Der Gemeinderat von Edingen-Neckarhausen wird in einer Sondersitzung im August die weiteren Modalitäten für die vorgezogene Neuwahl des Bürgermeisters festlegen. Das hat Noch-Amtsinhaber Simon Michler (CDU) am Donnerstag im Gespräch mit dem „MM“ angekündigt. Edgar Wunder (Die Linke) hatte bereits eine Sondersitzung beantragt, damit nach dem überraschenden Wechsel von Michler nach Niederstetten möglichst schnell die Weichen für eine Nachfolge gestellt werden.
Michler: „Riesenchance für mich“
Wie berichtet, war Michler am Mittwochabend in der Kleinstadt Niederstetten im Main-Tauber-Kreis zum Amtsverweser gewählt worden. Die Entscheidung im Rat fiel einstimmig. Damit kann Michler am 1. Oktober sein Amt dort antreten und die Geschäfte der vorläufig vom Dienst enthobenen Bürgermeisterin führen. „Das ist eine Riesenchance für mich, Bürgermeister bleiben zu können“, sagte Michler dem „MM“. Wie lange er Amtsverweser sein wird, hängt unter anderem von einem Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg ab, mit dem die Amtsinhaberin gegen ihre Enthebung klagt. Sollte sie Erfolg haben, wäre Michler aber immerhin Hauptamtsleiter in Niederstetten und würde sich von dieser Position aus dann bei der nächsten Wahl spätestens in drei Jahren als Bürgermeister bewerben.
Dass Michler in der Kleinstadt deutlich weniger verdient als in Edingen-Neckarhausen, stört ihn nach eigenen Angaben nicht. „Geld hat mich noch nie angetrieben“, erklärt er. Wichtig sei es ihm, eine Kommune zu gestalten, und hierfür gebe es im strukturschwachen Niederstetten große Möglichkeiten, zumal im Gemeinderat alle an einem Strang zögen.
Abgesehen von einem einwöchigen Urlaub am Bodensee und seinem Umzug Ende September werde er in den verbleibenden Wochen seine ganze Kraft für Edingen-Neckarhausen einsetzen, versichert er. Zudem lägen für mehrere Projekte die fertigen Konzepte in der Schublade, beispielsweise für den Umzug des Hundesports ins Sportzentrum oder für den Neubau des Hilfeleistungszentrums. „Ich kann guten Gewissens sagen, dass ich mein Bestes gegeben habe“, erklärt der scheidende Bürgermeister.
Jetzt zu gehen und nicht noch ein Jahr zu bleiben, sei für alle Beteiligten die beste Lösung, glaubt Michler. Das sehen auch die Fraktionen des Gemeinderates im Wesentlichen so. Der Rückzug sei nur eine logische Folge seiner Erklärung, im nächsten Jahr hier nicht mehr kandidieren zu wollen, findet Klaus Merkle von der Unabhängigen Bürgerliste (UBL-FDP/FWV): „Ich hoffe für ihn, dass es eine interessante Aufgabe ist, die ihn in Niederstetten erwartet und wünsche ihm dort viel Glück und Erfolg.“
Lukas Schöfer (CDU) zeigt sich erleichtert: „Jetzt haben wir Gewissheit.“ SPD-Fraktionschef Michael Bangert schreibt: „Der Rückzug von Simon Michler wird von unserer Seite mit dem gebotenen Respekt zur Kenntnis genommen. Wir hoffen für ihn und die Stadt Niederstetten, dass er die notwendigen Lehren aus seiner Zeit in Edingen-Neckarhausen zieht und sich die Lösung als Amtsverweser für beide Seiten glücklich entwickelt.“ Auf den ökologischen Schwerpunkt stellt Thomas Hoffmann von der Offenen Grünen Liste (OGL) ab: „Sein vorzeitiger Rückzug beinhaltet die Chance, dass dem Klimaschutz früher das ihm zukommende Gewicht eingeräumt wird“. Auch für Edgar Wunder (Die Linke) kommt der Rückzug wie erwartet. Er bewundere den Mut Michlers, sich ausgerechnet Niederstetten auszusuchen, wo die Verhältnisse „zerrüttet“ seien. Ulf Wacker (parteilos), 2015 selbst angetreten, bewertet Michlers Entscheidung in der gegebenen Situation als gut. Sowohl „uns hier in der Gemeinde“ als auch ihm und seiner Familie ermögliche das einen Neuanfang.
Georg Koch kandidiert nicht
Eine eigene Kandidatur schließen Ulf Wacker, Michael Bangert, Thomas Hoffmann und Edgar Wunder aus. Klaus Merkle lässt die Frage unbeantwortet. Georg Koch (FDP) hat eine mögliche Bewerbung dementiert: „Da ich mit Leib und Seele Landwirt bin und meine Familie diese Begeisterung mitträgt, gibt es für uns keine Alternative zur Entscheidung für die Landwirtschaft im Einklang mit der Familie.“
Was die Ratsfraktionen in Edingen-Neckarhausen sagen
Wir haben die Fraktionen des Gemeinderates Edingen-Neckarhausen befragt. Hier unsere Fragen und die schriftlichen Antworten darauf:
Wie bewerten Sie Michlers vorzeitigen Rückzug?
Klaus Merkle (UBL-FDP/FWV): Es ist nicht überraschend, dass Herr Michler sein Amt vorzeitig aufgibt, sondern nur eine logische Folge seiner Erklärung, im nächsten Jahr hier nicht mehr kandidieren zu wollen. Ich hoffe für ihn, dass es eine interessante Aufgabe ist, die ihn in Niederstetten erwartet und wünsche ihm dort viel Glück und Erfolg.
Lukas Schöfer (CDU): Mit seinem vorzeitigen Wechsel war durchaus zu rechnen, da er diese grundsätzliche Absicht bereits im Vorfeld offen kommuniziert hatte. Allerdings war bis gestern Abend unklar, ob und wann dieser Zeitpunkt eintreten würde. Jetzt haben wir Gewissheit.
Thomas Hoffmann (OGL): Für Bürgermeister Michler waren die Themen Umwelt – und Naturschutz sowie klimafreundliche Mobilität keine Hauptanliegen. Insoweit entsprach seine Politik nicht den Anforderungen und Notwendigkeiten einer Gemeinde in einem Verdichtungsraum. Sein vorzeitiger Rückzug beinhaltet die Chance, dass diesen Themen früher das ihnen zukommende Gewicht eingeräumt wird. Beim Klimaschutz ist das ja schon längst überfällig.
Michael Bangert (SPD): Der Rückzug von Simon Michler wird von unserer Seite mit dem gebotenen Respekt zur Kenntnis genommen. Wir hoffen für ihn und die Stadt Niederstetten, dass er die notwendigen Lehren aus seiner Zeit in Edingen-Neckarhausen zieht und sich die Lösung als Amtsverweser für beide Seiten glücklich entwickelt.
Edgar Wunder (Die Linke): Er kommt wie erwartet. Dass er nach seinem erklärten Verzicht auf eine erneute Kandidatur nicht das Ende seiner Amtszeit abwarten, sondern Edingen-Neckarhausen so schnell wie möglich verlassen wird, war jedem klar. Beeindruckt bin ich aber davon, dass er ausgerechnet Niederstetten ausgewählt hat. Denn das zeugt von großem Mut. In Niederstetten sind die Verhältnisse völlig zerrüttet, dort laufenden Strafanzeigen des Gemeinderats gegen die ihres Amtes enthobene CDU-Bürgermeisterin Heike Naber wegen Urkundenfälschung und Veruntreuung von Haushaltsgeldern. Im Vergleich zu den dortigen Verhältnissen ist die Lage in Edingen-Neckarhausen harmlos und harmonisch. So lange der Verwaltungsgerichtshof noch nicht entschieden hat, ob die Amtsenthebung der Bürgermeisterin in Niederstetten rechtmäßig war, übernimmt Simon Michler nun dort eine vorläufige Stellvertretung ("Amtsverweser"). Gewinnt Naber den laufenden Gerichtsprozess, ist Michler seinen dortigen Job sofort wieder los. Wenn er in Niederstetten Bürgermeister werden will, setzt dies erstens einen günstigen Ausgang des noch laufenden Gerichtsprozesses voraus und zweitens, sich er sich in den ersten Wochen und Monaten seines Wirkens als Amtsverweser in Niederstetten so bewährt, dass er ein breites Vertrauen in der Gemeinde gewinnt, um die dann erst anstehende Bürgermeisterwahl gewinnen zu können. Das ist in einer so verworrenen und schwierigen Lage wie in Niederstetten hochriskant, weshalb sich nicht viele auf diesen Job beworben haben dürften. Ich wünsche ihm viel Erfolg, diese große Herausforderung zu meistern. So wie ich ihn kennengelernt habe, auch mit allen Schwächen, traue ich ihm das zu. Einfach werden wird es aber sicher nicht.
Ulf Wacker (parteilos): In der gegebenen Situation ist das eine gute Entscheidung von Simon Michler, die sowohl uns hier in der Gemeinde, als auch ihm und seiner Familie einen Neuanfang ermöglicht.
Haben Sie persönlich die Absicht, sich um die Nachfolge von Bürgermeister Michler zu bewerben?
Klaus Merkle (UBL-FDP/FWV): Um eine Kandidatin oder einen Kandidaten zu bestimmen ist es noch zu früh. Das muss gut überlegt sein.
Lukas Schöfer (CDU): Seitens der Fraktion und örtlichen CDU befinden wir uns im engen Austausch mit potenziellen Kandidaten, die ihr Interesse bekundet haben, darum können wir zum jetzigen Zeitpunkt hierzu keine Angaben machen und bitten daher um Ihr Verständnis.
Michael Bangert (SPD): Für mich schließe ich eine erneute Kandidatur aus.
Thomas Hoffmann (OGL): Ich selbst werde nicht kandidieren. Aber eine Kandidatur aus unseren grünen Reihen ist durchaus möglich.
Ulf Wacker (parteilos): Ich habe nicht vor zu kandidieren.
Was sagen Sie zu Michlers Aussage: "In Edingen-Neckarhausen war ich vom ersten Tag an teilweise heftigen persönlichen Angriffen ausgesetzt, die spätestens seit Juni 2021 das menschlich erträgliche Maß für meine Familie und mich deutlich überschritten haben."?
Klaus Merkle (UBL-FDP/FWV): Wir müssen jetzt nach vorne schauen. Es gibt hier viel zu tun. Die Neuwahl muss noch in diesem Jahr stattfinden. Wir werden die neue Situation jetzt intern besprechen und dann die weiteren Schritte auch mit den anderen Fraktionen abstimmen.
Lukas Schöfer (CDU): Diesbezüglich hatten wir bereits in der Vergangenheit deutlich Stellung bezogen und dabei bestimmte Vorgänge, ganz gleich von welcher Seite, deutlich verurteilt und zu mehr Kollegialität und Fairness im Umgang miteinander aufgerufen. Seitdem hat sich einiges hin zum Besseren entwickelt. Der Umgang miteinander hat sich wieder normalisiert. Nun geht es für alle Beteiligten darum nach vorne zu schauen und aus der Vergangenheit die richtigen Schlüsse zu ziehen, damit so etwas in Zukunft nicht mehr passieren wird.
Thomas Hoffmann (OGL): Wir hatten in den Gemeinderatssitzungen gelegentlich deutliche Auseinandersetzungen, die aber immer auf der sachlichen Ebene blieben. An persönlichen Angriffen und "hinterlistige Machenschaften“, wie er im Amtsblatt schreibt, waren wir nicht beteiligt.
Michael Bangert (SPD): Für meine Fraktion und mich kann ich die angesprochenen persönlichen Angriffe ausschließen. Wir haben die notwendige Kritik an Herrn Michler immer offen und für alle Seiten in Gemeinderat und Presse nachlesbar geübt. Es wäre schön, wenn Herr Michler bei seinen Anschuldigungen endlich einmal Roß und Reiter, also konkrete Vorfälle und Tatsachen nennen würde. Dann wären eventuell Betroffene auch in der Lage zu antworten. Mit dem Stil, den er hier seit Monaten pflegt, bleibt alles im Ungefähren. Dies ist keine Art, solche Vorwürfe zu erheben.
Edgar Wunder: Ich kann die persönliche Verbitterung nachvollziehen. Trotzdem ist ein solches Urteil sehr einseitig und nicht geeignet, um zu verstehen, warum Simon Michler in Edingen-Neckarhausen als Bürgermeister gescheitert ist. Dazu würde auch eine Analyse der eigenen begangenen Fehler gehören, die immer schwierig ist.
Ulf Wacker (parteilos): Seine Vorwürfe sind - soweit ich die Vorgänge mitbekommen habe - nicht gerechtfertigt.
Bis wann wollen Sie einen Bewerber nennen?
Klaus Merkle (UBL-FDP/FWV): Um eine Kandidatin oder einen Kandidaten zu bestimmen, ist es noch zu früh. Das muss gut überlegt sein.
Lukas Schöfer: CDU: Sobald die internen Abstimmungen beendet sein werden und man sich auf eine Kandidatin/Kandidaten geeinigt hat. Wann genau das sein wird, kann Stand heute niemand verlässlich sagen.
Michael Bangert (SPD): Meine Partei wird über Kandidaturen für das Bürgermeisteramt beraten und sich zu gegebener Zeit an die Öffentlichkeit wenden.
Thomas Hoffmann (OGL): Über das Weitere werden wir in den nächsten Wochen in aller Ruhe beraten.
Edgar Wunder (Die Linke): Die Rolle der Linken in Edingen-Neckarhausen ist nicht die, den Bürgermeister stellen zu wollen. Wir werden völlig unabhängig von Fragen der Parteizugehörigkeit oder der politischen Richtung denjenigen Kandidaten bei der Bürgermeisterwahl unterstützen, den wir fachlich wie menschlich am besten geeignet für dieses Amt halten. Wir werden uns konstruktiv in die Bewerbersuche mit einbringen, im Austausch mit allen anderen Fraktionen im Gemeinderat.
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