Denkmalschutz - Nach Beginn der Sanierung entdecken Eigentümer und Gutachter schlimme Substanzschäden

Bauernhäuschen in Heidelberg-Neuenheim droht Abriss

Von 
Michaela Roßner
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Der Eigentümer möchte das alte Fischerhaus an der Ladenburger Straße 14 abreißen, Stadt und Denkmalschutzamt haben ihr Okay dazu gegeben. © Philipp Rothe

Heidelberg. Das kleine „Fischerhaus“ in der Ladenburger Straße 14 in Heidelberg hat ein riesiges Dach und eine lange Geschichte. Nun soll es abgerissen werden - und auch der Denkmalschutz ist einverstanden. Viele Neuenheimer setzten sich hingegen für die Rettung ein. Zu erhalten ist der Bau wohl aber nicht.

Mehr als drei Jahrhunderte Geschichte hat das Haus, das eigentlich kein Fischer- sondern ein Bauernhaus ist: In der Erhaltungssatzung der Stadt wird es mit 1693 datiert, „nach Brand wieder aufgebaut“. Mindestens der Gewölbekeller soll indes schon kurz nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618 bis 1648) bestanden haben - das belegten Grundbucheinträge.

Wer in das seit Langem leerstehende Haus hineingehen wollte, musste Stufen hinuntersteigen: Die Ladenburger Straße lag früher tiefer und wurde irgendwann aufgeschüttet. Auch die Adresse änderte sich im Laufe der Jahrhunderte: Ursprünglich gehörte das Anwesen zur Schulzengasse. Dorthin ist auch der Giebel ausgerichtet. Zum Nachbarhaus gab es ein Gässchen, berichtet Bärbel Hufen-Fischer vom Vorstand des Stadtteilvereins. Das „Kirchgässchen“ wurde abgesperrt, als die Brückenstraße nach und nach bebaut wurde. Den entstandenen Raum nutzte der Landwirt und Hausherr als Abstellraum. Unter anderem im Neuenheimer Feld und in Wiesloch bewirtschaftete die Familie Obstgärten und Wingerte. Die Wohnverhältnisse waren beengt: Unten gab es vier Räume, oben zwei. Zehn Personen hatten hier im 19. und 20. Jahrhundert parallel ihr Zuhause.

Spätbarockes Gebäude

  • Bei dem um 1790 erbauten Haus handelt es sich um eines der wenigen erhaltenen spätbarocken Gebäude des Dorfes Neuenheim, die bei der umfassenden Neubebauung in der Gründerzeit erhalten geblieben sind.
  • In dem Haus (Ladenburger Str. 14) in Heidelberg-Neuenheim war zuletzt eine Schlosserei untergebracht.
  • Nach einem Eigentümerwechsel hatten Sanierungsarbeiten begonnen. Dann wurde Schimmel entdeckt.
  • Ein Gutachten von August 2021 kam zu dem Ergebnis, dass das Haus abgerissen werden muss.
  • 2012 hat der Gemeinderat die Aufstellung einer Erhaltungssatzung für den alten Dorfkern von Neuenheim beschlossen.
  • Er umfasst unter anderem Teile der Schulzengasse und der westlichen Brückenkopfstraße, den Marktplatz und einzelne Gebäude in der Ladenburger Straße.

Im Oktober 2020, heißt es von der Stadtverwaltung, sei der Bauantrag für „Umbau und Erweiterung des Mehrfamilienwohnhauses sowie für die Errichtung einer Dachloggia und einer Außentreppe“ genehmigt worden: „Ein Abbruch des Hauses war weder beantragt noch genehmigt worden.“ Im Februar 2021 habe der Umbau begonnen, doch bald seien dem Eigentümer und den Handwerkern Zweifel an der Substanz gekommen. Ab Juli 2021 sei das Landesdenkmalamt eingeschaltet worden, das den Eindruck bestätigte. Seither ruhe der Bau.

Viele Reaktionen auf den geplanten Abriss sind beim Stadtteilverein eingegangen. „Das Haus hat Schnee, Eis, Wind und Wetter überstanden“, formuliert der Vorstand in der April-Ausgabe der „Neuenheimer Nachrichten“: „Und jetzt auf einmal, nach über 300 Jahren, soll es der Schimmel zu Fall bringen.“ Das sei auch deshalb nicht nachzuvollziehen, weil das Haus „mehr als anderthalb Jahre, nur mit einer Plane abgedeckt, Wind und Wetter trotzen“ musste. „Das durch seine Eckstellung die Schulzenstraße besonders prägende Gebäude steht für viele Neuenheimer Bürger als Sinnbild für das historische Neuenheim“, betonen die weiteren Vorstandsmitglieder um den Vorsitzenden Andreas Knorn, Joachim von der Line und Bernd Heinstein.

Der Bauausschuss des Gemeinderats befasste sich jüngst ausführlich mit dem Objekt. Die Bunte Linke hatte mit der Linken beantragt, dass die Stadt das Häuschen kaufen und sanieren solle. Dafür fand sich im Ausschuss indes keine Mehrheit - auch nicht für die Idee, als Neubau kein deutlich größeres Mehrfamilienhaus zuzulassen.

Holzschwamm und Insektenfraß

Das Haus sei nicht zu retten, fasste Frank Rinn, von der Stadt bestellter Sachverständiger für Holzkonstruktionen, das Ergebnis seiner Untersuchungen zusammen. Tragende Balken seien vom Holzschwamm - einem Pilz - sowie Insekten beschädigt worden.

Holzschwamm entzieht dem Holz Wasser und „frisst“ es langsam auf. Während stellenweise Schimmelbefall mit professioneller Behandlung beseitigt werden könne, stelle der Holzschwamm eine Existenzbedrohung für ein Gebäude dar. Allein die Holzteile auszutauschen und zu ersetzen, ergebe aus seiner Sicht keinen Sinn, da sich der Pilz auch im Mauerwerk eingenistet habe und sich rasch wieder ausbreiten würde. Die meisten Schäden seien Jahrzehnte alt, das Haus „praktisch nicht sanierbar“.

Redaktion Redakteurin Metropolregion/Heidelberg

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