Heidelberg

Heidelberg erstmals Sitz eines Konsulats

In Anwesenheit von viel Prominenz aus Region und Landespolitik ist das Honoarkonsulat der Republik Estland in Heidelberg offiziell eröffnet worden. Geleitet wird es vom langjährigen Bundestagsabgeordneten Karl A. Lamers

Von 
Konstantin Groß
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Lokalkolorit trifft auf Weltpolitik: „Perkeo“ Thomas Barth (l.) begrüßt Eckart Würzner (v. r.), Karl A. Lamers, Thomas Strobl, Andres Sutt und Alar Streimann. © Philipp Rothe

Heidelberg. Seien wir ehrlich: In normalen Zeiten wäre das keine große Sache - die Verpflichtung des Honorarkonsuls von Estland. Eines Staates, dessen Lage viele Zeitgenossen auf der Landkarte nur ungenau lokalisieren könnten. Doch nach Russlands Überfall auf die Ukraine sind die Zeiten nicht mehr normal. Das Baltikum gilt als mögliches nächstes Ziel im Peter-der-Große-Wahn von Putin. Doch im Unterschied zur Ukraine ist Estland in der Nato, die Bundeswehr vor Ort. Deutschland ist hier nicht mehr nur Zuschauer.

Das ist denn auch der Grund, warum die neue Vertretung Estlands in Heidelberg eine solch hochkarätige Präsenz erfährt: Vize-Ministerpräsident Thomas Strobl, Regierungspräsidentin Sylvia Felder, Vertreter benachbarter Städte wie Mannheims Vize-OB Christian Specht, Repräsentanten des gesellschaftlichen Lebens der Region wie der Weinheimer Verleger Volker Diesbach.

Doch noch etwas macht den Akt besonders: die Person, die das Amt des Honorarkonsuls übernimmt. Karl A. Lamers, eine der prägendsten politischen Persönlichkeiten der Region. 27 Jahre Bundestagsabgeordneter, zwei Jahre Präsident des Nato-Parlaments. Man spürt: Es ist ein besonderer Tag für den 71-Jährigen, der den Festakt daher trotz schmerzhaften Bandscheibenvorfalls voller Freude bewältigt und „tief berührt und bewegt“ ist, wie er anfügt.

Noch dazu in jenem Saal, in dem er 1987 bis 1995 als Stadtrat sitzt und eine glanzvolle Karriere startet, die am 26. Oktober 2021 um 11 Uhr mit seinem freiwilligen Ausscheiden aus dem Bundestag endet. Um 14.30 Uhr wird er zum Honorarkonsul berufen, so dass sein Rentnerdasein gerade dreieinhalb Stunden dauert: „Wer mich kennt, weiß: Das reicht!“

Als Honorarkonsul ohne Honorar

Sein Konsulat ist das einzige in Heidelberg: „Darauf bin ich stolz“, bekennt Lamers. Und auch Oberbürgermeister Eckart Würzner sieht es als Markstein zur Pflege von Heidelbergs internationalen Beziehungen. „Ein Stück Estland in The Länd“, formuliert Thomas Strobl in Anspielung auf den Baden-Württemberg-Slogan. Und er stellt klar, was manchen bewegen mag: „Ein Honorarkonsul bekommt kein Honorar.“ Es ist ein Ehrenamt, basierend auf dem ursprünglichen Sinne des lateinischen Wortes honor, eben Ehre.

Dennoch ist es ein öffentliches Amt, für das Lamers daher vor dem Botschafter Estlands in Berlin, Alar Streimann, einen Eid leistet - nicht gesprochen mit zum Schwur erhobener Hand, sondern schriftlich.

Dabei erinnert Streimann an seinen Antrittsbesuch im Februar 2020: „Heute leben wir in einer anderen Welt.“ Die Botschaft in Berlin arbeite daher im Krisenmodus. Und da Estland nur über einen kleinen diplomatischen Dienst verfüge, seien Honorarkonsulate besonders wichtig.

Mit Deutschland verbindet Estland viel. Die Erfahrungen mit Russland dagegen sind traumatisch. Ganz still wird es im Saal, als der Botschafter einen russischen Marschall zitiert, der vor 300 Jahren aus dem Baltikum berichtet: „Hier gibt es nichts mehr zu zerstören.“ Der Satz erscheint so erschreckend aktuell.

„Wir haben keine Angst“

„Wir werden oft gefragt, ob wir Angst haben“, berichtet Andres Sutt, früher Minister in Estland und jetzt Sprecher der deutsch-estnischen Parlamentariergruppe. Doch er antwortet: „Wir haben keine!“ Auch dank der benachbarten neuen Nato-Partner Schweden und Finnland.

Doch Estland ist mehr als ein strategisch wichtiges Land an der Ostflanke der Nato. „Es ist ein Land, das für Fortschritt steht“, sagt OB Würzner. Und er erinnert daran, dass das Skypen in Estland erfunden wurde. 99 Prozent aller staatlichen Dienstleistungen können dort digital erledigt werden, ergänzt Thomas Strobl: „Sogar Wahlen.“ Und er lobt: „Kein Land hat den Wechsel von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft so gut gemeistert wie Estland.“

Doch es ist auch ein Land der Kultur. 1989 gibt es von Tallinn nach Vilnius eine 600 Kilometer lange Kette singender Menschen; man spricht daher von der „singenden Revolution“. So ist auch an diesem Abend Musik präsent, dank der estnischen Pianistin Auli Teppo. Zur Begrüßung dagegen gibt es Lokalkolorit: durch den Fanfarenzug „Perkeo“ von 1907.

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