Heidelberg. Wieder ist ein Eckpfeiler der Musikszene des Rhein-Neckar-Deltas gestorben: Jazz-Schlagzeuger Allen Blairman erlag am Freitag um 15 Uhr in seiner Wahlheimat Heidelberg einer langen schweren Krankheit. Das teilte sein Bandkollege Olaf Schönborn am Samstag dieser Redaktion mit. „Er hat seit Januar Krebs gehabt“, sagte der Ludwigshafener Saxofonist, der mit seinem „Soul Brother“ seit mehr als 20 Jahren in Projekten wie dem Trio Variety, Melody & Rhythm sowie Melody, Rhythm & Tap spielte. „Allen ist zuhause gestorben, so wie er es sich gewünscht hat. Im Kreis von Freunden und Familie ist er friedlich eingeschlafen.“ Im Dezember 2021 hätten sie den letzten Auftritt gehabt, bei der Eröffnung des Jazz-Clubs Bruchsal. „Da hat er unglaublich gespielt, wie immer“, schwärmt Schönborn.

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Damit ist er nicht allein. Denn die Bedeutung Blairmans für die Musikszene der Region kann man gar nicht überschätzen. „Allen ist hier um 1980 eingeschlagen wie ein Monolith “, erinnert sich der Heidelberger Produzent und Keyboarder Thomas Motter. Vom Klassik-Studium herkommend, habe ihm erst der enorme Swing Blairmans eröffnet, „dass es Musik jenseits von Notenspiel gibt.“ Wie später in den 1990ern der Brite Jason Wright war der US-Drummer ein Katalysator für die Entwicklung der Szene, um den herum sich viele Kreative vernetzten.

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Dabei hatte der musikalisch kompromisslose Blairman zu dem Zeitpunkt einer Weltkarriere als Jazz-Schlagzeuger abgeschworen. Am 13. August 1940 in Pittsburgh geboren, konnte er 1959 erste Platten mit dem Charles Bell Contemporary Jazz Quartet aufnehmen – produziert von Bob-Dylan-Entdecker John Hammond. 1964 zog er nach Washington, 1968 nach New York. Er spielte mit Größen wie Charles Mingus, Chet Baker, Charlie Haden, Archie Shepp oder George Benson. Legendär sind die Aufnahmen im Museum Fondation Maeght bei Nizza, wo er im Juli 1970 mit dem Saxofonisten und Free-Jazz-Wegbereiter drei spektakuläre Konzerte spielte. „Mit den Aufnahmen und Veröffentlichungen in Bootleg-Qualität war Allen nie zufrieden“, berichtet Schönborn. „Aber kurz vor seinem Tod bekam er eine neue Veröffentlichung auf der Basis eines Radio-Mitschnitts in einer wunderschönen 5-LP-Box, über die er sich wahnsinnig gefreut hat.“ Die streng limitierte Vinyl-Box ist am 23. April zum Record Store Day unter dem Titel „Revelations: The Complete ORTF 1970 Fondation Maeght Recordings“ beim Label Elemental erschienen. Am 20. Mai folgt eine Vierfach-CD. Eine Offenbarung (Revelation) als Vermächtnis, das kann nicht jeder von sich behaupten. Blairmans Erbe hätte noch gewaltiger ausfallen können: Ein Projekt mit Ayler und Jimi Hendrix soll nur der frühe Tod des legendären Rock-Gitarristen verhindert haben, so Schönborn.
Stattdessen richtete sich Blairman in seiner zweiten Lebenshälfte bescheiden im beschaulichen Handschuhsheim ein, wo er sich nach einem schockierenden Raubüberfall in New York im Anschluss an eine Europatournee 1971 mit dem Heidelberger Vibrafonisten Karl Berger schon einmal kurz niedergelassen hatte. Nach einer bewegten Zeit in München oder Berlin wurde der zurückhaltende Blairman zu einem Gesicht seines Stadtteils.
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