Rhein-Neckar. Im Jahr des 75. Geburtstages stellt sich die Familienheim Rhein-Neckar an der Spitze neu auf: Thomas Glatte, bislang BASF-Immobilienmanager, hat den Vorstandsvorsitz übernommen. Gerald Krebs, langjährig bei der HeidelbergCement tätig, ist Finanzvorstand. Außerdem berief das Unternehmen zwei prominente zusätzliche Aufsichtsräte: Eva Lohse, von 2002 bis Ende 2017 Oberbürgermeisterin in Ludwigshafen und ehemalige Präsidentin des Deutschen Städtetages, sowie Stefan Dallinger, seit zwölf Jahren amtierender Landrat des Rhein-Neckar-Kreises.
Was für Herausforderungen sehen die beiden neuen Vorstände für die Familienheim, die in die Zielgerade zur Umwandlung von einer Genossenschaft in eine Aktiengesellschaft gebogen ist? Glatte wie Krebs betonen: Es gelte eine Konzernstruktur zu schaffen und die Töchter der Immobiliengruppe mit ihren unterschiedlichen Geschäftsbereichen in eine Wertschöpfungskette zu bringen. Glatte: „Ich verstehe mich aber nicht als Überstülper.“ Mit seinem Vorstandskollegen ist er sich einig, dass „die soziale DNA“ – nämlich bezahlbaren Wohnraum zu schaffen – auch künftig das Kerngeschäft prägen soll. „Mit Wirtschaftlichkeit im Blick“, so Krebs. Ohnehin dränge sich angesichts explodierender Kosten auch beim Bauen die Frage auf: „Was können wir uns leisten?“
Verwunderung über Tätigkeit
Beispiel Mannheimer Glückstein-Quartier: Eigentlich wollte die in der Region verwurzelte Familienheim ihren Hauptsitz repräsentativ in das Vorzeigegebiet südlich des Bahnhofs verlegen. Dieser Plan ist gecancelt. Ohnehin befinde sich das Vorhaben auf dem erworbenen 33-Hektar-Areal neben dem Viktoria-Turm „auf kleiner Flamme“, erklärt Glatte. Das ins Boot geholte Bauunternehmen Diringer & Scheidel solle mit dem Architekten Jens Wittfoht, Gewinner des ausgelobten Gestaltungswettbewerbs, das Projekt entwickeln.
Im Gespräch geht es auch um jene Familienheim-Turbulenzen, über die diese Redaktion berichtete: Zwei Aufsichtsräte und der Vorstandsvorsitzende sind vor einigen Wochen zurückgetreten. Hintergrund waren wohl Konflikte mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Gerhard Burkhardt in Zusammenhang mit einer Personalie. Dass sich der Vollblutunternehmer, der die Baugenossenschaft vier Jahrzehnte erfolgreich führte, in der Rolle jenseits des operativen Geschäfts schwer tut, Befugnisse abzugeben, geht auch aus einer internen Revision hervor: Der Bericht empfiehlt als „überlegenswert“, dass Prokura-Verträge wie Gehaltsvereinbarungen neben dem Aufsichtsratsvorsitzenden auch der Vorstand unterzeichnet.
Eine außerordentliche Vertreterversammlung hat die Aufsichtsräte Eva Lohse und Stefan Dallinger bestätigt. Vorstandsvorsitzender Glatte freut sich „über eine sensationelle Verstärkung“ durch erfahrene Persönlichkeiten. Dass Landrat Dallinger, der zwar nicht direkt, aber politisch mit Grundstücken zu tun hat, solch ein Amt bei einer am Markt agierenden Baugenossenschaft, demnächst AG, übernimmt, sorgt freilich anderswo für Verwunderung. Gegenüber dieser Redaktion erklärt der CDU-Politiker, er könne ein „gewisses Störgefühl“ nachvollziehen. Gerade deshalb habe er „alles rechtlich sauber geklärt“ und vom Regierungspräsidium eine Genehmigung eingeholt. Bei Projekten aus seinem Einflussbereich werde er sich „absolut heraushalten“.
Compliance, so der Begriff für transparente Firmenführung, dürfte den neuen Vorstand vielfältig herausfordern – auch in Zusammenhang mit der defizitären Tochter Qivalo, ein Unternehmen für digitale Immobilien-Messleistungen mit Beteiligung des Mannheimer Energieversorgers MVV. Pikanter Hintergrund: Bei dem Geschäftsführer handelt es sich um den Schwiegersohn des Vorsitzenden des Aufsichtsrates – und damit jenes Gremiums, das über das Gewähren von Millionen-Darlehen zu befinden hatte. Außerdem dürfte bei der Familienheim-Loge in der SAP Arena darüber nachgedacht werden, ob Einladungen für VIP-Plätze bei Sport und Kunst auch künftig ausschließlich der Aufsichtsratsvorsitzende persönlich vergeben sollte.
Neuaufstellung im Jubiläumsjahr
- Die Familienheim ist Muttergesellschaft der Immobiliengruppe Rhein-Neckar mit zahlreichen Töchtern von Verwaltungsdienstleistungen bis zur Baufinanzierung. Zum Bestand gehören 2322 Wohnungen sowie 33 Gewerbeeinheiten.
- Vorstandsvorsitzender: Thomas Glatte (52), der nach Baufacharbeiter-Lehre Bau- ingenieurwesen studierte und promovierte, leitete bei der BASF 14 Jahre lang das Immobilien- und Facilitymanagement und ist Immobilienwirtschaft-Professor an der privaten Fresenius-Hochschule Heidelberg.
- Vorstand: Gerald Krebs (47), der viele Jahre bei der Heidelberg-Cement AG tätig war, bringt Erfahrungen in den Bereichen Finanzen, Controlling, Recht sowie IT mit und hat Softwarelösungen für die Bauindustrie entwickelt.
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