Serie „Orte der Demokratie“ (Teil 3)

Die Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte in Heidelberg

In der dritten Folge der Serie "Orte der Demokratie" stellen wir die Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte in Heidelberg vor. Sie erinnert an das erste demokratisch gewählte Staatsoberhaupt Deutschlands

Von 
Konstantin Groß
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Ein Vorkämpfer der Demokratie, in Heidelberg geboren und hier auch begraben: Friedrich Ebert, erster Reichspräsident von 1919 bis zu seinem Tode 1925. © Gedenkstätte

Amerika, Du hast es besser! Die Plantage, auf der George Washington, der erste Präsident der USA, 1732 geboren wird, ist heute ein „nationales Monument“, ja fast ein Heiligtum. In Frankreich ist dem ersten Präsidenten der V. Republik, Charles de Gaulle, ein gewaltiges Museum am Pariser Invalidendom gewidmet, neben dem Sarkophag von Napoleon.

Für Deutschland eine vergleichbare historische Funktion als erstes demokratisch gewähltes Staatsoberhaupt hat Friedrich Ebert. Und dennoch ist die Stätte seiner Erinnerung unvergleichlich bescheidener: Ein Haus in der Heidelberger Altstadt, in dem er 1871 das Licht der Welt erblickt und seine Jugend verbringt.

Das ist symptomatisch: Lange ist Ebert ein vergessener Held, so tragisch wie die Zeit, die er repräsentiert: die Weimarer Republik. Den meisten gilt die erste deutsche Demokratie, die dem abgewirtschafteten Kaiserreich folgt, lediglich als Vorstufe zur NS-Diktatur 1933, ihr Führungspersonal daher als Versager vor der Geschichte. Völlig zu Unrecht: Denn Weimar legt die Basis unserer heutigen Demokratie, ihre Vorkämpfer sind politische Vorbilder, von denen die deutsche Geschichte ja nicht allzu viele kennt.

Vor allem die Kurpfälzer können auf Ebert stolz sein. Neben Helmut Kohl, dem Kanzler der Einheit von der linken Rheinseite, ist er einer der wenigen Staatsmänner mit prägender Wirkung, den diese Region hervorbringt. Denn geboren wird er am 4. Februar 1871 in Heidelberg.

Aus kleinsten Verhältnissen an die Spitze des Staates

Der Vater ist Schneider, die Familie bewohnt die erste Etage des Hauses Pfaffengasse 18 in der Altstadt. Drei kleine Räume, zusammen 46 Quadratmeter. Drei der neun Kinder sterben bereits in jungen Jahren. Die überlebenden sechs schlafen gemeinsam in zwei Bettchen. Ein Bad gibt es nicht, Toilette nur im Hof.

Ebert lernt Sattler und geht auf die Walz. In Mannheim findet er den Weg zu Gewerkschaft und SPD, in Bremen wird er Parteifunktionär und startet seine eindrucksvolle Karriere. 1912 zieht er in den Reichstag ein, im Jahr darauf wird er als Nachfolger des legendären Parteivaters August Bebel SPD-Vorsitzender.

Ein schwieriges Amt. Die SPD gilt als Staatsfeind. Kaiser Wilhelm prägt das Wort von den „vaterlandslosen Gesellen“ – ein Wort, das Ebert verletzt. Zumal zwei seiner Söhne mit 19 und 20 für dieses Vaterland sterben – im Ersten Weltkrieg. An dessen Ende, als Kaiser und Adel, Militärs und Industriebarone das Land an den Abgrund geführt haben, kommt Eberts große Stunde: Am 9. November 1918 übernimmt er die Regierung. Ziel: eine Demokratie westlichen Musters. Und das erreicht er: 1919 bekommt Deutschland eine demokratische Verfassung und ein frei gewähltes Parlament, das ihn zum Reichspräsidenten beruft.

1990 besucht Altkanzler Willy Brandt (r.) das Ebert-Haus, hier mit Geschäftsführer Ulrich Graf und Heidelbergs Oberbürgermeisterin Beate Weber. © Gedenkstätte

Aber ruhige Zeiten sind es nicht: Inflation, Währungsreform, Umsturzversuche und Attentate, zumeist von Rechts. Ebert ist deren Haupt-Hassobjekt. 174 Prozesse muss er anstrengen, um Beleidigungen untersagen zu lassen – und wird von der rechten Justiz im Stich gelassen. 1924 urteilt ein Richter in Magdeburg: Die Feststellung, Ebert habe Landesverrat begangen, sei im juristischen Sinne zulässig – für ihn ein harter Schlag, auch gesundheitlich.

Aufgrund dieses Prozesses verschiebt er nämlich die Behandlung eines schweren Blinddarmleidens; 24 Tage nach seinem 54. Geburtstag, am 28. Februar 1925, stirbt er an einer Entzündung des Bauchfells. Am 5. März wird sein Leichnam in seine Geburtsstadt überführt und auf dem hiesigen Bergfriedhof beigesetzt.

Noch im Tode mag die Verachtung der Konservativen nicht enden. Der evangelische Pfarrer Maas, der auf Eberts Beerdigung spricht, erhält dafür von der Kirchenleitung eine Rüge; der katholische Erzbischof von München und Freising, Kardinal von Faulhaber, untersagt seinen Gemeinden Trauergeläut für Ebert.

Die Grünen verweigern Ebert 1986 im Bundestag die Würdigung

Mit der Wahl des greisen kaiserlichen Feldmarschalls Paul von Hindenburg zu Eberts Nachfolger wird ein Gegner der Republik deren Präsident, der denn auch 1933 Hitler den Weg ebnet. Die Nazis, für die Ebert einer der „Novemberverbrecher“ ist, erklären gar die Briefmarken mit seinem Antlitz für ungültig.

Eberts Witwe Louise, während der Amtszeit ihres Mannes erste bürgerliche „First Lady“ des Reiches, zieht nach dem Kriege von Berlin nach Heidelberg. In der Quinckestraße 62 lebt sie zurückgezogen, bis sie 1955 im 82. Lebensjahr stirbt.

An ihren Mann erinnern zunächst nur Brücken und Schulen. Erst 1962 wird auf Initiative der Stadt Heidelberg und der SPD die Wohnung in der Pfaffengasse 18 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Logistik ist noch provisorisch; eine Nachbarin verwahrt den Schlüssel. 1986 beschließt der Bundestag eine Bundesstiftung für die Gedenkstätte. Nur die Grünen votieren dagegen; ihr Abgeordneter Hans-Christian Ströbele versteigt sich gar zu der Argumentation, Ebert sei kein Vorbild, da er 1918/19 die Arbeiter- und Soldatenräte bekämpft habe.

Eberts Geburtshaus wird restauriert, die elterliche Wohnung nachgebaut, im Nachbargebäude eine Ausstellung installiert, ein weiteres zum Sitz der Stiftung. 1989 weiht Eberts später Nachfolger Richard von Weizsäcker das Ensemble ein.

Vor Corona kommen bis zu 70 000 Besucher jährlich, nach der Pandemie-Delle immerhin schon wieder 50 000 – mit steigender Tendenz. Nötig scheint diese Werbung für unsere Demokratie allemal: Herabsetzende Darstellungen, ja der Vorwurf des „Volksverräters“ – der Umgang von Rechts mit Repräsentanten des demokratischen deutschen Staates wie Ebert erscheint uns nicht fremd. Vielmehr bedrückend aktuell.

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