Landwirtschaft - Landwirt Koch fürchtet wegen Trassenplänen der Bahn um seine Existenz

Landwirt aus Heidelberg fürchtet wegen der Bahn um seine Weideschweine

Von 
Hans-Jürgen Emmerich
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Landwirt Holger Koch mit seinen Freilandschweinen auf der Weide in Grenzhof, im Hintergrund die Bergstraße und der Wasserturm Edingen. © Marcus Schwetasch

„Komm, Rudi, komm“, ruft Landwirt Holger Koch, als er auf dem Freigehege seiner Schweine in Heidelberg-Grenzhof ankommt. Ob jedes seiner Tiere einen eigenen Namen habe? Koch schmunzelt. „Nein, die heißen alle Rudi“, verrät er. Doch zum Lachen ist dem Edinger Landwirt im Moment ganz und gar nicht. Denn er fühlt sich, wie weitere seiner Kollegen, in seiner Existenz bedroht. Schuld daran sind diesmal nicht etwa niedrige Verkaufserlöse oder schlechtes Wetter, sondern Pläne der Deutschen Bahn.

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Konkret geht es um das Projekt Mannheim-Karlsruhe. Laut Bahn zählt das Schienennetz zwischen diesen beiden Städten zu den wichtigsten Bahnverbindungen Europas. „Der Abschnitt gehört zum sogenannten Mittelrhein-Korridor, auf dem Konsum- und Industriegüter zwischen den Regionen und den Hochseehäfen Rotterdam und Genua transportiert werden“, schreibt das Unternehmen auf dem Internetportal für dieses Projekt.

Mehr Güter auf die Schiene

Um diese Verbindung zukunftsfähig zu machen, plant die Bahn einen deutlichen Ausbau der vorhandenen Kapazitäten. Der Neu- und Ausbau der Verbindung zwischen Mannheim und Karlsruhe leiste einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz. 65 000 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr würden dadurch vermieden. Durch zusätzliche Kapazitäten könnten mehr Güter über die Schiene transportiert werden. „Das sorgt für freie Autobahnen, weniger Staus und bessere Luft.“

Bei den betroffenen Landwirten herrscht dagegen dicke Luft angesichts der möglichen Trassenführungen. Landwirt Holger Koch und seine Schweine könnte es besonders hart treffen. Denn eine der Trassen würde mitten durch seinen Stall führen, zwei weitere würden wertvolles Ackerland zerschneiden. „Das größte zusammenhängende Gebiet auch für Niederwild“, klagt Koch: „Hier gibt es noch Fasane und Hasen, und manchmal sieht man sogar ein Reh.“

80 Schweine unter freiem Himmel

Mit der Freilandhaltung der Schweine hat der Landwirt gerade erst begonnen, vergangenes Jahr im August. Rund 80 Tiere leben hier die meiste Zeit des Tages unter freiem Himmel, fressen Luzerne, die hier wächst, suhlen sich im Schlamm. Mit anderen Worten: Sie fühlen sich sauwohl. Die rosafarbigen sind deutsche Edelschweine, bei den braunen handelt es sich um die Rasse Duroc, die für ihr zartes Muskelfleisch mit sehr feiner Marmorierung bekannt ist. Koch: „Das Fleisch ist aromatischer, man schmeckt den Unterschied.“

Vergangenes Jahr hat er vergeblich gegen die Schließung des Schlachthofs Mannheim gekämpft. Statt der zehn Minuten Fahrt dorthin sind seine Tiere jetzt eine Stunde unterwegs, bevor sie in Brensbach im Odenwald geschlachtet werden und als Hälften zurück in den Betrieb kommen, wo sie dann „verwurstelt“ und direkt vermarktet werden. „Die handwerkliche Wurstherstellung ist eine Nische“, erklärt Koch, viele Metzger hätten ihren Betrieb bereits eingestellt. Bevor seine Schweine zu Fleisch und Wurst werden, dürfen sie vier bis fünf Monate in der Natur genießen. Aus den 40 bis 50 Kilo schweren Ferkeln werden dann Schlachttiere, die 130 Kilo auf die Waage bringen. Neben dem Grünfutter auf dem Acker erhalten sie Getreide aus eigenem Anbau. Zum Glück für Koch, denn die Vorräte reichen bis zur nächsten Ernte, und er muss das Futter nicht auf dem freien Markt beschaffen, wo sich die Preise in den vergangenen Monaten nahezu verdoppelt haben.

"Lieber Untertunnelung"

Seine größte Sorge sind aktuell aber die Pläne der Bahn. Wenn sie wahr werden, dann hätten seine Schweine einen Bahnsteig, an denen kein Zug anhält, erklärt Koch bitter. Tatsächlich müsste er seinen Stall dann abbauen. Rudi hätte keine Weide und keine Suhle mehr. Und Kochs Kunden keine Wurst. Sieben Hektar Land nennt der Familienbetrieb heute sein eigen. Die Trasse der Bahn könnte es so zerschneiden, dass sich damit nicht mehr wirtschaftlich arbeiten lässt. Dagegen will Koch bis zum Letzten kämpfen. Die Güterzüge, so erklärt er, könnten auch an andere Stelle fahren, am besten parallel zu bereits vorhandenen Trassen oder in einer Untertunnelung. Für seine Schweine sieht er dagegen keine Ausweichmöglichkeit. Denn die Klassifizierung der Wasserschutzgebiete erlaube die Haltung des Borstenviehs nur rund um den Grenzhof.

Redaktion Aus Leidenschaft Lokalredakteur seit 1990, beim Mannheimer Morgen seit 2000.

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