Ehrenamt

Barber Angels frisieren Menschen mit wenig Geld in Ludwigshafen

Von 
Valerie Gerards
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„Barber Angel“ Jenny frisiert Elmas Fidan Hayirici: Im Gemeindesaal der Apostelkirche schneidet sie Menschen mit schmalem Geldbeutel die Haare. © Christoph Blüthner

Ludwigshafen. Es ist schwer, diesen Anblick zu beschreiben, ohne kitschig zu klingen: Aber da steht, am diagonal entgegengesetzten Ende des Gemeindesaals der Apostelkirche, eine strahlend lächelnde Frau, nebelt sich mit Haarspray ein und wirft dabei ihre blonden Engelslocken durch die Luft. „Barber Angels Brotherhood, Apostel“ steht auf ihrer schwarzen Weste. Frisörmeisterin Susi Gündel ist seit zwei Jahren Mitglied im Club der Frisöre, die in regelmäßigen Abständen Obdachlosen und anderen Bedürftigen die Haare und Bärte schneiden.

Ehrenamtliches Engagement

  • Die Gemeinschaft von Friseurinnen und Friseuren „Barber Angels Brotherhood“ arbeitet ehrenamtlich, um bedürftigen oder wohnungslosen Gästen etwas Würde und Lebensqualität durch schöne Haar- und Bartschnitte zurückgeben.
  • Berührungsängste kommen kaum auf, da die Barber Angels ihre Aktionen in Lederkluft durchführen. Dieses Outfit nimmt den Menschen Hemmungen, die durch eine normale Salonkleidung aufkommen könnte.
  • Die Einsätze finden in Zusammenarbeit mit sozialen Einrichtungen wie Caritas, Diakonie, Heilsarmee und Bahnhofsmissionen statt.
  • Die Barber Angels wurden 2019 mit dem Grand Prix "Humanitaire de France" geehrt.

Fünf Frisierplätze sind mit großem Abstand zueinander im Gemeindesaal eingerichtet, an dreien wird gerade geschnitten, gepflegt und verschönert. Als der nächste Kunde den Raum betritt, winkt Susi ihn herbei, lächelt ihr herzliches Lächeln quer durch den Raum und setzt ihre FFP2-Maske auf. „Hi, wer bist Du denn? Ich bin die Susi!“ Ihr Kunde gibt zu bedenken, dass er fünf verschiedene Spitznamen habe – „dann nenn mir Deinen Lieblings-Kosenamen“ – und nimmt Platz.

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Die Haare nass machen geht aufgrund der Coronabestimmungen nicht, das sei im Sommer viel leichter gewesen mit dem Pavillon draußen. Aber sie hat eine sogenannte Waschhaube: Eine mit Haarpflege und Feuchtigkeit ausgekleidete, weiche Kunststoffhaube, die sie dem Mann aufsetzt und dann beginnt, seinen Kopf zu massieren. Die Haube tut ihren Zweck, die Haare sind bestens aufs Schneiden vorbereitet, und die Massage scheint er auch zu genießen.

Waschhaube im Einsatz

Pfarrerin Kerstin Bartels und Vera Klaunzer vom Gemeindepädagogischen Dienst haben die „Barber Angels“ zum zweiten Advent hergeholt. Sie fanden den Zeitpunkt kurz vor Weihnachten gut, um zum Fest schön und gepflegt zu sein. „Wir haben zaghaft angefragt und waren erstaunt, dass fünf Frisöre jetzt im Advent ihre Zeit spenden. Das ist schon sehr besonders“, sagt Vera Klaunzer. Etwa ein Dutzend Menschen kommen pro Stunde zum Haareschneiden in den Gemeindesaal. „Hauptsächlich sind es Gäste der Suppenküche, die seit 25 Jahren fünf Mal pro Woche hier stattfindet. Aber diese Aktion spricht sich herum, und es kommen auch Kunden, die wir nicht kennen,“ ergänzt Kerstin Bartels.

Sehr gern hätten die beiden auch etwas gekocht, aber wegen der Coronabestimmungen gebe es nur Kaffee. An Heiligabend sei hingegen eine feierliche Ausgabe mit Essen, einem Drehorgelspieler und einem Feuer geplant. Normalerweise kämen dann rund hundert Gäste. Darum werde alles draußen stattfinden. Geschenke gebe es natürlich auch, sagt die Pfarrerin. „Wir würden gern selbst gebackene Plätzchen mit hineintun. Unsere Gäste freuen sich bestimmt sehr, wenn jemand für sie backen würde.“ Plätzchenspenden im Gemeindebüro seien daher willkommen. Susi und ihr Kunde sind längst beim üblichen Smalltalk, es geht um die aktuellen Cornabeschränkungen mit 2Gplus, aber auch um Arbeit, über Fotorechte und deren Einhaltung. Einmal, so erzählt der Mann, wurde er in der Bahnhofsmission gefilmt, und das Material wurde veröffentlicht, ohne seine Einverständnis. Man kann derweil erahnen, wie gut die Frisur wird. Susi Gündel erfüllt gern die Wünsche ihres Kunden, die Haare drei bis vier Zentimeter lang, die Ohren frei. Aber mit der Hand geschnitten, nicht mit der Maschine.

Warum die Frisörmeisterin ehrenamtlich dabei ist, kann sie leicht beantworten. Susi Gündel will etwas Gutes tun und Menschen Würde geben, die es sich nicht leisten können, zum Frisör zu gehen. „Es gibt nichts Schöneres als Geben. Die Menschen, die hierher kommen, sind so dankbar, da brauche ich gar keinen Lohn. Das ist viel schöner, als sonntags auf der Couch zu liegen. Am liebsten würde ich das jeden Sonntag machen.“

Ihre Kollegin Babs Kennel empfindet genauso. Sie weiß, dass viele Schwierigkeiten haben, einen Haarschnitt zu bezahlen. Das beträfe nicht nur Obdachlose, sondern auch ältere Menschen, die kaum von ihrer Rente leben können. „Wenn ich im Salon diesen Eindruck habe, dann sage ich hinterher immer eine niedrigere Summe. Das mache ich das ganze Jahr über so und nicht nur an Weihnachten.“

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