Ehrenamt

Diskussionsrunde in Heidelberg: Was das Amt des Schöffen ausmacht

Im Heidelberger Karlstorkino diskutierten Strafverteidiger Maximilian Seyderhelm, Schöffe Kai Gräf, Moderatorin Chiara Henrich, Schöffin Sabrina Zinke und Richter Michael Waldmann über das Amt des Schöffen und gaben Tipps

Von 
Filip Bubenheimer
Lesedauer: 
Im Karlstorkino diskutierten (v.l.) Maximilian Seyderhelm, Kai Gräf, Chiara Henrich, Sabrina Zinke und Michael Waldmann. © Philipp Rothe

Das Schöffenamt ist beliebt in Heidelberg: 423 Bewerber meldeten sich letztes Jahr bei der Stadt, um in der Amtsperiode 2024 bis 2028 als Laienrichter in Strafverfahren mitzuwirken - mehr Bewerber, als benötigt wurden. Auch der volle Saal im Karlstorkino am Sonntagvormittag spiegelte dieses Interesse wider. Rund 120 Besucher verfolgten dort eine „Informationsmatinee“, zu der die Deutsche Vereinigung der Schöffinnen und Schöffen (DVS) eingeladen hatte. Zuerst diskutierten Schöffen und Juristen über das Laienrichtertum und seine Fallstricke, anschließend warf der Spielfilm „Die zwölf Geschworenen“ ein Schlaglicht auf die Strafjustiz in den USA.

Wie wird man Schöffe?

  • Deutsche Staatsbürger zwischen 25 und 69 Jahren können sich bei ihrer Gemeinde bewerben. Schöffen werden für eine Amtszeit von fünf Jahren gewählt, das nächste Mal 2028 für die Periode 2029 bis 2033.
  • Die Gemeinden erstellen Vorschlagslisten, aus der ein Gremium bei den Amtsgerichten die Schöffen wählt.
  • Es wird darauf geachtet, dass verschiedene Geschlechter, Alters- und Bevölkerungsgruppen vertreten sind.

Schöffen sollen dafür sorgen, dass sich die Strafjustiz für Lebenserfahrung und Werthaltungen der Bevölkerung öffnet - sie seien „Bindeglied zwischen Justiz und Volk“, sagte Claudia Kitzig, baden-württembergische Landesvorsitzende der DVS. Wer auf der Richterbank Platz nimmt, muss von den eigenen Überzeugungen aber auch ein Stück weit Abstand nehmen: „Als Schöffe muss man sich wie jeder Richter von der eigenen Weltanschauung lösen“, sagte Michael Waldmann, Vorsitzender Richter am Landgericht Heidelberg.

Er erinnerte sich an einen Fernfahrer, der „ein super Schöffe“ war, sich aber schwer damit tat, Straftätern den Führerschein zu entziehen: Die existenzbedrohenden Folgen konnte sich der Schöffe nur zu gut vorstellen. Da das Strafgesetzbuch den Führerscheinentzug in manchen Fällen vorschreibt, habe er sich „zähneknirschend“ dazu durchringen müssen.

Newsletter "Guten Morgen Mannheim!" - kostenlos registrieren

Das Schöffenamt soll also keine Gelegenheit zur Rechtsprechung nach der eigenen Gesinnung sein. Doch aktuell wird befürchtet, dass Rechtsextreme es genau dafür nutzen könnten - ein Thema, das die Moderatorin Chiara Henrich, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Heidelberg, früh in die Diskussion einbrachte. Der Heidelberger Strafverteidiger Maximilian Seyderhelm betonte, dass rechtsextreme Schöffen Angeklagten mit Migrationshintergrund schwere Nachteile bereiten könnten. Wie sich Rechtsextreme auf der Richterbank verhindern ließen, blieb in der Runde aber offen. „Man kann den Leuten nicht in den Kopf gucken“, benannte Seyderhelm das Problem.

Im Sinne der Neutralität: Mit Absicht keine Akteneinsicht für Schöffen

Vor allem ging es in der Diskussion aber auch um die praktischen Probleme der Schöffen. Vor Verhandlungsbeginn würden sie „kaum Infos kriegen“, klagte ein Schöffe im Publikum - „man kommt hin, man weiß von gar nichts“. Das sei durchaus gewünscht, erwiderte Waldmann: „Sie sollen sich ja gerade keine Meinung im Vorfeld bilden.“ Auch die Praxis, Schöffen in der Regel keine Akteneinsicht zu gewähren, sei sinnvoll - wegen der vielen persönlichen Details in den Akten diene dies auch dem Datenschutz. Da alle entscheidungsrelevanten Akteninhalte in der Hauptverhandlung vorgetragen werden müssen, entgehe den Schöffen dadurch nichts.

Durchaus kontrovers wurde diskutiert, in welchem Ausmaß Schöffen in der Verhandlung Fragen stellen sollten. „Ich persönlich würde mich eher zurückhalten“, beschrieb der Schöffe Kai Gräf seine Herangehensweise. Berufsrichter Waldmann riet zu einer gewissen Vorsicht: Ungeschickte Fragen könnten Befangenheitsanträge gegen Schöffen provozieren - das sei „die Sorge, die uns immer umtreibt“. Wenn ein Schöffe den Angeklagten zum Beispiel frage, ob er vom Tatort weggelaufen sei, obwohl dieser bestreitet, dort gewesen zu sein, könne das als Voreingenommenheit ausgelegt werden. Im Zweifel, so Waldmann, könnten Schöffen während der Pause im Beratungszimmer vorschlagen, noch eine Frage zu stellen.

Schöffen sollen sich trauen

„Trauen Sie sich trotzdem“, riet die ehemalige Schöffin Sabrina Zinke, die die Veranstaltung initiiert und mitorganisiert hatte - „bitte nicht zurückhalten“. Schöffen kämen manchmal auf Fragen, die Berufsrichtern nicht einfielen. Und auch Waldmann wollte sich letztlich nicht so verstanden wissen, dass er Schöffen von Fragen generell abrate: „Fragen Sie unbedingt, denn Sie müssen ja auch entscheiden.“

Mehr zum Thema

Justiz

Prozess in Heidelberg: Über 800.000 Euro bei Einbrüchen erbeutet

Veröffentlicht
Von
Dirk Timmermann
Mehr erfahren
Verfassungsgerichtshof

Initiative für Volksbegehren gegen Gendersprache will klagen

Veröffentlicht
Von
dpa/lsw
Mehr erfahren

Strafverteidiger Seyderhelm konnte zwar auch keine Schonung bei ungeschickten Schöffenfragen versprechen. „Bei verhärteten Fronten“ könne ein Befangenheitsantrag für den Angeklagten eben sinnvoll sein. Dafür wies er auf ein weiteres Fettnäpfchen hin - beim Verteilen von Schokolade im Gerichtssaal: Dass ein Koblenzer Schöffe in der Weihnachtszeit Schoko-Nikoläuse auf den Tisch der Staatsanwaltschaft stellte, die Angeklagten und ihre Verteidiger aber nicht bedachte, quittierten diese mit einem Befangenheitsantrag - mit Erfolg. Für Richter Waldmann die Moral von der Geschicht’: „Bitte alle Schoko-Weihnachtsmänner ans Gericht.“

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen