Heddesheim. Punkt acht Uhr heißt es: „Hereinspaziert!“ Mit dieser Einladung auf den Lippen schließt Betriebsleiter Christopher Di Vita die Tore zum Badesee in Heddesheim auf. Und die zig Meter lange Warteschlange, die in einem Bogen bis zur Ahornstraße vor der Nordbadenhalle reicht, setzt sich langsam in Bewegung. Wie seit etlichen Jahren haben Irene Finser und Klaus Gerhard auch diesmal die Nase vorne.
Seit vier Uhr morgens stehen die Dauerkartenbesitzer bereits an, um sich für alles Sperrige, das aber genussvolle Tage am See ermöglicht, ein Schließfach zu sichern.
Bäderteam gibt Kaffee und Brezeln aus
Eigentlich müssten sie das gar nicht mehr, denn es stehen mit 600 großen, mittleren und kleinen Spinde laut Gemeindeverwaltung seit 2021 ausreichend viele bereit. Doch das Paar aus Käfertal hält an der Tradition fest. Seine Erklärung leuchtet ein: „Lieber stehen wir schon früh vorne als später am Vormittag stundenlang ganz hinten.“ Die zweite in der Reihe ist eine junge Heddesheimer Mutter, für die ein Tag am See mit der Familie „wie Urlaub“ ist.
Auch für Annette, die dagegen seit 32 Jahren in Heddesheim lebt, gehört die Schlüsselvergabe „einmal im Jahr einfach dazu - dafür stehe ich gerne früh auf, denn jetzt beginnt die Saison“. Obendrein schätzen sie und ihr später dazugestoßener Mann den Kaffee und die Brezeln, die das Bäderteam ausgibt. Ohne Spind gäbe es „einiges zum Herschleppen“, da Annette drei Enkelkinder hat, und das Auto will sie daheim stehenlassen.
Schließfachvergabe
- Insgesamt stehen 600 große, mittlere und kleine Spinde bereit. 2021 war die Zahl der Schließfächer um 50 Prozent erhöht worden.
- Die Größten (30 Euro Miete) eignen sich zum Unterstellen von Liegestühlen und Sonnenschirmen, in den Kleinsten (10 Euro) finden Geldbörsen und Handys Platz.
- Anspruch auf einen Spind haben nur Badegäste, die über eine Saisonkarte verfügen.
- Wer seinen Schlüssel für das Schließfach verliert oder nicht abgibt, muss einen Betrag von 50 Euro zahlen.
„Es ist superpraktisch, meine Liege schon hierzuhaben, so dass ich mit dem Fahrrad herfahren kann“, bekräftigt Daniela Data. „Wunderschön“ sei es am See. Dieter Gärtner hat zwar eine Dauerkarte fürs Freibad in seiner Heimatstadt Ladenburg, wo er gerne seine Kumpel trifft, steht aber für seine Frau an: „Sie schwimmt lieber mit mir im See.“
Das macht Michael Schwind bereits seit 45 Jahren. Mit 16 kam der heutige Heddesheimer noch aus Käfertal an den damals noch nicht umzäunten See: „Da stand der Kiesbagger noch, und zu Essen gab’s nur Rindswurst mit Pommes oder Brot“, erinnert er sich.
Wie eine zweite Heimat
Hatte der Eintritt 1,50 oder zwei Mark gekostet? Nach einem Austausch mit dem Nachbarn einigt man sich auf den kleineren Betrag. „Wir sind aus Käfertal immer mit dem Rad hierher - nicht ins Carl-Benz- oder ins Herzogenriedbad, und auch nicht an den Vogelstangsee, weil’s hier ääfach schää is’“, sagt Schwind auf gut Kurpfälzisch und fügt hinzu: „Das waren Zeiten: Wir waren oft nachts schwimmen.“ Da nicken einige der Umstehenden selig lächelnd mit dem Kopf.
„Der Badesee ist für mich eine zweite Heimat“, meint Elke Späthgeiger. „Morgens beim Kaffee an der Beachbar die Zeitung lesen - das ist wie Urlaub“, sagt Lydia Holl. Beide sind seit mehr als 40 Jahren Gäste.
Das Gesamtangebot überzeugt
Die Faszination bleibt frisch: „Ich bin Frühaufsteher, und der Papa hat gefragt, ob ich mitkommen möchte, und ich habe Ja gesagt“, erklärt Charlie, warum er mit seinem Vater Axel Junker schon unterwegs ist. Der Siebenjährige, der die Hans-Thoma-Grundschule besucht, hat auf der Anlage schwimmen gelernt. „Das beheizte Becken ist das Schönste für ihn“, weiß Papa. Er selbst schätzt auch die Sauberkeit und die Gastronomiemöglichkeiten. Seine Familie ist vor einem Jahr aus Laudenbach zugezogen: „Das Gesamtangebot der Gemeinde hat uns überzeugt: Schule, Betreuung, See, Eisbahn und Verkehrsanbindung“, sagt Junker.
Gemütlich trudelt Helga Pister ein: „Etwas später kriegt man auch noch einen Schlüssel“, sagt die 77-Jährige, die bald täglich am See sein will. „Ich bin eine Wasserratte und möchte körperlich fit bleiben“, erklärt die Turnerin. Sie lobt die Warmduschgebühr von 50 Cent: „Das ist super, weil’s da nimmer so voll ist.“ Bürgermeister Achim Weitz, der sich selbst eher als Frühaufsteher einschätzt, macht es „Spaß, sich mit den Leuten zu unterhalten“. Obwohl erst seit knapp einem Jahr im Amt, ist ihm als früherem Leiter des Heddesheimer Ordnungsamtes die ebenso geduldige wie gesellige Warteschlange freilich längst bekannt.
„Bei der Anzahl der Spinde wäre es nicht mehr nötig, aber die Leute wollen auf Nummer sicher gehen und stellen sich an“, so Weitz. Das sei „mittlerweile ein kleines Event geworden“, das die Gemeinde weiterhin bewirte. Er genießt Gespräche und sagt: „Ich fühle mich von Tag eins an wohl und super angekommen im Amt des Bürgermeisters.“
Für Bäderchef Di Vita ist dieser Vormittag „bereits ein kleiner Abschied“. Zwar bleibt er in Heddesheim wohnen, doch wechselt er beruflich nach dieser Saison zum Bad einer anderen Kommune. „Ich bin aber noch bis September wie immer mit Herzblut dabei“, sagt der 32-Jährige, der in Heddesheim seine Ausbildung absolviert und sich „immer wohlgefühlt“ hat. Es freut ihn, dass das Wetter passt und sogar die Sonne scheint.
Das Seewasser hat sich seit der vergangenen Woche um drei auf 16 Grad erwärmt. Ein Bad dürfte sich aber immer noch sehr erfrischend anfühlen. Dennoch stürzen sich einige tapfer ins Wasser. Di Vita kennt das: „Ja, das ist immer so“, sagt er und lacht. Es läuft auf der Anlage: Immer mehr Klappliegen und Decken wandern in Spinde. Viele belohnen sich zum Abschluss mit Kaffee und Brezeln fürs Warten.
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