Edingen - Crème de la Crème des Jazz aus vier Ländern / Mehr als 300 begeisterte Besucher aus dem Messplatz

"MorgenJazz" beschert Besuchern eine Weltpremiere

Von 
Achim Wirths
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Bei der Verpflichtung der aus Moskau stammenden und in Frankenthal lebenden Pianistin Regina Litvinova konnten die "MorgenJazz"-Organisatoren das beim besten Willen nicht ahnen: Ihr Lehrer, der an der Hochschule für Musik in Leipzig eine Professur für Jazzklavier hat, wollte es sich nicht nehmen las-sen, dabei zu sein, als er davon hörte. Und das wiederum ist niemand geringeres als der legendäre Richie Beirach. Sie holten sich noch Drummer Christian Scheuber dazu, probten vor sechs Monaten zum ersten Mal - und Edingen erlebte am Samstag vor Pfingstem eine Weltpremiere: den ersten öffentlichen Auftritt des Trios "Coming together".

Traumhaftes Wetter und ebenso traumhafte Musik lockten weit über 300 Besucher auf den Edinger Messplatz. Freie Plätze fanden sich nur noch dort, wohin die Schirme keinen Schatten geworfen hatten. Der Biergarten des Bistros "El El" war brechend voll, auch die Stufen zum Schützenhaus wurden genutzt. Am Bierwagen kamen die Zapfer kaum noch nach, dem "El El"-Team am Grill ging es nicht viel anders.

Was schreibt man nun über dieses Konzert? Dass mit Richie (67), Christian (50) und Regina (34) drei Generationen Jazz auf der Bühne agierten? Dass sie aus drei Ländern - USA, Deutschland, Russland - kommen? Dass Hexenmeister Beirach einen schon unwirklich grandiosen Zauberlehrling Litvinova herangezogen hat, die es fertigbringt, auf den Keyboards Elemente à la Emerson, Lake and Palmer in den Jazz einfließen zu lassen? Dass bei verschiedenen Stücken der Eindruck entstand, dass Beirach mit den 88 Tasten des Flügels nicht auskommt, mit Läufen, dass einem schwindlig wurde, bei denen sich andere Pianisten die Finger eingeklemmt oder ausgekugelt hätten?

Schön, wenn man solche Freunde hat. Schon der erste Blick Richtung Bühne verwunderte: "Jazz-Frühschoppen und Flügel?" Walter Hoffmann vom gleichnamigen Musikhaus in Neuhofen hatte diesen kostenlos zur Verfügung gestellt - es erwies sich als wahrer Segen. Denn im Grunde war es nicht ein, sondern gleich drei Konzerte.

Eingeleitet wurde es durch "Shapes of 4", eine Formation, zu der neben der Litvinova und Drummer Scheuber noch Alt-Saxofonist Jean-François Michel und Bassist Yves Torchinsky gehören. Die beiden waren extra zum "MorgenJazz" aus Dijon beziehungsweise aus Paris angereist, auch Beirach war erst am Tag zuvor aus Leipzig an den Neckar gekommen.

Während Torchinsky einen Klangteppich wob, der mal puristisch daherkam, mal die ganze Bühne zum Swingen brachte, gestaltete Michel sein Sax-Spiel derart intensiv, dass sich auch die letzte Weißwurst freiwillig von ihrer Haut trennte. Und Regina am Flügel: Expressiv bis zum Geht-nicht-mehr, mitreißend, filigran Klangperlen erzeugend, um im nächsten Moment ein Duell mit Christian einzugehen, dem ohnehin der härteste Punch am Jazzschlagzeug nachgesagt wird. Als Krönung klang das Konzert mit allen fünf Akteuren gleichzeitig auf der Bühne aus.

"MM"-Redakteur Hans-Jürgen Emmerich hatte den Gästen in seiner Begrüßung versprochen, dass sie sich auf ein "Konzert der Extraklasse" freuen dürfen. Wenn am Ende sich diese Formulierung noch als untertrieben herausstellt, weiß man wirklich nicht mehr, woher die Superlative noch kommen sollen. Eines ist klar: Mit diesem Konzert haben die Macher - bei all den großartigen "MorgenJazz"-Veranstaltungen, die schon waren - die Messlatte so hoch gesetzt, dass dieses Niveau schwerlich zu toppen sein dürfte. Anders sind Gänsehautschauer bei 30 Grad nicht zu erklären.

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