Heidelberg. Von ihrem Büro im Obergeschoss des Verwaltungsgebäudes im Stadtteil Kirchheim blickt Sylvia Hafner über einen riesigen, vorwiegend weißen Fuhrpark: Seit fast zwei Jahrzehnten rollt die Müllabfuhr in Heidelberg nicht mehr in Signal-Orange durch die Straßen, sondern in der hellsten aller Farben. Weiß, die Farbe der Reinheit. Sylvia Hafner leitet seit einem Jahr das Amt für Abfallwirtschaft und Stadtreinigung in ihrer Geburtsstadt. Sie ist Chefin von 50 Frauen - und 200 Männern.
Empfindet sie sich als Pionierin in einer eher männlichen Domäne? „Tatsächlich sind wir hier in der Metropolregion drei Chefinnen“, verweist Hafner auf Katja Deschner, Vorständin der AVR Kommunal und damit zuständig für die Müllentsorgung im Rhein-Neckar-Kreis sowie Alexandra Kriegel, Leiterin des Eigenbetriebs Stadtraumservice bei der Mannheimer Stadtverwaltung. „Das ist aber Zufall. Bundesweit sind Frauen bei der Abfallwirtschaft noch eher selten.“ In Heidelberg gibt es indes gleich eine feminine Doppelspitze: Jana Wissing leitet erfolgreich die Abteilung Müllabfuhr.
Bewerbungen fehlen
Warum nicht insgesamt mehr Frauen bei der Müllabfuhr arbeiten? „Uns fehlen schlicht die Bewerbungen“, betont Hafner. Und: „Es ist ein knallharter Job.“ Heidelberg bietet auf Wunsch einen Mülltonnen-Vollservice an. Das bedeutet, dass die Abfallbehälter von den städtischen Mitarbeitern dort herausgeholt werden, wo sie stehen - auch mal 25 Stufen entfernt von der Straße. „Das ist mit kleinen, 240-Liter-Behältern noch gut zu schaffen, aber einen 1100-Liter-Großbehälter bewege ich selbst auch nicht vom Fleck“, gibt die Amtsleiterin unumwunden zu.
Außerdem sei es auch nicht ganz ungefährlich, auf dem Wagen hinten mitzufahren: Der auf dem kleinen Trittbrett hinten stehende Mitarbeiter kann nicht nach vorne sehen. Die Sicht ist durch den Wagen verdeckt. Plötzliche Brems- oder Lenkmanöver muss er ausgleichen und sich gut festhalten. Auch das weiß Hafner durchs eigene Ausprobieren: „Ich habe bei meinen Männern ein Praktikum absolviert.“
Zur Person: Sylvia Hafner
- Sylvia Hafner (46) leitet das Amt für Abfallwirtschaft und Stadtreinigung seit August 2021.
- Sie trat die Nachfolge ihres bisherigen Chefs Rolf Friedel an.
- Hafner ist in Heidelberg geboren und startete ihre Karriere nach der Ausbildung zur Diplom-Verwaltungswirtin an der FH in Kehl 1997 im Amt für Soziale Angelegenheiten.
- 2001 wechselte sie in das heutige Bürger- und Ordnungsamt.
- 2010 übernahm sie die Leitung der Lebensmittelüberwachung.
Von den 250 Mitarbeitern ihres Amtes sind 200 männlich. Wobei die 50 Frauen vorwiegend in der Verwaltung arbeiten, so dass das Abfuhrgeschäft - geleitet von Kollegin Wissing - zu großer Mehrheit in männlicher Hand ist. „Sie machen alle einen super Job“, ist Hafner stolz auf „ihre“ Truppe - zumal die Abfuhr aktuell bei rund 30 Grad erfolgen muss. Im Müllauto am Steuer kann man sich Frauen noch leichter vorstellen. Aber: „Die Fahrer haben sich die Position durch mehrere Jahre als Müllwerker erarbeitet“, beschreibt Hafner.
Problem mit Pizzaschachteln
Und wie setzt man sich bei so vielen gestandenen Mannsbildern durch? „Als Chefin muss man authentisch sein, darf sich nicht verstellen“, beschreibt Hafner ihre Vorstellung von Führung. Sie sieht sich als Teil des Teams - auch wenn sie selbst am Ende im Zweifel die Verantwortung übernehmen und Entscheidungen fällen muss. Im Team mit ihrem Stellvertreter, dem Ingenieur Andreas Bieber, fühlt sich die Diplom-Verwaltungswirtin Hafner sehr wohl. Im Umgang mit ihrer „Multi-Kulti-Mannschaft“ ist das Du angesagt. „Das ist Geschmacksache, aber ich mag es so. Ob ein Mitarbeiter Respekt hat, hängt nicht am Du oder Sie“, betont die Amtsleiterin.
Gestählt haben sie vermutlich die vorherigen Stationen in der Stadtverwaltung im Sozial- und im Ordnungsamt. Ziehen nicht diese beiden, genauso wie die Abfallwirtschaft, besonders gerne „böse Bürgerbriefe“ an? Hafner bewertet Kritik anders: „Wir sind dankbar für Hinweise, wenn irgendwo etwas nicht ganz rund läuft, schließlich können wir nicht überall zur gleichen Zeit im Stadtgebiet nach der Sauberkeit schauen.“
Apropos: Die Stadt möchte das Aufstellen von Pizzakarton-Müllbehältern testen. „Sie sind schon bestellt.“ So soll verhindert werden, dass die benutzten Fastfood-Behälter auf die vielen Müllbehälter gelegt werden - und dann heruntergeweht werden. Um nämlich illegale Müllentsorgung zu verhindern, haben städtische Müllkörbe in Parks und an anderen Grünflächen bewusst einen engen, schmalen Einwurfschlitz - die Pizzaschachteln passen da aber auch nicht hinein.
Nachhaltigkeit im Blick
Eine Herausforderung sei es, neue Mitarbeiter zu gewinnen. „Wir suchen händeringend Kollegen für alle Bereiche.“ Klimawandel und Nachhaltigkeit sind weitere Bereiche, die es zu bearbeiten gilt. Die Abfallwirtschaft als Kreislauf zu denken etwa. Zu Hafners Aufgaben gehört außerdem die Modernisierung des Fuhrparks. Eine eigene, mit Photovoltaik ausgestattete Tankstelle gibt es dort schon. Auf den Dächern der Fahrzeug-Unterstände sieht Hafner noch viel Potenzial, die Sonne einzufangen und in Energie umzuwandeln. Das erste Wasserstoff-Brennstoffzellen-Müllfahrzeug wird bald getestet.
Beim Blick über den vorwiegend weißen Fuhrpark fällt ein grüner Farbklecks auf: Der kleinste Wagen hier im Hof ist ein froschgrüner Elektroflitzer. Trotz seiner Kompaktheit ist er nicht zu übersehen. Es ist der Privatwagen der Amtsleiterin. „So sieht man gleich, wenn ich auf den Hof rolle“, sagt Hafner lächelnd.
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