Heidelberg. Die ersten Gräber auf dem Heidelberger Bergfriedhof waren ausgerechnet für zwei Kinder bestimmt. Der eine Junge war am Tag seiner Geburt gestorben, der andere mit 13 Jahren bei einem Sturz. Sie wurden kurz vor beziehungsweise nach der Einweihung des Friedhofs beigesetzt. Diese liegt am 18. September 175 Jahre zurück.
Zu den Menschen, die inzwischen hier beerdigt wurden, gehören viele Prominente wie Reichspräsident Friedrich Ebert, der Chemie-Nobelpreisträger Carl Bosch und die Schriftstellerin Hilde Domin. Es sind aber nicht nur fast 200 bekannte Namen, die den Friedhof zu etwas Besonderem machen. Laut Friedhofsverwaltung gehört der in einem ehemaligen Weinberg angelegte Gottesacker „zu den schönsten Begräbnisstätten in Deutschland“. In einem Buch von 1929 über die Friedhöfe der Stadt wird er sogar „zu den schönsten der Welt“ gezählt, wie der Verein Via Monumentum – Denkmalpflege Heidelberger Friedhöfe berichtet. Das hat auch mit den verschlungenen Wegen zu tun, die sich – über einen Höhenunterschied von mehr als 100 Metern hinweg – an den auf Terrassen angelegten Gräbern vorbei den Hang hinaufziehen.
Immer mehr Besucher
Große Bäume und vielerlei Büsche und Hecken spenden an heißen Tagen viel Schatten, bieten Trauernden und Menschen auf der Suche nach Ruhe Schutz vor Blicken und dämpfen den Lärm der vorbeiführenden Straße. Immer mehr Besucher ziehe es in die „schöne, grüne Oase“, sagt die erste Via-Monumentum-Vorsitzende Petra Schuck, die das gartenbauliche Konzept lobt. „So ein Naturfriedhof: wo gibt es den noch?“ Für die Schaffung des ersten Heidelberger Friedhofs unter kommunaler Führung zeichnete der Garteninspektor Johann Metzger (1789-1852) verantwortlich. Nach städtischen Angaben war es sein Prinzip, „gegebene Geländestrukturen des Friedhofs zu erhalten und durch entsprechend gewählte Vegetation ein „natürliches Landschaftsbild“ zu vermitteln“. Auf der Via-Monumentum-Homepage kommt Metzger selbst zu Wort: „Die älteren gewöhnlichen Kirchhöfe (...) sind schauerregend (!) und stellen den Tod in gräßlicherer Gestalt vor als er wirklich ist“, wird er in einem Aufsatz zitiert. Sein Gegenentwurf: den Friedhof „durch künstliche Pflanzungen und Weganlagen mehr in trauliche Spazierwege umzuwandeln“, einen „traulichen Hain“ zu schaffen.
17 405 Ruhestätten
Die „Ruhestätte im Landschaftsgarten“ wird aus Platzgründen bis in den Wald hinauf erweitert und erreicht 1952 ihre heutige Ausdehnung, das Fünffache der ursprünglichen Größe. Sie umschließt auch den 1876 eröffneten Jüdischen Friedhof. 17 405 Grabstellen gibt es nach Schucks Angaben heute auf dem Bergfriedhof, auf dem 1891 das zweite Krematorium in Deutschland in Betrieb ging. Zu den besonderen Gräbern zählt Schuck das von Reichspräsident Ebert (1871-1925) – auf einem Plateau, das als Ruheplatz für Besucher gedacht war. Da das erste demokratisch legitimierte Staatsoberhaupt Deutschlands aus Heidelberg stammte und hier habe beerdigt werden wollen, „hat er diesen Platz bekommen.“ Eberts Grab zähle zu den „Wallfahrtsorten“, ebenso wie die Gräber der Autorin Domin (1909-2006) und des Dirigenten und Komponisten Wilhelm Furtwängler (1886-1954), sagt der ehemalige Leiter der Friedhofsverwaltung, Norbert Hornig. Besonders monumental finden Schuck und er ein Mausoleum, das der in den USA reich gewordene Bierbrauer Philipp Bartholomae für seine 1898 verstorbene Frau errichten ließ.
Ein Friedhof sei ein Bestattungsplatz, aber in erster Linie für die Lebenden da, sagt der 64-jährige Hornig. Aber etwas hat sich geändert: Drohte dem Friedhof früher wegen Vollbelegung schon die Schließung, so gibt es heute Lücken. Als Grund nennt Hornig Änderungen in der Bestattungskultur, etwa den Trend zur Beisetzung in Urnen, die weniger Platz benötigen. Man habe aber viele Grabstätten erhalten, die von den Angehörigen „zurückgegeben“ worden seien, und – da sie nicht unter Denkmalschutz standen – hätten „abgeräumt“ werden müssen. Wer möchte, kann auch eine „Patenschaft“ für eine historische Grabstätte übernehmen, wenn er für Pflege und Verkehrssicherheit sorgt.
Die Fläche
- Von den 17 Heidelberger Friedhöfen ist der Bergfriedhof der größte. Das 14,4 Hektar große Areal, das über sechs Eingänge verfügt, entspricht theoretisch der Fläche von etwa 20 Fußballfeldern. Das starke Bevölkerungswachstum war der Grund dafür, das sich die ursprüngliche Fläche bis 1952 verfünffachte.
- Mehr als 23 Kilometer lang ist das Netz der Wege. Wem der Weg zu den Gräbern der Angehörigen zu eschwerlich ist, der kann sich vom „Friedhofsmobil“ hinfahren und abholen lassen, nach Terminvereinbarung und kostenlos.
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