Ilvesheim

Orgel in Ilvesheimer Kirche wird 50 Jahre alt

"Ein Klang, mit dem das Leben erwacht" - so beschreibt die Pfarrerin Anna Paola Bier die Orgel in der evangelischen Kirche in Ilvesheim. Den Geburtstag feiert die Gemeinde mit einer besonderen Konzertreihe

Von 
Torsten Gertkemper-Besse
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Für Pfarrerin Anna Paola Bier ist ein Gottesdienst ohne Orgel „schlichtweg unmöglich“. © Michael Ruffler

Die Antwort lässt an Klarheit nichts zu wünschen übrig. „Ohne Orgel kann man keinen Gottesdienst feiern“, sagt die Ilvesheimer Pfarrerin Anna Paola Bier – und antwortet damit auf die Frage, was ihr das Instrument bedeutet. „Mit der Musik wird die Kirche zu einem neuen Raum“, sagt sie. Um zu verdeutlichen, was sie meint, nimmt sie beide Hände zur Hilfe – fast wie beim Segen. In der Osternacht spüre sie dieses Gefühl besonders stark: „Wenn dieser kraftvolle Klang die Stille beendet, dann weiß man: Das Leben erwacht.“

In diesem Jahr wird die Orgel in der evangelischen Kirche in Ilvesheim 50 Jahre alt. Aus diesem Anlass finden an vier Terminen Konzerte statt, jeweils in Form einer gut 45-minütigen Matinee. Dieter Kegelmann hat sich bewusst für dieses Format entschieden. Der Organist, Kantor und Kirchenmusiker, der die Ilvesheimer Orgel seit ihren ersten Tagen kennt, möchte so auch Menschen in die Kirche locken, die sonst vielleicht nicht kämen.

Es war einmal im Advent 1972

„Ein Konzert in seiner üblichen Länge hört sich vielleicht nicht jeder an. Die Matinee hat genau den richtigen zeitlichen Umfang“, sagt Kegelmann. Die erste Matinee fand bereits statt. Die anderen folgen am 9., 16. und 30. Oktober, immer mit Musikern, die einen Bezug zu Ilvesheim und der Orgel haben. Am letzten Termin spielt Kegelmann selbst – und schlägt dabei den Bogen zu den Anfangstagen der Weigle-Orgel. „Am dritten Advent 1972 haben wir sie eingeweiht “, erinnert er sich. Er wirkte selbst an dem Gottesdienst mit, hat sogar noch einige Exemplare des Programmheftes aufbewahrt. Bei der Matinee am 30. Oktober wird Kegelmann auch ein Stück spielen, das bereits anlässlich der Einweihung vor 50 Jahren zu hören war.

Und was bedeutet das Instrument für ihn? „Unheimlich viel“, sagt Kegelmann. „Mir geht es mit der Orgel so wie manch anderen mit dem Sport. Wenn ich mich mal nicht gut fühle, spiele ich und danach geht es mir wieder besser.“ Und dabei hilft sein Spielen nicht nur ihm selbst. „Hin und wieder setze ich mich einfach auf eine Kirchenbank und höre Dieter Kegelmann zu, wie er übt“, sagt Pfarrerin Bier.

Er sei dem Instrument sehr dankbar für seine Zuverlässigkeit, sagt Kegelmann. Vor drei Jahren mussten aus Sicherheitsgründen einige Änderungen an der Elektronik vorgenommen werden. In diesem Zuge habe man die Orgel modernisiert und sie so noch variabler gemacht, erklärt Kegelmann: „Bei den Voreinstellungen habe ich nun viel mehr Möglichkeiten und kann während des Spiels deutlich leichter wechseln – zum Beispiel von einem Fortissimo in ein Piano.“ Er weiß die vielen Möglichkeiten des modernen Instruments zu schätzen, hat er doch selbst noch das Vorgängermodell gespielt. Dieses hatte kein Pedalregister, wodurch dem Klang das Bassfundament fehlte. Außerdem war die alte Orgel für die große Ilvesheimer Kirche einfach zu klein dimensioniert. Sie hatte noch im alten Gotteshaus gestanden, das heute die Gemeindebibliothek beherbergt.

Kegelmann, Jahrgang 1937, erinnert sich noch gut an den Kauf des neuen Instruments: „Die Gemeinde hatte sich die Orgel erspart, und das war nicht wenig. 120 000 D-Mark müssten das gewesen sein.“ Es seien auch verschiedene Modelle mit unterschiedlichen Bauweisen diskutiert worden. Kegelmann ist froh, dass es diese Weigle-Orgel geworden ist: „Die anderen Instrumente konnten, was den Klang angeht, einfach nicht mithalten.“ Und wenn er nach den Proben, wo Raum und Instrumente nicht dieselbe Akustik böten, die ersten Töne der Kirchenorgel höre, sei dies immer etwas besonderes: „Es ist der Klang, der einem schmeichelt.“

Große Wirkung in der Gemeinde

Und das Instrument wirkt über den Kirchenraum hinaus. „Die Kinder der Schloss-Schule kommen gerne zu dieser Orgel“, berichtet Pfarrerin Bier. Die Schloss-Schule ist eine Bildungseinrichtung für sehbehinderte und blinde Kinder. Bier erzählt von einem Schüler, der sich das Klavierspielen selbst beigebracht habe und dessen großer Traum es sei, einmal an einer Orgel zu sitzen.

„Mit den einzelnen Matineen wollen wir der Orgel die Stimme geben und sie in den Mittelpunkt rücken“, sagt Bier. Sie tritt entschieden dem Eindruck entgegen, dass die Orgel „im Alltag“ nicht so intensiv wahrgenommen werde. „Die Besucher merken, was gespielt wird und geben auch Rückmeldung.“ Eine Aussage, die Musiker Kegelmann bestätigen kann. „Jeder Gottesdienst ist deshalb eine neue Herausforderung“, sagt er und fügt hinzu: „allerdings auch eine wunderschöne Aufgabe, der ich schon viele Jahre nachgehen darf.“

Die Matineen

Die drei verbleibenden Matineen finden an drei Sonntagen im Oktober, jeweils um 11 Uhr, in der evangelischen Kirche in Ilvesheim statt.

9. Oktober: Werke von Dietrich Buxtehude, Johann S. Bach, Sigfrid Karg-Elert, an der Orgel: Matthias Berges

16. Oktober: Werke von Nikolaus Bruhns, Johann S. Bach, Louis Vierne (u.a.), an der Orgel: Alexander Albrecht

30. Oktober: Johann S. Bach, Günter Koban, César Franck (u.a.), an der Orgel: Dieter Kegelmann.

Redaktion Redaktion Neckar-Bergstraße, zuständig für Ilvesheim und Friedrichsfeld

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