Sie spielt in Thomas Manns "Zauberberg" eine große Rolle, Amadeo Modigliano hat ihr ein Ölporträt gewidmet und auch die "Kameliendame" von Alexandre Dumas verdankt ihr ihre - traurige - Berühmtheit: Die Rede ist von der Tuberkulose. Um das Jahr 1909 war jeder dritte Mensch infiziert. Und auch wenn die Krankheit in den westlichen Zivilisationsgesellschaften heute seltener anzutreffen ist: Weltweit starben im Jahr 2009 rund 1,7 Millionen Menschen daran. Die Heidelberger Thoraxklinik weiht am Donnerstag ein Tuberkulose-Museum ein. Untergebracht ist es im Rohrbacher Schlösschen, das zum Klinikgelände gehört.
Alte Fotos und medizinische Apparaturen sowie Vitrinen mit Untersuchungsmaterial dokumentieren Medizingeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Seit einem Jahr laufen die Vorbereitungen für das Museum. Schulklassen und interessierte Bürger, aber auch Ärzte, die zur Fortbildung in Heidelberg sind - für sie alle könnte das Museum interessant sein, hoffen die Initiatoren um Professor Dr. Felix Herth, der die Abteilung Pneumologie und Beatmungsmedizin an der Thoraxklinik leitet. Zwei ehemalige Chefärzte - Professor Werner Ebert und Professor Volker Schulz - werden die Gäste ebenfalls durch die Ausstellung führen und halten neben medizinischen Details Infos zur damaligen Zeit bereit. Reihenröntgenuntersuchungen beispielsweise gehörten für viele Menschen dazu, die Röntgengeräte kamen sogar im Laster zu den Patienten auf dem Land.
Die Geschichte des Museums begann vor drei Jahren: 2008 habe Dr. Robert Kropp, der an einer Lungenfachklinik in Kassel arbeitete, sein über viele Jahre hinweg angesammeltes Archiv zur TBC der Heidelberger Klinik angeboten. "Es handelt sich um etwa 50 000 Exponate, wenn man die vielen Bücher einzeln zählt", erklärt Herth.
Markgräfin Amalie erkrankt
Nachdem die Klinik das Kropp-Archiv übernommen hatte, ging es an die Einrichtung. Das einstige Jagdschlösschen in Rohrbach wurde 1772 von Erbprinz Carl August von Pfalz-Zweibrücken gebaut. Ein wichtiger Teil seiner Geschichte ist ebenfalls mit dem Thema Tuberkulose verknüpft: Markgräfin Amalie, die 1805 das erste Mal hier Gast war - und als "Schwiegermutter Europas" in die Geschichtsbücher einging, weil sie ihre sechs Töchter allesamt mit einflussreichen Herrschern vermählte - litt im fortgeschrittenen Alter unter der auch als "Schwindsucht" bekannten Seuche. Die Thoraxklinik hat heute noch die Adresse Amalienstraße 5. 1898 kaufte der "Verein für Genesungsfürsorge" das Schlösschen. Im Ersten Weltkrieg diente es als Reservelazarett, danach als Tuberkulosekrankenhaus.
Zuletzt war die Klinikverwaltung in dem frühklassizistischen Bau untergebracht. Einer aufwendigen Sanierung ist zu verdanken, dass die Räume heute wieder weitgehend so aussehen wie im beginnenden 20. Jahrhundert. "Wir befinden uns hier in einem Krankenzimmer, in dem früher bestimmt 16 Betten untergebracht waren", erklärt Herth. Nun steht eine Holzliege vor einer Wand, die mit einem großformatigen Foto aus den 1920er Jahren beklebt ist: Dicht nebeneinander sind solche Liegen auf einer Holzterrasse zu sehen, darauf liegen in Decken eingepackt TB-Kranke beim Sonnenbad - man wähnt sich bei Thomas Mann. "Liegekur, das war lange Zeit die einzige Behandlung, die man hatte", erklärt Herth. Die ausgezehrten Patienten seien nach Möglichkeit aufgepäppelt worden. "Manche haben es geschafft, wurden geheilt." Als eher hilflos gelten aus der Perspektive der modernen Medizin hingegen Versuche, der "weißen Pest" durch brachial anmutende Operationen oder mit verschiedenen Apparaturen zu Leibe zu rücken: Aus dicken Kolben ließen die Ärzte Luft oder Flüssigkeit in die durch die Haut punktierte Lunge fließen. Der Druck sollte die TB-Höhlen in dem Organ "zusammenpressen" - "manchmal hat es funktioniert, manchmal nicht", beschreibt Herth die für den Patienten äußerst unangenehme Prozedur.
Das Museum soll nicht nur Medizingeschichte anschaulich machen und die Klinik für die Öffentlichkeit öffnen. Aus den Balkanländern, Indien und Afrika kommen regelmäßig Tuberkulosefälle zu uns. Und immer häufiger sind Erreger dabei, die gegen Antibiotika resistent sind. "Die Ausstellung soll die Erinnerung an die Krankheit wach halten - auch, damit neue Fälle möglichst rasch erkannt werden", sagt Herth. "Think TB - denke auch an die Möglichkeit einer TB" ist ein Slogan der Weltgesundheitsorganisation.
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