Heidelberg. Seit gut einem Jahrzehnt schwelt in Heidelberg ein auch gerichtlich ausgefochtener Konflikt zwischen lärmgeplagten Anwohnern der Unteren Straße mit ihren Bars und Gaststätten einerseits und Gastronomen und Partygängern andererseits. Während der Pandemie-Jahre war Ruhe eingekehrt – in den alten Gassen und auch in dem Streit. Im Herbst könnte ein neues Kapitel geschrieben werden: Am 24. Oktober beschäftigt sich der Verwaltungsgerichtshof (VGH) erneut mit der Frage, wann die Kneipen in der Heidelberger Altstadt schließen müssen, damit Anwohner ausreichend Ruhe für ihren Schlaf bekommen.
Mehrere Gerichte befassten sich mit dem Thema bereits
Mehrfach bereits hatten Gerichte die Frage, wie lange Heidelbergs Gastronomen in der Altstadt öffnen dürfen, beantworten müssen: Sowohl das Karlsruher Verwaltungsgericht, als auch der Verwaltungsgerichtshof hatten die Stadt aufgefordert, die Lärmsituation zu verbessern. Die Richter des Karlsruher Verwaltungsgerichts legten sogar konkrete Sperrzeiten fest: nämlich Mitternacht unter der Woche und 2:30 Uhr am Wochenende. Dagegen legte die Stadt Heidelberg Berufung ein. Und sie legte gleichzeitig neue Sperrzeiten fest: ein Uhr unter der Woche und vier Uhr am Wochenende. Das war 2019.
Gemeinderat setzt sich über Vorgaben der Richter hinweg
„Damit missachtet der Gemeinderat zum zweiten Mal in eklatanter Weise eindeutige gerichtliche Vorgaben“, reagierte der Anwalt der klagenden Altstadtbewohner, Werner Finger, am Freitag prompt auf die Gemeinderatsentscheidung. Bereits mit der Sperrzeitenverordnung vom 24. Juli 2018 habe sich der Gemeinderat über das Normenkontrollurteil des baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshofs „hinweggesetzt“, fügte der Anwalt hinzu. Darin war betont worden, dass ein Sperrzeitbeginn am Wochenende um 4 Uhr zu spät ist, um den Altstadtbewohnern nicht wenigstens eine Nachtruhe von sechs Stunden zuzugestehen.
Anwohner lehnen Mediation ab
Auch die Gegenseite, vier der insgesamt 31 Anwohner, die zuvor vor dem Verwaltungsgericht in Karlsruhe geklagt hatten, zogen vor den VGH. Sie waren der Meinung, dass es nicht der Stadt überlassen bleiben sollte, wo genau eingeschränkte Sperrzeiten zu gelten haben, ein Punkt, den die Karlsruher Richter bewusst offengelassen hatten.
Im Juli 2020 scheiterte der Vorschlag der Mannheimer VGH-Richterin Else Kirchhof, ein gerichtliches Mediationsverfahren anzustrengen, an der Ablehnung der Anwohner. Danach forderte der VGH ein neues Lärmgutachten, das nun vorliegen soll. Und so treffen sich die Anwälte der Stadt und der Anwohner am 24.Oktober erneut in Mannheim zur mündlichen Verhandlung.
Pandemie sorgt für Ruhe in dem Streit
Eine Online-Petition für großzügigere Kneipenöffnungszeiten fand 2019 mehr als 8000 Unterstützer. Doch dann kam die Pandemie, und der Ärger um lautes Feiern in den Altstadtgassen versiegte, während Gaststätten und Geschäfte zum Teil monatelang geschlossen blieben.
Danach engagierte sich die Stadt stark, überhaupt wieder Nachtleben entstehen zu lassen. Das Förderkonzept „Mehr junge Feierkultur Heidelberg“ sollte nach den Einschränkungen der Coronapandemie für mehr Kontakte und Treffen sorgen. 300.000 Euro stellte der Gemeinderat dafür bereit. Die Partys und Konzerte fanden indes meist außerhalb der Altstadt statt, im Neuenheimer Feld zum Beispiel.
Nachtbürgermeister nehmen Arbeit auf
Ab dem Frühjahr 2021 sollten sich die frisch gewählten Nachtbürgermeister Jimmy Kneipp und Daniel Adler im Auftrag von Heidelberg Marketing um eine Befriedung des Streits kümmern. Sie organisierten den Einsatz von Nightcoaches, Im Zeitraum von Juni bis Oktober 2022 führten die Nightcoaches, die immer freitags- und samstagabends und -nachts unterwegs waren, an insgesamt 38 Einsatztagen über 7000 Gespräche, stellten Kneipp und Adler im März 2023 ihre erste Bilanz vor.
Künstler Klaus Staeck bezieht Stellung
Im Streit um Lärm in der Heidelberger Altstadt hatte im Sommer 2021 auch ein prominenter Bewohner Stellung bezogen: „Es gibt kein Recht auf öffentliches Grölen zu nachtschlafender Zeit“, sagte der Plakatkünstler und Ehrenpräsident der Akademie der Künste, Klaus Staeck, der dpa. Für Anwohner der Partymeile in der Innenstadt, die früh zur Arbeit gehen müssten, sei die Störung der Nachtruhe nicht zumutbar. Die Verursacher des Lärms müssten Rücksicht auf andere erst lernen – „was ihnen sehr schwer zu fallen scheint“. Der 83-jährige Plakatkünstler, Rechtsanwalt und langjährige Leiter der Akademie der Künste wohnt selbst seit vielen Jahren in einer der ruhigeren Altstadtgassen.
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