgestellte Gesetzentwurf lasse viele Fragen offen, besonders auf dem Gebiet des Jugendschutzes, möchte er den Experten vor Ort im DKFZ, einer weltweit renommierten Forschungseinrichtung, mehr Gehör verschaffen.
Cannabis
- Cannabis ist eine der ältesten bekannten Nutz- und Heilpflanzen.
- Der Konsum weiblicher Pflanzenteile kann berauschende Wirkung haben.
- Tetrahydrocannabinol (THC) heißt der psychoaktive Inhaltsstoff.
- Im Jahr 2021 gaben rund 4,5 Millionen Menschen in Deutschland an, im Jahr zuvor Cannabis konsumiert zu haben.
Nachgewiesen sei bereits, bestätigt Schaller, dass Cannabis jugendliche Gehirne schädigt, Abhängigkeit erzeugt und Psychosen auslösen kann. „Für Heranwachsende muss Marihuana tabu bleiben“, unterstreicht Schaller. Das sieht der Heidelberger Gesamtelternbeirat genauso - und kritisiert die von SPD und Jusos angestoßene Idee, Heidelberg solle sich als Cannabis-Modellstadt bewerben. „Heidelberg muss nicht überall Vorreiter sein“, erteilt Föhr diesem Projekt eine Absage.
In den künftigen Modellstädten - etwa ein Dutzend sind bundesweit vorgesehen - soll die Abgabe von Genuss-Cannabis in lizenzierten und kontrollierten Fachgeschäften an Erwachsene abgegeben werden, zunächst für fünf Jahre, um daraus Erkenntnisse über ein möglicherweise verändertes Konsumverhalten zu gewinnen.
Auch nach heftiger Kritik des Gesamtelternbeirats halten SPD und Jusos an dem Vorhaben fest. Als größtes Problem für den Jugendschutz sehen sie „den ausufernden Schwarzmarkt, der nur durch eine kontrollierte Legalisierung mit flankierenden Jugendschutzmaßnahmen ausgetrocknet werden kann“.
Vorhandene Kontrollstrukturen für Legalisierung nutzen
Cannabis selbst gilt bisher nicht als krebsauslösend. Allerdings gebe es insgesamt nur wenige Studien bislang zum Konsum, der Droge, die auch als Medizinprodukt streng kontrolliert hergestellt und vertrieben wird. Die Legalisierung an diese vorhandenen Strukturen anzubinden, wäre für Schaller die bessere Lösung. Rund 400 bis 800 Tonnen dieses Medizin-Cannabis werden aktuell pro Jahr im Land produziert. Zum Beispiel chronische Schmerzpatienten bekommen es verschrieben.
Am Dienstag kommt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ins DKFZ nach Heidelberg. Über den von ihm eingebrachtem Gesetzentwurf, der den Hasch-Schwarzmarkt trockenlegen und den Konsum entkriminalisieren soll, wird er mit den Krebsforschern aber offenbar nicht sprechen. Stattdessen steht der Einsatz Künstlicher Intelligenz im Gesundheitswesen auf der Agenda des Besuchs.
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