Heidelberg. Der Müllberg aus Plastikabfällen, den die Menschheit mittlerweile angehäuft hat, ist unvorstellbar groß. Forscher schätzen die Menge auf rund acht Milliarden Tonnen Plastikmüll, die den Planeten verschmutzen. Laut dem UN-Umweltprogramm UNEP nutzten die Menschen 2024 weltweit 500 Millionen Tonnen Plastik. 400 Millionen Tonnen, so die Prognose der UN-Umweltexperten, dürften auf dem Müll landen. Es ist also wenig erstaunlich, dass Wissenschaftler auf der ganzen Welt Alarm schlagen: Die Kunststoffbelastung stellt eine wachsende Gefahr für die Gesundheit von Menschen, Tieren und dem Ökosystem Erde dar. Eine Gruppe aus internationalen Forschern will nun die globale Belastung mit Plastikmüll, die Folgen, aber auch die Maßnahmen dagegen dokumentieren. Federführend bei dem Projekt ist ein renommierter und hochdekorierter Wissenschaftler aus Heidelberg: der Epidemiologe Joacim Rocklöv, Professor am Institut for Global Health der Universität.
Diese Woche veröffentlichte das Forscherteam, passend zum Auftakt der internationalen Konferenz der Vereinten Nationen zur Reduzierung von Plastikmüll, das Projekt in dem Fachmagazin „The Lancet“, einer der ältesten und renommiertesten medizinischen Zeitschriften der Welt. Mit der Vorstellung des „Lancet Countdown on Health and Plastics“, so der Name des Projekts, wollen die Expertinnen und Experten aus den Bereichen Global Health, Umweltwissenschaften, Chemie und Politik die Verhandlungen von mehr als 160 Staaten in Genf unterstützen. „Wir zeigen, wie gravierend die gesundheitlichen Auswirkungen von Plastikverschmutzung und Kunststoffbelastung bereits sind – und welche Folgen drohen, wenn nicht entschieden gehandelt wird“, betont Rocklöv, der Co-Vorsitzende des Countdowns.
Krankheiten und Todesfälle in allen Altersgruppen
„Wir nehmen eine breite Perspektive ein und schauen etwa auf das Zusammenwirken von Plastikverschmutzung mit anderen globalen Bedrohungen für die Gesundheit, etwa durch Mücken übertragene Krankheiten und antimikrobielle Resistenz“, erklärt Marina Treskova, Ökoepidemiologin an der Universität Heidelberg und Co-Leiterin der Arbeitsgruppe zu den gesundheitlichen Auswirkungen des Countdowns.
Mikro- und Nanopartikel sowie zahlreiche Kunststoffchemikalien finden sich selbst in entlegenen Winkeln der Erde, ebenso wie in den Körpern von Meeres- und Landlebewesen und auch von Menschen. Die Wissenschaftler zeigen in dem Lancet-Beitrag auf, wie diese Kunststoffbelastung zu Krankheiten und Todesfällen von der frühen Kindheit bis ins hohe Alter führt, und dokumentieren, dass zahlreiche gefährdete Bevölkerungsgruppen unverhältnismäßig stark belastet sind. Die Experten verweisen zugleich auf die hohen wirtschaftlichen Kosten, die dadurch entstehen, sowie auf große Informationslücken: So seien 75 Prozent aller in Kunststoff enthaltenen Chemikalien nie auf ihre Sicherheit überprüft worden.
„Wir werden unabhängige Daten liefern“
Für den ersten „Lancet Countdown on Health and Plastics“-Report werden die Forscher wissenschaftlich aussagekräftige und regional repräsentative Indikatoren für die vier Bereiche Plastikherstellung, Exposition, gesundheitliche Folgen sowie Interventionen und Engagement identifizieren und regelmäßig darüber berichten. „Wir werden unabhängige Daten liefern, auf deren Grundlage Entscheidungen zur Förderung der öffentlichen Gesundheit getroffen werden können“, verspricht Rocklöv. Der Epidemiologe, Mathematiker und Statistiker forscht als Alexander von Humboldt-Professor in einer Reihe von Projekten an der Universität und am Universitätsklinikum Heidelberg zu den Auswirkungen von Klima- und Umweltveränderungen auf die öffentliche Gesundheit.
Die neue Forschungskollaboration ist an die Aktivitäten des „Lancet Countdown on Health and Climate Change“-Reports angelehnt. Damit dokumentieren etwa 300 Forscherinnen und Forscher die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels.
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