Klassik

Gelungene Interpretationen von Brahms, Schubert und Marais in Heidelberg zu hören

Jean-Guihen Queyras und Alexandre Tharaud spielen beim Heidelberger Frühling barocke und romantische Kompositionen und zeigen, wie vielseitig Cello und Piano klingen können

Von 
Uwe Rauschelbach
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Aufeinander abgestimmt: Queyras (l.) und Tharaud. © Studio Visuell

Heidelberg. Ist es Anpassungsbereitschaft oder Wandlungsfähigkeit, die das Cello auszeichnen? Es kann eine Gambe ersetzen und eine Violine vergessen machen - und sie zugleich zart hervortreten lassen. Jedenfalls wenn ein Cellist wie Jean-Guihen Queyras am Werk ist. Gemeinsam mit Alexandre Tharaud am Flügel präsentierte Queyras ein Programm, in dem allenfalls die F-Dur-Sonate von Johannes Brahms ihre Originalität behauptete.

Zwar suggerieren Spiel- und Ausdrucksweise bei den Suiten und Stücken des französischen Barockkomponisten Marin Marais eine romantische Äusdrucksästhetik; rasch wird in der Aula der Neuen Universität in Heidelberg deutlich: Hier geht es nicht um Imitation und Kopie, sondern um die Anverwandlung mit anderen Mitteln. Und zugleich so, dass der Klang von Gambe und Cembalo gegenwärtig und durchhörbar ist.

Arabeskenhafte Fragilität in meisterhaftem Spiel

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Queyras und Tharaud verleihen dieser Musik eine tänzerische Leichtigkeit. Zugleich gelingt es beiden Interpreten dank der feinfühligen Herangehensweise, die arabeskenhafte Fragilität dieser Stücke zu wahren. Die hohe Ausdruckskunst verdankt sich einer Vielzahl an klanglichen Registern und einem breiten Spektrum an dynamischen Abstufungen, bis in kaum noch hörbare Pianissimo-Bereiche hinein. Zugleich spielen Queyras und Tharaud ohne expressionistische Attitüde und ohne effekthascherisches Kalkül.

Selbst Queyras’ Vibrato wirkt dabei nicht übergriffig. Die Sätze klingen wie auf der Spitze getanzt, einige wenige hingegen wie auf blank gewetztem Parkett, stets aber umflort von einer feinen Distinguiertheit. Dank des nuancenreichen Anschlags kann Alexandre Tharaud seinen Flügel klingen lassen wie eine Laute, während Jean-Guihen Queras die Cellosaiten beinahe resonanzlos streicht, als wären die Saiten auf einer Gambe gespannt.

D-Dur-Sonatine erklingt ohne Druck

Franz Schuberts für Violine komponierte D-Dur-Sonatine erklingt ebenso ohne den Druck der Exaltation und ohne bedeutungsschwangeres Beben. Sie ist von zarter Heiterkeit und an Mozarts spielerischer Eleganz orientiert - die sich freilich als trügerisch erweisen kann, wie der Umschlag im wehmütigen Mittelteil des zweiten Satzes dokumentiert. Auch der lebhafte dritte Satz bleibt in einer federnd leichten Diktion, ohne expressive Überzeichnung. Gerade das verleiht der für den Hausgebrauch gedachten Komposition eine besondere Note.

Der Romantiker Brahms wird von beiden Interpreten in seiner bitteren Schroffheit wie seiner Sehnsucht nach Harmonie porträtiert. Das Cello hat sich hier gegen einen komplexen Klavierpart durchzusetzen; doch Alexandre Tharaud ist ein sensibler und empathischer Duopartner, der dem Cellisten genügend Raum gibt, um die poetische Melodiösität etwa des zweiten Satzes zu betonen. Auch den wilden Verläufen im dritten Satz weichen die Interpreten nicht aus - sie packen vielmehr kräftig zu. Immer wieder entbietet diese Musik in ihrer herben Stimmung eine beinahe liebliche Sanftheit.

Die Zugaben - Bearbeitungen eines Satzes von Joseph Haydn und eines Ungarischen Tanzes von Brahms - sind nicht ohne rhetorischen Schliff und, im Falle Brahms’, mit reichlich magyarischem Aroma gewürzt.

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