Heidelberg. Wenn die bunt lackierten Dreiräder auftauchen, ziehen sie alle Blicke auf sich: Seit 22 Jahren kutschiert der Heidelberger Ingo Fath Gäste mit seinen Rikschas durch die Region. Vor allem Brautpaare lassen sich sehr gerne zu Standesamt oder Kirche rollen. Der Fuhrpark ist inzwischen auf zehn Rikschas angewachsen - dazu gibt es ein Konferenzbike für sechs Personen plus einen Fahrer.
Bei einem beruflichen Einsatz in Indonesien begann es für den Heidelberger in den 1990er-Jahren: Der Umwelttechniker lernte das in Asien gängige Verkehrsmittel kennen und war fasziniert von seinen Vorteilen: Es ist umweltfreundlich, erzeugt an den Ampeln keine Abgase, ist vielseitig einsetzbar und hübsch dazu. Zurück in Deutschland, entwickelte Fath nicht nur Fernweh, sondern auch den Wunsch, hier Rikscha fahren zu können.
Per Container reiste die erste Fath-Rikscha in Einzelteilen im Frühjahr 1995 an, die weißen Kotflügel bunt bemalt. Das Import-Mobil musste erst für den deutschen Straßenverkehr ausgebaut werden. "Beim Zusammenbauen habe ich die Technik gleich gut kennengelernt", erinnert sich Fath an die Puzzle-Arbeit, "dann bekam die Rikscha noch Bremsen und Beleuchtung". Später kam eine Gangschaltung dazu. Faths Dreiräder kommen aus Yogyakarta im Zentrum der Insel Java. "Mir gefiel besonders, dass die Fahrgäste vorne sitzen, alles gut sehen können und den Fahrer im Rücken haben", beschreibt Fath seine Wunschmodelle.
Der erste Einsatz war eine Hochzeit im Weinheimer Schloss. Das Geschäft rollte gut an. Drei Jahre dauerte es, da orderte Fath die zweite Rikscha in Indonesien. Im Jahr 2000 kam Nummer drei am Neckar an, schon zwei Jahre später Nummer vier. Robust seien sie allesamt, und leicht zu warten, beschreibt der Indonesien-Fan seine Fahrzeugflotte.
Auch die Erfindung von Fahrrad-Vater Karl Drais habe einen Bezug zu Indonesien, erklärt er: Ursache für die Erfindung von 1817 sei schließlich ein gigantischer Ausbruch des Tambora-Vulkans zwei Jahre zuvor auf der Insel Sumbawa gewesen. Ein Jahr später sorgte die Naturkatastrophe für Missernten und Hungersnöte. Menschen und auch Zugpferde starben. Das war die Geburtsstunde des Transportmittels, das weder Heu noch Wasser benötigte. Je nach Anlass rollen die Fath'schen Dreiräder mit Luftballonen, Blumen, Schleifen oder Werbebannern vor. Der Fahrer selbst hält für festliche Fälle einen "Chapeau Claque"-Zylinder bereit. Ein echter Renner ist die Rikscha bei Brautleuten. "Oft haben sie einen Bezug zum Fahrrad oder zu Indonesien - oder die Fahrt mit der Rikscha wird den Frischvermählten von Trauzeugen oder Freunden geschenkt", erzählt Fath. Blechdosen scheppern dann im Schlepptau. Auch der frühere Heidelberger Generalmusikdirektor Cornelius Meister rollte mit seiner Frau auf diese Weise vom Heidelberger Rathaus aus ins Eheglück. Als Geburtstagsgeschenk wird Fath ebenfalls gerne gebucht - etwa, um ein Geburtstagskind in der Schule abzuholen. Seine eigene Tochter ist zwar nicht in einer Rikscha geboren - aber doch schon wenige Tage nach ihrer Geburt mitgefahren: "Unter dem Eindruck der ersten Mandelblüten chauffierte ich damals Mutter und Tochter mit einer Rikscha vom Krankenhaus nach Hause", erinnert sich Fath gerne. Die Tochter habe einen starken Bezug zu Indonesien und fahre selbst Rikscha - nicht nur, weil ihre Mutter aus dem asiatischen Land stammt.
Eine Rikscha ist etwa 100 Kilo schwer. Ein Elektromotor würde das Chauffieren auf jeden Fall leichter machen - aber bislang kann sich Fath noch nicht zu einer solchen Nachrüstung aufraffen: "Das würde irgendwie nicht passen", findet er. Eher schon vorstellen könnte er sich eine Unterstützung mittels Solartechnik. Modern ist auch das 2004 angeschaffte Konferenzbike, das für 69 Euro pro Stunde gemietet werden kann. Für Familien und Gruppen, oder auch als Teambildungsunterstützung bei Arbeitskollegen kommt es zum Einsatz.
Nur ein platter Reifen
Ein platter Reifen hat Fath erst ein einziges Mal bei einem Einsatz überrascht. "Wir sind weitergefahren, die Gäste haben das nicht mitbekommen", erinnert er sich an die anstrengende Folge. Inzwischen sind alle Rikschas mit besonderen Radmänteln ausgestattet. Dass der Reifendruck vor jedem Einsatz penibel geprüft wird, ist selbstverständlich.
Der Firmeninhaber fährt längst nicht mehr alleine. Zum Team gehören zehn bis 15 Studenten genauso wie ein 70-Jähriger. Biegt eine Rikscha in der Heidelberger Altstadt um die Ecke, sind asiatische Touristen natürlich besonders verblüfft. Auf wie vielen Fotos seine Fahrzeuge schon abgebildet sind, vermag Fath nicht zu schätzen - aber bestimmt ist das eine oder andere Bild auch bis Indonesien gelangt.
Rikscha
Rikschas sind in Asien beliebte Dreiräder zum Transport von Waren und Personen. Rikscha heißt auf Indonesisch "Becak".
Der Rahmen ist aus Metall, der Sitz aus Holz und mit Kunstleder bezogen. Ein Dach schützt vor Sonnenstrahlen und Regen - sollte das Wetter zu schlecht werden, kann weiterer Regenschutz angebracht werden. Zwischen 2000 und 3000 Euro kosten die Modelle.
Vom Picknick bis zum Sekt kann alles organisiert werden. An kühleren Tagen gibt es Decken und Glühwein. Der Preis für das Gesamtpaket wird individuell vereinbart, als Richtwert gilt für eine Rundfahrt von 30 Minuten 29 Euro (Rikscha-Service Rhein-Neckar, Telefon 0176/34 09 43 99).
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