Heidelberg. Eine Unistadt ohne Ausgehszene? Kaum denkbar. Und doch haben Clubsterben und Lockdown das Nachtleben zuletzt lahmgelegt. Gleichzeitig sorgen alkoholgetränkte „Spontanpartys“ etwa an der Alten Brücke für Probleme. Ein von der Stadtverwaltung erarbeitetes und kurzfristig vorgelegtes „Maßnahmenpaket Junges Heidelberg“ ist in der jüngsten Gemeinderatssitzung am Mittwoch nur formal, nicht inhaltlich diskutiert worden.
Was steht im „Maßnahmenpaket Junges Heidelberg“?
Eine Arbeitsgruppe mit Oberbürgermeister Eckart Würzner hat die Situation und Bedürfnisse junger Heidelberger analysiert. Besonders gewünscht würden Räume und Veranstaltungsmöglichkeiten. Sie sollen aufgelistet und ergänzt werden. Eine „Awarenesskampagne“, die laut Würzner rund 60 000 Euro kosten würde, soll für Verständnis gegenüber den Anwohnern der Altstadt sorgen und überflüssige Belästigungen verhindern.
Was ist das „Feierbad“ und wie wird es bewertet?
Im Sommer war das sogenannte „Feierbad“ ins Leben gerufen werden. Über vier Wochen lang in den Sommerferien konnten freitags und samstags jeweils 750 Jugendliche ausgelassen tanzen. Es gab vor Ort keinerlei Beanstandung in Form von Alkoholmissbrauch, Drogenkonsum und Körperverletzungen. Die Kosten wurden von Heidelberg Marketing getragen und beliefen sich auf rund 65 000 Euro. Das Konzept wurde von jungen Heidelbergern und den beiden Nachtbürgermeistern realisiert. Es gab Lob von allen Seiten, so dass nun eine „Feierbad-Winter-Edition“ angedacht wird.
Übertragung im Internet
Zum ersten Mal wurde am Mittwoch, 10. November, eine Gemeinderatssitzung live im Internet übertragen.
Die Zuschauerzahlen bewegten sich während der mehrstündigen Sitzung im Bereich zwischen 100 und maximal 136 Personen. Die Übertragung funktionierte reibungslos.
Auch die kommende Sitzung am Donnerstag, 9. Dezember, wird wieder live übertragen unter www.heidelberg.de/gemeinderatlive.
Vier Gemeinderäte haben nicht ihr Einverständnis gegeben. Sie werden während des Livestreams auch mit Ton ausgeblendet. Aus diesem Grund erfolgt die Online-Übertragung etwas zeitversetzt.
Was würde ein „Winter-Feierbad“ vermutlich kosten?
Ganz genau ist das offenbar noch nicht bekannt. Ein (Party-)Zelt oder eine Halle müssten her. Erste Schätzungen der Stadt für ein großes Zelt liegen bei 400 000 Euro. FDP-Rat Karl Breer schätzte eine solche Variante eher auf 220 000 Euro.
Warum wurde über die Maßnahmen nicht inhaltlich diskutiert?
Ein von der SPD initiierter Antrag, dem sich unter anderem Bündnis 90/Grüne und Linke anschlossen, verwies zur Vorberatung in die Gremien zurück. Den Antragstellern fehlte bei dem kurz vor der Sitzung eingereichten Vorschlag die Einbindung des Jugendgemeinderates, außerdem sei „kein konkretes Finanzierungskonzept“ vorgelegt worden.
War das die einhellige Meinung an dem Abend?
Nein. „Wir würden lieber über Inhalte als über Formalien reden“, forderte Matthias Kutsch (CDU), „damit in diesem Winter noch etwas passiert.“ Konkret forderte seine Fraktion, „dass das Feierbad-Konzept als Winteredition auf dem Gelände neben dem ehemaligen Schwimmbadclub fortgeführt wird, um auch an den Wochenenden in den Wintermonaten ein sicheres Feierangebot für junge Menschen ab 16 Jahren zu schaffen.“ Befremdlich findet Julian Sanwald (Grüne), dass im Rat gerade „ewig lang über die Möglichkeit des nächtlichen Feierns diskutiert wird“ – er arbeitet auf einer Covid 19-Station und sieht aktuell andere Probleme als wichtiger an.
Was schlagen Bündnis 90/Grüne zu dem Thema vor?
Ein Antrag fordert „konkrete Angebote für junge Menschen zu schaffen und die konkrete strukturelle Benachteiligung zu beseitigen“: unter anderem werden zusätzliche Spiel- und Sportstätten auf der Neckarwiese und in den Stadtteilen genannt, neue Pump-Tracks, Skate-Anlagen, Calisthenics-Parks, Basketballplätze, legale MTB-Trails sowie „schnell das Airfield temporär zur vielseitig nutzbaren Fläche“ zu machen.
Ist inzwischen vielleicht zu lange gewartet worden?
Würzner widersprach dem Eindruck, die Verwaltung habe die Wochen seit dem Sommer verstreichen lassen und die Heranwachsenden nicht einbezogen: „Es sind Fachleute aus zwei bis drei Dezernaten seit dem Sommer damit befasst, eine gute Lösung zu finden. Sie stehen immer im Kontakt zum Jugendgemeinderat und den Nachtbürgermeistern.“
Wie geht es nun mit dem Thema weiter?
Das „Maßnahmenpaket Junges Heidelberg“ soll am 23. November im Haupt- und Finanzausschuss öffentlich vorberaten, zwei Tage später im Jugendgemeinderat diskutiert und im Dezember dem Gemeinderat wieder vorgelegt werden.
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