Edingen-Neckarhausen. Am Partnerschaftskreisel am Schloss in Neckarhausen herrscht am Samstagnachmittag reges Treiben. Familien mit Kindern, alte und junge Menschen – viele davon auch ausgestattet mit Plakaten – warten kurz vor 14 Uhr bis es losgeht, während Mitarbeiter des Bauhofes den Polizeibeamten noch bei der Regelung des Straßenverkehrs helfen. Sie haben sich zu einer Demonstration zusammengefunden, um für eine wehrhafte Demokratie und gegen Rechtsextremismus, Ausgrenzung, Fremdenhass und Hetze aufzustehen.
„Nie wieder ist jetzt“ hatten die Organisatoren der Demonstration auf die Einladungsplakate geschrieben. Dem konnten sich viele Bürgerinnen und Bürger sowie viele weitere ortsansässige Initiativen, Parteien und Kirchen anschließen. Am Samstagnachmittag zogen sie alle gemeinsam vom Schloss in Neckarhausen zum Messplatz in Edingen, wo sich eine Kundgebung anschloss.
Fußmarsch von Neckarhausen nach Edingen
200 Teilnehmer waren angemeldet, gekommen sind weit mehr. Dem Demonstrationszug schließen sich immer wieder Menschen an, so dass in der Spitze zwischen 500 und 600 mitlaufen. Das schätzt sowohl Mitorganisator und Gemeinderat Walter Heilmann (Grüne) als auch die Polizei vor Ort so ein.
„ENNE ist bunt, nicht braun“, „Kein Bock auf Nazis“, „Menschenrechte statt rechte Menschen“, „Wehret den Anfängen“ – das ist nur eine Auswahl an Sprüchen, die man auf Plakaten lesen kann. Rund zwei Kilometer geht es über die Hauptstraße nach Edingen, vorbei an ersten Vorboten des Frühlings. Es liegt Mut in der Luft – und Leichtigkeit. Aus einem Lautsprecher ertönt „Heal the World“ von Michael Jackson.
Angekommen am Messplatz in Edingen startet Gerwig Köster als erster von mehreren Rednern. Er und Friederike Köster sowie Renate Häfner-Winter hatten die Aktion verantwortlich geleitet. Köster, der seit 45 Jahren in Edingen Zuhause ist, sagt, er sei „Migrant aus dem Rheinland“. Er erinnert eindrücklich daran, wer die Menschen waren, die die Weichen für die Nationalsozialisten gestellt haben. „Wir sind keine anderen Menschen als es unsere Eltern und Großeltern waren“, sagt er.
Bürgermeister-Stellvertreter Dietrich Herold ruft als Redner die menschliche Lichterkette in Erinnerung, die sich im Januar 1993 im Ort vor dem Hintergrund des damaligen Fremdenhasses in Deutschland zusammengefunden hatte. „Leider ist das noch immer aktuell“, sagt Herold. Die Menschen aus etwa 100 Nationen in Edingen-Neckarhausen „wollen sich sicher fühlen dürfen“. Mit seinem Abschlusssatz „Nie wieder ist immer“, erntet er Applaus.
Der Messplatz leert sich mit der Zeit. Teilnehmende mit Kindern oder ältere Menschen machen sich auf den Heimweg. Aber es bleiben weiter viele. Sie werden von wärmenden Sonnenstrahlen belohnt. Silke Allenberg stimmt „Imagine“ von John Lennon an. Unterstützt wird sie von Gitarrenlehrer und Gemeinderat Stephan Kraus-Vierling ( UBL-FDP/FWV), im Ort als „Stips“ bekannt, und weiteren Musikern.
Musik zwischen Reden
Der evangelische Pfarrer Bernd Kreissig spricht stellvertretend für die christlichen Gemeinden. Er erinnert daran, dass auch Kirchen „millionenfaches Verbrechen, Tod und einen Weltenbrand mit ermöglicht“ haben. Dass 2024 Christen und Kirchen „auf der richtigen Seite stehen“, sei wichtig. Die ehemalige Rektorin der Pestalozzischule, Renate Wacker, erklärt in ihrem Beitrag, warum nach der reformpädagogischen Zeit der Nationalsozialismus Fuß fassen konnte. „Der Staat, das sind wir“, sagt sie und weiter: „Wir lernen von den Kindern, offen und neugierig zu sein.“
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Die Redebeiträge werden aufgelockert durch Lieder, dargeboten von der Gruppe um Kraus-Vierling. Bei „We shall overcome“ stimmen viele mit ein. Monika Schirring vom Bündnis für Flüchtlingshilfe (BfF) erzählt von ihren Erfahrungen mit Geflüchteten – insbesondere der Arbeit mit Auszubildenden. „Viele sind von der Demokratie tief beeindruckt und davon, was sie bedeutet. Denn viele von ihnen haben sie nie erlebt“, sagt Schirring. Geflüchtete Menschen zu verlieren, bedeute auch die Wirtschaft zu schwächen.
Der in Chile geborene Hermann Ungerer Henríquez, Leiter der Volkshochschule, verdeutlicht, welche Macht Sprache hat. Demokraten müssten aufpassen, wie weit die „Grenze des Sagbaren“ verschoben werden kann. Dennoch dürfe man nicht aufhören mit Menschen, die eine andere Meinung haben, im Gespräch zu bleiben. Susanne Surblys, IGP Jumelage, geht in ihrem Beitrag auf die Stärkung der deutsch-französischen Beziehungen ein und was die Gesellschaft heute noch davon lernen kann. Jürgen Wacker, langjähriger Ärztlicher Direktor der Bruchsaler Frauenklinik, bildet den Abschluss und erinnert unter anderem an den Tag des russischen Angriffs auf die Ukraine, der sich zum zweiten Mal jährte. Was nach rund zwei Stunden bleibt? Eine Stärkung des Wir-Gefühls.
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