Die Zeugin, die mit Rechtsbeistand erschienen ist, muss immer wieder tief durchatmen, eine Pause einlegen. Eigentlich bräuchte die Mutter der Angeklagten aus Hockenheim, der das Ermorden der beiden Söhne, und damit der Enkel, zur Last gelegt wird, nicht auszusagen. Die 67-Jährige möchte aber ihrer Tochter in dem Prozess vor dem Mannheimer Landgericht beistehen.
Während die 44-Jährige zwei Stunden zuvor die Berichte der rechtsmedizinischen Sachverständigen regungslos verfolgt hat, beginnt sie zu weinen, als die Mutter in den Verhandlungssaal kommt und lächelnd zu ihr schaut. Das Gericht möchte erfahren, wie die Mutter und Oma die Zeit vor der tödlichen Eskalation der Familientragödie am diesjährigen Ostersonntag erlebt hat.
Angeklagte Hockenheimerin litt unter Rosenkrieg
Die Zeugin erzählt von einem Rosenkrieg, der sich zwischen den getrennten Eltern aufgeschaukelt habe. „Es kam einfach kein Frieden auf!“ Die Tochter, die sie als liebevolle Mama schildert, habe sehr darunter gelitten und als ungerecht empfunden, das Aufenthaltsrecht der beiden Söhne an den Vater verloren zu haben. „Ich hatte Angst, dass sie sich etwas antut“, so die 67-Jährige.
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Befragt nach den Lebensstationen ihrer Tochter, berichtet sie von einer Geburt fast ohne Fruchtwasser und leichtem Spasmus in den ersten Babymonaten. Gleichwohl habe sich das Mädchen zu einem „fröhlichen wie aufgeweckten Kind“ entwickelt. Von „Veränderungen“ spricht die Mutter als Folge einer 2005 erlittenen Hirnblutung. Die Tochter habe fortan mit epileptischen Anfällen zu kämpfen gehabt.
Fotos der in Hockenheim gestorbenen Kinder
Einige Stunden zuvor beginnt die Verhandlung mit dem Bericht jener Rechtsmedizinerin, die schon bei der Leichenschau dabei war. Es wühlt auf, die auf Leinwand geworfenen Fotos von Theodor und Hagen anzuschauen. Detailaufnahmen zeigen, dass ihre Körper bereits Totenflecken aufweisen und Starre eingetreten ist. Bei einem der Jungen ist jene sternförmige Einstichwunde im Schläfenbereich sichtbar, die von einem Schraubenzieher stammt.
Die Rechtsmedizinerin und ihr auf Toxikologie spezialisierter Kollegen führen aus, dass die 44-Jährige ihre beiden Söhne zunächst mit Medikamenten ruhig stellte und dann wohl mit einer „weichen Abdeckung“ , sei es Kissen, Lappen oder auch Hand, sowohl Mund wie Nase am Atmen gehindert hat. Aufgrund der „zentralnervösen Dämpfung“ dürfte es keine ausgeprägte Abwehr gegeben haben. Das Einstechen des Schraubenziehers sei wohl während des Sterbeprozesses erfolgt, erläutert die Rechtsmedizinerin. Sie war dabei, als am Ostersonntag auch die Mutter untersucht wurde, die sich in Suizidabsicht den Schraubendreher in die Schläfe und außerdem in den Bauch gestoßen hatte. Die kurz zuvor festgenommene 44-Jährige habe emotionslos und „extrem geordnet“ gewirkt und sich nicht zu dem Tod ihrer Söhne geäußert, schildert die Rechtsmedizinerin.
Die Kammer befragt an diesem Vormittag außerdem eine Kriminalhauptkommissarin, die Mails, Chats und Webverläufe der Angeklagten ausgewertet hat. Die Zeugin berichtet eine Recherche zu der Frage „Wie lange dauert Ersticken“ gefunden zu haben. Am 15. Dezember wird die Beweisaufnahme fortgesetzt.
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