Heidelberg. Einmal einfach von den Eltern Urlaub machen - davon träumt sicher jedes Kind. Ihre Zahnbürsten und Schlafanzüge einpacken und dann einchecken können Mädchen und Jungen im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren nun in Heidelberg-Rohrbach: Das Kinderhotel "All inclusive" öffnet zum ersten Mal am Freitag, 24. Februar, im "Mehrgenerationenhaus Schweizer Hof" in der Heinrich-Fuchs-Straße 85. Und dann an weiteren zehn Abenden bis Juli. Es sind noch Plätze frei (Telefon 06221/4 29 90 20).
"Inklusive" sind bei diesem Angebot nicht nur Spaß und Mahlzeiten. "Die Kinder sollen die Möglichkeit bekommen, Inklusion hautnah zu erleben", erzählt Projektleiterin Laura Kalmbach. Einige der zwölf Kinder, die zusammen eine sicher spannende Nacht erleben werden, bringen eine Beeinträchtigung mit. Erfahrene Pädagogen und Betreuer mit medizinisch-pflegerischem Hintergrund kümmern sich um die Kinder. "Sie sollen hier eine richtig gute Zeit haben", verspricht Kalmbach. Doch nicht nur die jungen Gäste dürfen profitieren - das Angebot soll vor allem Eltern entlasten.
"Solch eine Unterstützung hätte ich mir als junge Mutter immer gewünscht", sagt Gila Wrensch, Mutter von drei Söhnen. Ihr Ältester, Julius, kam vor 23 Jahren mit dem Down Syndrom auf die Welt, zwei gesunde Brüder wurden drei und vier Jahre danach geboren. "Meine Eltern leben nicht mehr, die Schwiegereltern wohnen weit weg, mein Mann war beruflich sehr eingespannt", erinnert sie sich an die manchmal schwere Zeit, in der es ihr "schon sehr geholfen hätte, wenn eines ihrer Kinder mal auswärts übernachten hätte können".
Als Alleinerziehende weiß auch Kalmbach gut einzuschätzen, was es bedeuten kann, mal eine Nacht lang ohne Blick auf die Uhr und begrenzte Verfügbarkeit des Babysitters ausgehen zu können. "Wir haben Eltern, die haben gleich an allen Terminen für ihr Kind reserviert", bestätigt Yildirim, dass das Kinderhotel eine Marktlücke füllt. Der Preis für die "Vollpension" in Höhe von 30 Euro sei indes nicht kostendeckend, zumal Familien mit Heidelberg-Pass nur 20 Euro zahlen. Daher gibt es einen "Förderer-Preis" in Höhe von 35 Euro. Der "Hotelbetrieb"soll auch gar kein Geschäft sein, sondern ein Beitrag für die lebendige Gemeinschaft des Quartiers.
"Wir sind auf alles eingestellt", sagen die drei "Hotel-Managerinnen" mit Blick nicht nur auf unterschiedliche Menüpläne für alle denkbaren Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten. Die Eltern füllen einen Bogen aus, in dem Infos über das Kind stehen. Natürlich gebe es auch eine Nummer für Notfälle. Die erfahrene Mutter Gila Wrensch, die examinierte Krankenschwester ist, ihr Medizinstudium bis zum Zweiten Staatsexamen durchzog und den Beruf zurückstellte, als der erste Sohn kam, gehört zum Betreuerteam. Zu unserem Gespräch kommt sie im Piratenkostüm - und sie freut sich schon auf das Motto "Fasnacht" bei der ersten Kinderhotel-Nacht. Die beginnt freitags um 17 Uhr. Um 18 Uhr steht das Abendessen mit den Bewohnern des Schweizer Hofs auf dem Programm. "Hier leben Menschen von drei bis 90 Jahren zusammen, mit und ohne Assistenzbedarf, Alleinerziehende, junge Familien, ältere Menschen", beschreibt Emine Yildirim. Sie ist Geschäftsführerin des Heidelberger Vereins habito, der auch das Mehrgenerationenhaus betreibt, und der Rohrbacher Wirkstätte.
Schlafen im Matratzenlager
Nach dem Essen geht es rund: Masken basteln, Tanzspiele und eine Nachtwanderung sind unter anderem vorgesehen, bevor die Kleinen mit Gutenachtgeschichten langsam zur Ruhe kommen sollen. Im Spielzimmer neben dem großen Begegnungsraum wird auf einem Matratzenlager hoffentlich auch ein bisschen geschlafen. Nach dem Frühstück mit den insgesamt 28 Bewohnern des Hauses werden die Kinder Samstagmorgen um 10 Uhr abgeholt - und können sich dann noch das ganze Wochenende von ihrem sicher erlebnisreichen Aufenthalt im Kinderhotel erholen.
"Mehrgenerationenhaus Schweizer Hof"
- Die Geschichte des Schweizer Hofs ist auf das Engste mit den Fuchs'schen Waggonwerken verbunden. Deren Gründer Heinrich Fuchs wurde zum Namensgeber der ehemaligen Kirchheimer Straße.
- Das Gebäude des Schweizer Hofs ist 1899 errichtet worden. Am 12. August 1900 öffnete eine Gaststätte hier. Werksarbeiter sollten in der Nähe des Werksgeländes ein gastronomisches Angebot vorfinden.
- Der vordere Teil des Gartens diente als Biergarten.
- Im Jahr 2004 wurde der Schweizer Hof von den Diakonischen Hausgemeinschaften (jetzt Diakonische Hausgemeinschaft Schweizer Hof e.V.) gekauft. Dort wurden Wohneinheiten für das Inklusive Wohnen umgebaut.
- 2006 startete als Bundesförderprojekt das Mehrgenerationenhaus in Räumlichkeiten des Schweizer Hofs.
- Für die neue Förderphase (2017 bis 2020) der Bundesförderung für Mehrgenerationenhäuser sollen im Schweizer Hof neben den bestehenden Angeboten neue Angebote entwickelt werden. Im Fokus stehen integrative, intergenerative und inklusive Angebote.
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