Kommunalpolitik

Heddesheims neuer Bürgermeister Weitz über bezahlbaren Wohnraum, die Jugend und Klimaschutz

Achim Weitz sprüht vor Ideen. Der neue Heddesheimer Bürgermeister Achim Weitz hat im Interview mit dem "MM" nach den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit Bilanz gezogen und einige Ideen für die Zukunft verraten

Von 
Hans-Jürgen Emmerich
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Heddesheim. An diesem Freitag sind es 100 Tage, seit denen Achim Weitz sein Amt als Bürgermeister von Heddesheim angetreten hat. Im Interview mit dem „MM“ stellte er sich in dieser Woche unseren Fragen.

Herr Weitz, Sie sind jetzt fast genau 100 Tage als Bürgermeister von Heddesheim im Amt. Kommt es Ihnen schon so lange vor?

Achim Weitz: Ja und nein. Einerseits ist natürlich unheimlich viel passiert in diesen ersten Tagen, sie waren sehr ereignisreich. Neues ist auf mich zugekommen. Auf der anderen Seite habe ich auch so viele Ideen, die ich umsetzen will, da reicht die Zeit natürlich nicht. Das musste ich schnell einsehen. Da braucht man einfach Zeit, um Dinge zu entwickeln und sie auch vorzubereiten im Rathaus und im Gemeinderat. Ich sprühe schon vor Ideen, aber man darf die Verwaltung nicht überstrapazieren.

Erlauben Sie eine Frage mit einem Augenzwinkern. Sie konnten in den ersten Wochen Ihrer Amtszeit sogar schon in Urlaub gehen. Ist die Aufgabe so entspannt?

Weitz: (lacht) Die ersten Wochen habe ich sehr positiv empfunden. Vieles war wie erwartet. Ich wusste so in etwa, was auf mich zukommt. Aber es ist eben doch ein Unterschied, ob man Amtsleiter oder Bürgermeister ist. Es gab einfach viele schöne und positive Begegnungen, aber das liegt vielleicht auch an der Schonfrist. Die ersten Wochen fielen genau in die Sommerpause. Ich war zwei Wochen in Urlaub beim 70. des Vaters meiner Partnerin in Spanien und hatte eine Woche Corona-Zwangspause. So gesehen bin ich schon sehr zufrieden mit dem, was wir in der kurzen Zeit auf die Schiene gesetzt haben.

Jetzt aber ganz ernsthaft: Sie haben vermutlich weder einen Acht-Stunden-Tag noch eine 40-Stunden-Woche. Wie anstrengend ist das Amt denn tatsächlich?

Weitz: Es ist für mich überhaupt nicht anstrengend. Ich habe die Zeit bisher sehr positiv erlebt. Es ist zeitlich fordernd und sehr intensiv, aber es macht mir unheimlich viel Freude, trotz rappelvollem Terminkalender. Ich bin rundum glücklich damit. Wenn das acht Jahre so bleibt, dann ist alles gut.

Was hat sich im Rathaus verändert, seit Sie hier der Chef sind?

Weitz: (denkt nach) Das ist für mich schwer zu beurteilen. Die Auswirkungen müssen meine Mitarbeiter bewerten, aber sie machen einen zufriedenen Eindruck.

Achim Weitz

  • Achim Weitz ist 50 Jahre alt, liiert und hat keine Kinder.
  • Er wohnt in Edingen-Neckarhausen.
  • 15 Jahre lang leitete er das Ordnungs- und Sozialamt in Heddesheim. Von 2018 bis 2022 war er Leiter des Ordnungsamts in Schriesheim.
  • Am 10. April 2022 wurde der Parteilose im zweiten Wahlgang mit 52,2 Prozent der Stimmen zum Bürgermeister von Heddesheim gewählt. 

Hat sich organisatorisch etwas verändert?

Weitz: So viel jetzt noch nicht, aber es wird in einem ersten Schritt beispielsweise eine weitere Stelle im Bereich IT, Digitalisierung, Social Media und Öffentlichkeitsarbeit geben. Der Amtsübergang lief geräuschlos und ohne Reibungsverluste. Ich hatte ja schon Vorkenntnisse und musste nur auf den aktuellen Stand gebracht werden. Ich bin am 1. Juni gekommen und konnte gleich loslegen.

Heddesheim sei gut aufgestellt, haben Sie vor Ihrer Wahl gesagt. Sehen Sie das immer noch so?

Weitz: Absolut. Man sieht es, wenn man durch die öffentliche Einrichtungen geht. Ich bin fast überall selbst gewesen: Wir haben einen sehr guten Zustand, es gibt keinen Sanierungsstau. Darüber wären andere Kommunen sehr froh. Mit dem Nahwärmenetz haben wir einen Volltreffer gelandet in dieser Energiekrise. Das war sicher auch meinem Vorgänger und dem Gemeinderat in dieser Tragweite nicht bewusst. Für Heddesheim ist das wirklich ein Segen. Andere Kommunen machen sich schon Gedanken über die Schließung von Einrichtungen.

Heddesheim solle sozialer werden, lautete eine Ihrer Forderungen im Wahlkampf. Haben Sie dafür schon etwas tun können?

Weitz: Ich habe schon Kontakte mit einigen der handelnden Personen, mit dem Verein F.A.I.R., mit dem VdK, mit unserer Seniorenbegegnungsstätte „Scheunengalerie“ beispielsweise. Da gibt es einiges an Ideen, was wir jetzt in den nächsten Wochen und Monaten angehen. Wir müssen auch den Personalstand überprüfen, ob der ausreicht. Das wird ein Thema bei den beiden Klausurtagungen mit dem Gemeinderat. Einen Vormittag im Oktober widmen wir gemeinsam mit dem Jugendvertretergremium den Jugendthemen. Im November geht es dann mit Gemeinderat und Verwaltung um weitere Komplexe.

Die Traditionsgaststätte Badischer Hof im Ortskern steht seit Jahren leer. Bürgermeister Achim Weitz hofft, dass hier bald wieder Gastronomie einziehen kann. © Hans-Jürgen Emmerich

Im Moment arbeiten Sie an vielen Projekten, die Ihr Vorgänger Michael Kessler auf den Weg gebracht hat, beispielsweise Nahwärmenetz, Sportkindergarten und Heddesheim-Arena. Macht Ihnen das den Start leichter?

Weitz: Es macht es auf alle Fälle nicht schwieriger, dass viele dieser großen Bauprojekte schon laufen. Es ist auch eine Verpflichtung, das entsprechend weiter zu führen. Und es legt den Finanzrahmen schon ein Stück weit fest. Es sind gute und wichtige Projekte für Heddesheim, deshalb bedauere ich das nicht.

Was denken Sie, wird Ihr eigenes erstes großes Projekt in Heddesheim sein?

Weitz: Da muss man nicht unbedingt ans Bauen denken. Was für mich ganz wichtig ist, ist ein Mobilitäts- und Radverkehrskonzept. Ich denke, dass wir damit im Oktober in den Gemeinderat gehen können, um es in Auftrag zu geben. Das ist für Heddesheim ganz wichtig. Gerade im Ortskern und an einigen anderen Stellen muss es Verbesserungen geben.

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In einer umfangreichen Pressemitteilung haben Sie in dieser Woche auf die vielfältigen Bemühungen der Gemeinde in Sachen Energiesparen und Klimaschutz hingewiesen. Was kann die Gemeinde darüber hinaus tun, wenn Sie an immer neue Hitzerekorde und Wassermangel denken?

Weitz: Es wird weiterhin wichtig sein, in diesem Bereich aktiv zu sein, sei es beim Energiesparen oder beim Controlling. Auch die Bevölkerung müssen wir weiter mitnehmen und die Bereitschaft wecken, neue Wege zu gehen, mit Photovoltaik-Anlagen und ähnlichem. Der Verkehr spielt da ebenso eine Rolle wie Fairtrade. Für diesen fairen Handel wollen wir uns als Gemeinde zertifizieren lassen. Das kommt im September in den Gemeinderat. Außerdem soll im Herbst noch die Umstellung des Flutlichts des Kunstrasenplatzes auf LED erfolgen, wir warten hier nur noch auf einen Förderbescheid. Es gibt einfach viele Aspekte, die auch den Klimaschutz betreffen. Dieser Sommer hat ganz deutlich gezeigt, dass wir da unbedingt weiterhin aktiv sein müssen.

„Bürgerbeteiligung muss spielend leicht sein“, haben Sie in unserem digitalen Wahlhelfer bestätigt. Wann kommt die Heddesheim-App, um die Meinung der Bürger vor wichtigen Entscheidungen abzufragen?

Weitz: Ein konkretes Datum kann ich Ihnen dazu noch nicht nennen, aber das Thema steht auf der Agenda. Zum einen geht es um Abfragemöglichkeiten, zum anderen auch um einen Schadens- oder Mängelmelder. Gespräche gibt es schon. Es ist eines der vielen Themen, das wir angehen.

Wann bekommt die Jugendvertretung ihr eigenes Budget?

Weitz: Das werden wir mit Sicherheit bei der Klausur besprechen, ich bin da ganz offen.

Und wann kommt die Pumptrack-Anlage?

Weitz: Das ist natürlich das zentrale Thema für diese Besprechung mit den Jugendvertretern. Da könnte es schon erste Entscheidungen geben. Ich hoffe, dass das kommt und möglichst bald realisiert wird. Aber Fragen wie Ort, Umfang und Finanzierung sind zu klären. Andere Kommunen sammeln dafür ja Spenden, auch durch die Jugendlichen selbst. Das ist eine tolle Sache, das kann ich mir auch gut vorstellen.

Konnten Sie beim bezahlbaren Wohnraum schon aktiv werden?

Weitz: Dafür war die Zeit bisher zu kurz. Das braucht viel mehr Vorlauf. Da muss man teilweise leider wirklich in Jahren denken, und das macht das Problem der Wohnungsnot nicht einfacher. Initiativen wie Raumteiler/Fairmieten lassen sich schneller umsetzen, aber das erfordert eine entsprechende

Personalkapazität im Rathaus, die ich momentan nicht sehe. Angehen will ich es trotzdem, weil ich es für eine gute Sache halte, um Wohnraum zu reaktivieren. Aber hier sind wir auch wieder beim Thema Personalbestand im Sozialbereich.

Was ist mit den geplanten Sozialwohnungen Mitten im Feld?

Weitz: Durch die Baupreisentwicklung ist das durchaus schwieriger geworden, aber die Dinge sind im Laufen. Den Bauantrag hat der Investor inzwischen gestellt. Ich bin zuversichtlich, dass das alles wie geplant umgesetzt werden kann. Das bringt natürlich auch noch einmal rund 70 Wohnungen.

Beim Thema Glasfaser waren Sie vor der Wahl noch zurückhaltend, jetzt gibt es die Chance zu einer flächendeckenden Versorgung. Glauben Sie, dass die notwendige Zahl der Anmeldungen dafür erreicht werden kann?

Weitz: Ich hoffe es, weil es eine Chance für Heddesheim ist. Es wird natürlich davon abhängen, wie die Menschen momentan ihre Versorgung sehen. Man muss aber perspektivisch denken, und ich wünsche mir, dass es gelingt. Die Gemeinde unterstützt das auch.

Sie wollen Kunst und Kultur mehr Raum geben. Waren Sie hierfür schon aktiv?

Weitz: Ich war schon sehr aktiv in Sachen Kunst und Kultur, aber mehr im Sinne von Dabeisein. Auch um zu sehen, was es alles gibt. Wir haben schöne Feste gefeiert, etwa das Dorfplatzfest und das Sommerfest am See. Bezüglich räumlicher Ausstattung sind allerdings noch keine Gespräche geführt worden.

Aber Sie sind immer dabei, wenn es um Kunst und Kultur geht…

Weitz: Ich bin da durchaus auch interessiert und unterstütze diese Aktivitäten. Ich will sehen, was aktuell läuft und wo die Gemeinde noch etwas tun kann, um das zu bereichern. Derzeit stehen ja zwei Ausstellungen des Kunstvereins an, hier im Rathaus und mit „Kunst am See“. Ich freue mich auf die Kerwe Mitte Oktober und besonders auf die erste Fahrt nach Nogent-le-Roi. Die Jumelage ist ein ganz wichtiges Thema. 2024 feiern wir in Heddesheim das 50. Jubiläum dieser Partnerschaft.

Um die Zukunft des Hauses „Badischer Hof“ hat sich bereits Ihr Vorgänger intensiv gekümmert, leider ohne konkreten Erfolg. Sind Sie zuversichtlich, dass es hier in absehbarer Zeit wieder ein gastronomisches Angebot gibt?

Weitz: Wir haben zumindest die Hoffnung. Die Planungen werden weiter vorangetrieben. Das wäre mit Sicherheit eine Bereicherung für den Ortskern. Deshalb wollen wir weiter in diese Richtung aktiv sein.

In wenigen Wochen werden Sie Ihren ersten Haushaltsplan vorlegen. Kennen Sie schon Schwerpunkte?

Weitz: Wir sind noch nicht so intensiv eingestiegen. Wir haben aber öffentliche Einrichtungen besucht, um zu sehen, wo Sanierungsbedarf besteht. Der Haushaltserlass des Landes fehlt uns noch als Grundlage. Klar ist, dass der Spielraum für Investitionen geringer sein wird. Kostensteigerungen holen uns in anderen Bereichen ein. Alles wird teurer, vor allem Energie und Material, das trifft auch die Gemeinde enorm. Deshalb ist es das Gebot der Stunde, hier behutsam vorzugehen. Ich hoffe, dass die Menschen erkennen, dass das mit der politischen Weltlage zusammenhängt und nicht mit dem neuen Bürgermeister. Fest steht: Künftige Investitionen werden sicher deutlich geringer ausfallen.

Werden Sie für mehr Transparenz sorgen und den Etatentwurf – anders als Ihr Vorgänger – öffentlich beraten?

Weitz: Da habe ich mir noch keine Gedanken darüber gemacht. Das möchte ich auch mit dem Gemeinderat abstimmen. Aus dem Gemeinderat kam der Wunsch, dass es mehr Raum für Diskussionen geben soll. Darüber werden wir in der Klausurtagung sprechen. Beide Vorgehensweisen haben ihre Vor- und Nachteile. Die Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat läuft im Übrigen sehr gut, auch mit meinen früheren Mitbewerbern, das habe ich aber auch nicht anders erwartet. Wir haben die Fraktionssprechersitzungen wieder eingeführt. Das war mir ein Anliegen, um für rechtzeitige Informationen und mehr Transparenz zu sorgen. Ich halte das für ein gutes Instrument

Die ersten 100 Tage sind vorbei. Was wollen Sie erreicht haben, wenn Sie im kommenden Juni auf Ihr erstes Jahr als Bürgermeister zurückblicken?

Weitz: Ich möchte erreicht haben, dass die Heddesheimerinnen und Heddesheimer zufrieden mit ihrem neuen Bürgermeister sind, dass er sie gut durch diese schwierige Zeit begleitet hat, und dass wir möglichst viele anstehende Projekte auf den Weg gebracht, vielleicht sogar schon umgesetzt haben.

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