Artenschutz - Der Umgang mit Walldorfer Stubentigern sorgt auch im Stuttgarter Landesparlament für Misstrauensbekundungen

FDP-Politiker greift Ministerium wegen Katzen-Hausarrest in Walldorf an

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Stephan Alfter
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Ein Sommer im Körbchen: Nicht allen Katzen bekommt das Ausgangsverbot so gut wie diesem Kater. © Dieter Taubert/dpa

Walldorf. Sie wird bis zu 19 Zentimeter groß und hat einen auf ihrem Kopf ein Gefieder, das ein wenig an einen Irokesen-Schnitt erinnert. Böse Zungen würden wohl behaupten, dass es insofern kein Wunder ist, dass das immer seltener gesehene Vögelchen seit Wochen für etwas Chaos sorgt im Walldorfer Süden. Und nicht nur dort. Sowohl im Karlsruher Regierungspräsidium als auch im Stuttgarter Umweltministerium ist im Subtext eine bestimmte Genervtheit herauszuhören, wenn Journalisten Fragen zu Haubenlerchen und Katzen vortragen.

Eine gewisse Mitverantwortung daran könnte der FDP-Landtagsabgeordnete Christian Jung (Bretten) tragen, der Ende Mai eine Kleine Anfrage an die baden-württembergische Landesregierung sendete, in der er schrieb, dass das bundesweit einzigartige Ausgangsverbot für Katzen in Walldorf aus Sicht der FDP im Landtag viele Fragen offen lasse. Es gebe keinen ersichtlichen Grund für den Katzen-Hausarrest zum Schutz der vom Aussterben bedrohten Haubenlerche ausgerechnet in dieser Gemeinde, betonte er.

Die Maßnahme des Rhein-Neckar-Kreises ist in der Tat radikal: Katzen dürfen seit Mitte Mai und in den nächsten drei Jahren jeweils von April bis August nicht durch das Brutgebiet im Süden der Stadt streifen – es sei denn, sie werden an die kurze Leine genommen oder bewegen sich nachweisbar nicht in Bereichen, wo sie zur Gefahr für die seltenen Vögel werden können (wir berichteten). Dagegen gibt es nach Angaben einer Sprecherin des Karlsruher Regierungspräsidiums vom Montag inzwischen 41 Widersprüche, die noch bearbeitet werden.

Steinmarder, Füchse, Krähen?

Die Antworten der Landesregierung auf Jungs Anfrage liegen dieser Redaktion vor und lassen nach Meinung des FDP-Abgeordneten jegliches Problembewusstsein vermissen. Er sattelt sogar noch einen Vorwurf drauf: Er halte es für sehr unwahrscheinlich, dass beispielsweise der in Schwetzingen lebende Staatssekretär André Baumann (Bündnis 90/Die Grünen) nicht eingebunden gewesen sei in die Allgemeinverfügung des Landratsamts vom 14. Mai. Baumann schweige zum Katzen-Hausarrest in der Öffentlichkeit. Das sei merkwürdig. Jung sieht bei ihm eine Mitverantwortung, die er aber nicht fundiert begründet.

Mit Blick auf das Ministerium sagt Jung weiter, dass der Landesregierung und ihren Behörden gar keine Statistiken über in den einzelnen Kommunen lebenden Hauskatzen vorlägen. Es liege lediglich eine Schätzung aus dem Jahr 2009 vor, nach der sich in Baden-Württemberg damals rund 900 000 Katzen aufhielten. Der FDP-Abgeordnete macht zudem darauf aufmerksam, dass auch Steinmarder, Füchse sowie Krähen, Elstern und Störche zu den Feinden der Haubenlerche gehörten. Insofern sei die Allgemeinverfügung unverhältnismäßig.

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In Stuttgart weist man die Verdächtigungen und Vermutungen Jungs zurück: „Das Umweltministerium war im Vorfeld und bei der Erstellung der Allgemeinverfügung nicht beteiligt und hat somit auch keinen Einfluss auf die Erstellung ausgeübt“, heißt es in der Antwort auf die Kleine Anfrage. Gleiches gelte für das für den Tierschutz zuständige Ministerium für Ernährung und Verbraucherschutz.

Vier Besuche von Hunden am Nest

Faktisch verteidigt die Antwort des Umweltministeriums das Vorgehen des Kreises in Sachen Hausarrest für Katzen. Man beruft sich dabei auf den Einsatz von Kastenfallen im Walldorfer Brutgebiet der Haubenlerche. Dabei seien auch Wildkameras gewesen. Hierbei seien zwischen 1. Dezember 2021 und 15. Februar 2022 exakt 28 Besuche von Katzen, sechs von Steinmardern, vier von Hunden und drei von Füchsen festgestellt worden. Ein Gerät zur Abschreckung von Katzen, das mit Ultraschall arbeitet, sei im Jahr 2021 im Umfeld des Neststandortes getestet worden. Aus technischen Gründen habe es jedoch nicht die erwünschte Wirkung erzielt.

Nach Angaben des Ministeriums zeigt ein Brut-Monitoring aus dem vergangenen Jahr, dass in Walldorf jedes zweite Jungtier nicht überlebt. Landesweit habe die Anzahl der Brut-Reviere unter Mitarbeit von Artenschutzexpertinnen aber von 40 auf 63 erhöht werden können. „Müsste es an diesen Orten nicht weitere Allgemeinverfügungen geben“, fragt Jung. Der Liberale folgert aus den Beobachtungen des Brutmonitorings überdies, dass in Walldorf zukünftig auch Steinmarder oder Füchse ein temporäres Aufenthaltsverbot bekommen müssten. Die weiter bestehende akute Zusatzgefahr für Haubenlerchen durch Vögel wie Krähen, Elstern oder Störche werde nur bedingt analysiert.

Besserung für Katzen naht ab dem Jahr 2023. Dann können sich Halter auf Antrag im Einzelfall von den Anordnungen der Allgemeinverfügung befreien lassen, wenn diese mittels im Zeitraum September bis März aufgezeichnetem GPS-Tracking nachweisen können, dass ihre Katze sich nicht im Gefahrenbereich aufhält.

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

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