Jahrestag

Friedrich-Ebert-Stiftung: Ernste Töne zum Geburtstag

Martin Schulz warnt in Heidelberg vor Gefahren für die Demokratie und kritisiert Friedrich Merz' Einfluss auf die CDU.

Von 
Uwe Rauschelbach
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Zum 100-jährigen Bestehen der Friedrich-Ebert-Stiftung mahnt deren Vorsitzender Martin Schulz in Heidelberg vor aktuellen Gefahren für die Demokratie. © Jegliche Verwendung ist honorarpflichtig und nur zu journalistischen/publizistischen Zwecken gestattet.

Das Wichtigste in Kürze

  • Bildung gilt als Schlüssel zu einem besseren Leben, betont die Friedrich-Ebert-Stiftung in Heidelberg.
  • Die Stiftung fördert weltweit junge Menschen und setzt auf politische Bildung für demokratische Resilienz.
  • Martin Schulz hebt die Bedeutung von Wahrheit im politischen Diskurs und seriösen Bildungsangeboten hervor.

Metropolregion. Martin Schulz schlägt beim Festakt zum 100. Geburtstag der Friedrich-Ebert-Stiftung am Samstag durchaus nicht nur feierliche Töne an: „Wir sind in schwierigen Zeiten“, sagt der Stiftungsvorsitzende und SPD-Politiker in der Heidelberger Gedenkstätte zu Ehren des ersten Reichspräsidenten mit einem Rückblick auf die Bundestagsdebatten der vergangenen Woche. Die CDU hatte die Stimmen der in Teilen rechtsextremen AfD für ihre Anträge in Kauf genommen. Immer mehr Menschen vertrauten den „großen Vereinfachern“, zu denen der Sozialdemokrat Vertreter des weit rechts ausgerichteten politischen Spektrums zählt.

Die Friedrich-Ebert-Stiftung

Die Friedrich-Ebert-Stiftung wurde am 2. März 1925 mit dem Ziel gegründet, jungen „Proletariern“ Beihilfen für einen Studiengang an staatlich anerkannten Institutionen zu geben.

Sie folgte damit dem testamentarischen Willen Friedrich Eberts, des ersten demokratisch gewählten Reichspräsidenten der Weimarer Republik. Ebert war es ein Anliegen, jungen Menschen durch Bildung einen Ausweg aus der Armut und dem sozialen Elend zu ermöglichen.

Bis Ende 1931 wurden nach eigenen Angaben 295 Studierende mit rund 52 000 Reichsmark gefördert.

Die Stiftung fördert weltweit junge Menschen auf ihrem Bildungsweg, bis heute sind es laut Stiftungschef Martin Schulz insgesamt rund 25 000 Stipendiaten.

Die Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte mit Sitz in Heidelberg ist eine von sieben bundesunmittelbaren Politikergedenkstiftungen. Zweck der Stiftung ist es, das Andenken an das Wirken des ersten deutschen Reichspräsidenten Friedrich Ebert zu wahren und einen Beitrag zum Verständnis der deutschen Geschichte seiner Zeit zu leisten.

1962 wurde in der 45 Quadratmeter großen Geburtswohnung Friedrich Eberts in der Heidelberger Pfaffengasse eine Erinnerungsstätte eingerichtet.

Unter diesen Bedingungen habe die Ebert-Stiftung eine „gewaltige Aufgabe“ vor sich. Während die Demokratie europaweit zusehends unter Druck gerate, komme es für Wählerinnen und Wähler vor allem darauf an, Wahrheit und Lüge im politischen Diskurs voneinander zu unterscheiden. Ein ausreichendes Maß an Medienkompetenz wie die Vermittlung historischen Hintergrundwissens zählt Schulz besonders zum Bildungsauftrag der Stiftung. So müsse verdeutlicht werden, dass Begriffe wie „Remigration“ im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Diskussion über die Migrationspolitik einem „faschistischen Prinzip“ entsprächen. Stattdessen müsse sich dieses Land in Anlehnung an die Worte des früheren Bundeskanzlers und SPD-Politikers Willy Brandt als ein „Volk der guten Nachbarn“ erweisen. Momentan aber hätten Ausgrenzung und Intoleranz Hochkonjunktur. „Es ist Kampfeszeit“, unterstreicht Schulz unter dem Applaus der Besucherinnen und Besucher: „Gegen diesen Geist muss unser Volk aufstehen.“

“Merz hat Argumente der Rechten salonfähig gemacht“

Im Interview mit dieser Redaktion spricht Martin Schulz von einem „Paradigmenwechsel“, den der CDU-Vorsitzende und Kanzlerkandidat Friedrich Merz im Bundestag bewirkt habe. Merz habe die Argumente der Rechten für den parlamentarischen Prozess salonfähig gemacht. Er habe die Politik des Prinzips durch die Politik der Opportunität ersetzt. „Das ist“, so Schulz, „gefährlich“. Ziel der AfD sei es, die CDU zu marginalisieren. Eine liberal-konservative Partei wie die CDU sei jedoch im Sinne einer demokratischen Ausgewogenheit „unverzichtbar“. Der Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP könne indes nicht unterstellt werden, keine weiterführenden Schritte in der Migrationspolitik unternommen zu haben. Friedrich Merz habe den nachvollziehbaren Zorn von Menschen nach dem tödlichen Messerattentat in Aschaffenburg für einen kurzfristigen politischen Effekt genutzt. Damit habe sich der Christdemokrat als Kanzlerkandidat selbst disqualifiziert: „Zum Staatsmann gehört die Fähigkeit, in aufgeheizten Situationen einen klaren Kopf zu behalten“, meint Schulz, „und den hat Merz nicht“.

Die Demokratie hätte nach Ansicht des SPD-Politikers ernsthaft Schaden genommen, wenn das Unionsgesetz zur Zustrombegrenzung am Freitag eine Mehrheit gefunden hätte. Die Enthaltungen und Gegenstimmen in CDU und FDP zeigten indes, „dass es immer noch eine verantwortungsbewusste, bürgerliche und moderate Rechte in Deutschland gibt.“ Unter ihnen seien namhafte Christdemokraten wie Helge Braun, Annette Widmann-Mauz oder Monika Grütters. Gerade konservative Regierungen in Europa, die unter dem Druck autoritärer Oppositionen stehen, seien von den Vorgängen im deutschen Parlament allerdings höchst irritiert gewesen, sagt der ehemalige SPD-Europapolitiker.

Sich nicht schnell Meinungen im Internet anschließen

Schulz hofft nun, dass die CDU spätestens nach der Wahl in die demokratische Mitte zurückkehrt. Und er appelliert an Bürgerinnen und Bürger, seriöse Bildungs- und Informationsangebote zu nutzen, anstatt sich den Meinungen, wie sie sich nach politischen Debatten in Windeseile in den digitalen Netzwerken verbreiteten, vorschnell anzuschließen. Wissenserwerb sei mit einem gewissen Zeitaufwand verbunden, räumt Schulz ein, und er macht dabei auch deutlich, wie schwer es für Politiker sei, unter dem Zeitdruck der Öffentlichkeit bereits im Frühstadium einer Debatte eine eindeutige Position einnehmen zu sollen.

Sowohl der Geschäftsführer der Heidelberger Ebert-Gedenkstätte, Bernd Braun, als auch der Leiter des baden-württembergischen Landesbüros der Stiftung, Florian Koch, setzen während der Festveranstaltung einen starken Akzent auf die politische Bildung. Diese sei eine wichtige Voraussetzung für die demokratische Mündigkeit des Einzelnen. Bildung sei, so Koch, nicht nur unerlässlich für den Aufbau einer „demokratischen Resilienz“, sondern auch der „Schlüssel zu einem besseren Leben“.

Eine Bildungsreform muss mit „digitaler Revolution“ Schritt halten

Die Heidelberger Bildungsforscherin Anne Sliwka fordert unterdessen eine weitreichende Bildungsreform, die mit der „digitalen Revolution“ der Gegenwart Schritt halte. Hierfür seien wirksame Bildungsstrategien wie erhebliche materielle Investitionen erforderlich. Sliwka betont nicht nur den Wert frühkindlicher Bildung, sondern wirbt auch für ein alternatives Arbeitszeitmodell an den Schulen. So stehe Deutschland mit seinem individuell ausgerichteten Deputatmodell international weitgehend alleine da; inzwischen habe sich allenthalben die Lehre in Teams durchgesetzt. An einer anschließenden Podiumsdiskussion über Bildung und Bildungsgerechtigkeit nimmt unter anderen der ehemalige Kultusminister und Partei- wie Fraktionsvorsitzende der SPD Baden-Württembergs, Andreas Stoch, teil. Zuvor haben die Teilnehmer an der Festveranstaltung dem Grab Friedrich Eberts auf dem Heidelberger Bergfriedhof einen Besuch abgestattet.

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