Interview

Herold wünscht sich mehr Miteinander in Edingen-Neckarhausen

Fast vier Monate lang hat Dietrich Herold die Amtsgeschäfte des Bürgermeisters von Edingen-Neckarhausen geführt. Im Interview blickt er zurück und in das neue Jahr 2023.

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Bürgermeister-Stellvertreter Dietrich Herold zieht im Dezember 2022 im Gespräch mit „MM“-Redakteur Hans-Jürgen Emmerich Bilanz nach fast vier Monaten Führung der Amtsgeschäfte im Rathaus und gibt zugleich einen Ausblick auf 2023. © Marcus Schwetasch

Das Dienstzimmer im Rathaus in Edingen ist für Bürgermeister-Stellvertreter Dietrich Herold in den vergangenen Monaten fast so etwas wie seine zweite Heimat geworden, Hier stellt er sich in der zweiten Dezemberwoche den Fragen des „MM“.

Herr Herold, Sie sind jetzt fast ein Vierteljahr lang als ehrenamtlicher Bürgermeister im Einsatz. Man hat den Eindruck, es macht Ihnen großen Spaß und Sie werden gar nicht amtsmüde...

Dietrich Herold: Amtsmüde werde ich nicht, aber die Arbeit ist schon anstrengend. Sie macht aber Freude, weil man auch Fortschritte merkt und den Zusammenhalt innerhalb der Verwaltung und des Gemeinderates spürt. Drei Monate sind ein ungewöhnlich langer Zeitraum der Vertretung, so lange war dies das letzte Mal 1965, als Bürgermeister Walter erkrankt war.

Hätten Sie Anfang des Jahres gedacht, dass es soweit kommt und die Gemeinde vorzeitig einen Nachfolger für Simon Michler wählen muss?

Herold: Nein, das hätte ich nicht gedacht.

Was glauben Sie, woran ist Michler letztlich gescheitert?

Herold: An seinem Führungsstil und an mangelnder Kommunikationsfähigkeit.

Sehen Sie sich da als Mitglied des Gemeinderates auch in der Mitverantwortung?

Herold: Zur Kommunikation gehören immer mindestens zwei. Aber es heißt nicht, dass beide Seiten nicht kommunikationsbereit waren. Der Gemeinderat hat Herrn Michler immer wieder Gesprächsangebote gemacht.

Mit Michlers Nachfolger Florian König scheint die Zusammenarbeit zu funktionieren. Arbeiten Sie ihn schon ein?

Herold: Ja, natürlich. Das war uns ein Anliegen, dass er möglichst frühzeitig eingebunden wird. Er ist ja einer der Stellvertreter des Bürgermeisters und hat selbst auch schon zwei, drei Wochen die Stellvertretung gemacht. Die Einarbeitung wird noch vertieft zwischen den Jahren, da machen wir eine Amtsübergabe. Da wird er im Detail in alle wesentlichen laufenden Vorgänge Einblick nehmen. Darüber hinaus habe ich ihm angeboten, dass er jederzeit auf mich zukommen kann, wenn er einen Tipp braucht.

Was erwarten Sie vom neuen Bürgermeister?

Herold: Dass er die Defizite, die zweifellos in vielen Bereichen vorhanden sind, aufarbeitet. Die kennt er ja. Was ich ihm hoch anrechne, ist, dass ihm viel an unserer Gemeinde liegt.

Wo sehen Sie denn die größten Defizite?

Herold: Defizite sehe ich insbesondere in der Führung der Verwaltung, in der Kommunikation mit dem Gemeinderat, aber auch mit den Vereinen und mit den Menschen in Edingen-Neckarhausen generell, ebenso in der Vernetzung mit den umliegenden Gemeinden und mit deren Bürgermeistern.

Nach wie vor sind etliche Projekte in der Pipeline. Wann kommt die Bebauung in Edingen-Südwest auf den Tennisplätzen und im Amselweg?

Herold: Ich vermute, dass das im Laufe des Jahres 2023 beginnen kann, Unsicherheitsfaktoren liegen nicht nur im Planungsrechtlichen, sondern infolge des Ukrainekriegs auch in der Ausführung. Ich denke da an Materialmangel, Personalmangel und Kostensteigerungen.

Auch für Neckarhausen Nord ist bereits eine Entscheidung für einen Bauherrn gefallen. Wie ist da der Sachstand?

Herold: Seit Ende Oktober haben wir nichts mehr gehört. Offenbar ist es auch da nicht ganz einfach, in die Realisierung zu gehen, aus den besagten Gründen. Wir haben aber auch nicht gehört, dass es Schwierigkeiten gibt. Da herrscht einfach Funkstille. Aber sechs Wochen sind nicht dramatisch. Wenn es noch etwas länger dauert, werden wir aktiv auf den Investor zugehen. Ich denke, dass auch der neue Bürgermeister Florian König das forcieren will.

Mit der Entwicklung des Geländes von Cooper-Standard in Neu-Edingen steht der Gemeinde ein weiteres Mammutprojekt ins Haus. Wohin wird dort die Reise dort gehen?

Herold: Die Reise wird gehen in ein sehr interessantes Großprojekt für die Sozialstruktur in Neu-Edingen. Das wird quasi ein neues Wohnquartier für alle Bevölkerungsschichten. Es wird preisgedeckeltes Wohnen geben, ein gewisser Anteil wird für Gewerbe sein, also Wohnen und Arbeiten.

Können Sie das etwas genauer sagen?

Herold: Das Gewerbe muss natürlich wohnumfeldfreundlich sein, kein laut produzierendes, sondern zum Beispiel Dienstleistungen. Auch ein Kommunikationszentrum für Neu-Edingen soll da entstehen. Kindergarten, Spielplatz, viel Grün. Da legen wir alle Wert drauf. Es soll ein Wohnquartier werden, das auch zum Verweilen einlädt. Möglicherweise kann man auch Teile des Bestands erhalten, etwa das Verwaltungsgebäude oder das Wohnhaus von Fred-Joachim Schoeps, damit man gewisse Anker hat in die Historie des Areals.

Das hört sich alles schon recht konkret an. Wann wird die Öffentlichkeit darüber informiert?

Herold: Zunächst wird sich der Gemeinderat intensiv damit befassen und dann auch frühzeitig die Bevölkerung einbeziehen. Wir müssen erst einmal sehen, wie die Vorschläge umsetzbar sind, ob es in mehreren Bauabschnitten verwirklicht wird, wovon ich aufgrund der Größe ausgehe. Wir müssen an den Flächennutzungsplan denken und mit der Stadt Mannheim zurechtkommen, zu der ein kleiner Streifen gehört. Ich denke, wir werden im zweiten Halbjahr 2023 erste Vorstellungen und Überlegungen öffentlich präsentieren.

Wie sieht ansonsten der Zeitplan aus?

Herold: Bis die Realisierung beginnen kann, werden wir einen neuen Gemeinderat haben (der wird 2024 gewählt, Anm. d. Red). Die Firma bleibt noch mindestens drei Jahre am Standort, also bis 2025. Das ist ein mittel- oder langfristiges Projekt, kein kurzfristiges. Der Rückbau und die Sanierung des Baugrunds müssen auch erfolgen. Eine verlässliche Jahreszahl kann man Stand heute deshalb noch nicht nennen.

Mit wie vielen neuen Einwohnern rechnen Sie da?

Herold: Das kommt auf den Wohnungszuschnitt an, der von Singles bis Familien reichen wird. Das können durchaus 1500 Einwohner werden, bei 700 bis 800 Wohneinheiten. Wir haben heute rund 2500 Einwohner in Neu-Edingen. Das neue Quartier soll so konzipiert werden, dass es keinen abgeschlossenen neuen Baukörper gibt, sondern sich öffnet zum Bestand.

1500 Einwohner, das ist eine Herausforderung für die Infrastruktur...

Herold: Ja, das muss man wissen. Das ist bei jedem Neubaugebiet so. Da sind Vorleistungen zu erbringen. Da sollte man keine Gewinnabsicht haben. Wir haben hier eine Konversionsfläche, die sinnvoll, bedarfsgerecht und auch umweltverträglich gestaltet werden muss. Die bestehende Infrastruktur darf nicht überfordert werden. Das Ganze geht ja auch in Richtung Friedrichsfeld. Wichtig ist dort ein Kindergarten: Kurze Beine, kurze Wege. Vielleicht kann sich da auch ein kleiner Nahversorger, vielleicht ein Bäcker oder Metzger ansiedeln. Lebensmittelhandel im Großen ist ja in der Nähe vorhanden.

Stichwort Nahversorgung, wie geht es mit Edeka in Neckarhausen-Nord weiter?

Herold: Darüber wird der Gemeinderat im Februar beraten. Ich bin zuversichtlich, dass es einen positiven Beschluss geben wird. Ungeachtet dessen geht es vor allem um die Nahversorgung im Zentrum des Ortes. Eine Lösung dafür könnte ein Teo-Lädchen sein, das ohne Personal auskommt und nur mit Geldkarte betreten werden kann. Natürlich müssen wir da anfangs Menschen helfen, die nicht so affin sind. Das ist so ähnlich wie beim Geldabheben, dann haben wir dort eine Grundversorgung rund um die Uhr. Das ist das eigentliche Erfolgsrezept von Tegut. Wir hatten schon eine Videokonferenz. Wir werden uns potenzielle Standorte in Neckarhausen anschauen. Alles, was man braucht, ist ein Stromanschluss und eine befestigte Fläche. Ungeachtet von Edeka in Neckarhausen-Nord wäre das besser als die jetzige Situation nach Schließung der Markthaus-Filiale.

Wie kommt die Sanierung der Pestalozzischule in Edingen voran? Läuft noch alles nach Plan?

Herold: Ja, ich gehe davon aus. Aktuell haben wir eine Bauzeitverzögerung von drei oder vier Wochen. Mit den Kosten liegen wir im Großen und Ganzen auch im Plan. Es könnte deutlich schlechter laufen. Unser Bauamt ist da sehr hinterher. Ich war selbst vor wenigen Tagen zuletzt auf der Baustelle und habe mich davon überzeugt.

Die Gemeinde hat Taschenlampen, Megafone und Sandsäcke gekauft, aber der Bau eines Feuerwehrhauses tritt immer noch auf der Stelle? Wann und wie geht es da endlich weiter?

Herold: Wir haben ja vor, die Investorenlösung zu realisieren. Da ist der erste Aufschlag schon gemacht. Wir sind mit einem im Gespräch. Der kennt die grundsätzlichen Anforderungen, aber die Details muss man ihm noch zur Verfügung stellen. Entscheidend wird es auf die Vertragsgestaltung ankommen, vor allem, wie die Kosten sind, die auf die Gemeinde zukommen. Da geht es zum einen um die Miete, zum anderen um die Möglichkeit des Rückkaufs. Das kann erst konkret werden, wenn wir den Feuerwehrbedarfsplan aktualisiert haben, das steht jetzt an. Dass das HLZ bei allen Fraktionen ganz oben steht, ist ja bekannt.

Und das geht bei einem Projekt von 15 Millionen Euro alles ohne Ausschreibung?

Herold: Die Suche nach einem Partner ja. Ein Investor ist auch bei der Ausschreibung viel freier. Deutschlandweit gibt es bereits vergleichbare Modelle im sogenannten „Private Public Partnership“ (PPP).

Apropos Finanzen: Wie viele neue Schulden muss die Gemeinde 2023 machen?

Herold: In den Jahren 2021 und 2022 musste trotz vorhandener Kreditermächtigung kein Kredit aufgenommen werden. Derzeit ist der Haushaltsplan in der Endphase der Vorbereitung ist. Für 2023 planen wir Stand heute mit einer Kreditaufnahme von rund drei Millionen Euro.

Wann wird der Entwurf eingebracht?

Herold: Der Entwurf wird den Fraktionen zwischen Weihnachten und Neujahr zugestellt, die Kämmerei steht beratend und erläuternd zur Verfügung. Im Januar wird er beraten, die Details regelt der neue Bürgermeister. Die Verabschiedung ist im Februar vorgesehen, wiederum wie in den Vorjahren mit Verspätung. Eigentlich wäre es wünschenswert, das noch im alten zu tun. Manche Gemeinden schaffen das, aber längst nicht alle.

Mit "1250 Jahre Neckarhausen" steht 2023 ein großes Jubiläum ins Haus. Freuen Sie sich schon auf den Umzug im April und die Festwoche im Juli?

Herold: Ich freue mich auf beides, und ich hoffe, dass es gerade beim Festzug noch Bewegung gibt, dass noch mehr mitmachen. Bei 1200 Jahre gab es einen Super-Festzug, da war ich selbst dabei. Es wäre schön, wenn er in gleicher Vielfalt wie vor acht Jahren in Edingen stattfinden würde. Aber da kann man nur appellieren und nicht zwingen.

Sie waren schon vor 50 Jahren beim Festzug dabei, als was?

Herold: Ich bin nicht mitgelaufen, ich war als Zuschauer dabei.

Es ist wieder ein historischer Festzug geplant. Gehen Sie diesmal mit?

Herold: Ja, da mache ich mit. Alle Gemeinderäte dürfen mitmachen. Dabeisein ist das Ziel.

Was wünschen Sie der Gemeinde Edingen-Neckarhausen fürs neue Jahr?

Herold: Sozialen Frieden, Fortschritt in den Zielen, die der Bürgermeister und der Gemeinderat gemeinsam definieren, eine weiterhin aktive Bürgerschaft und mehr Miteinander und Füreinander statt Gegeneinander.

Sie sind seit 1994 - mit zehn Jahren Unterbrechung - Gemeinderat. Werden Sie bei der Wahl 2024 noch einmal antreten, oder gehen Sie dann auch kommunalpolitisch in den Ruhestand?

Herold: (überlegt) Ich sage mal so: Wenn man mich will, dann wäre ich noch einmal bereit. Andernfalls würde ich auch Platz machen für Neue. Jedenfalls braucht sich meine Fraktion, die UBL-FDP/FWV, über Personalmangel nicht zu beklagen.

Zur Person: Dietrich Herold

  • Geboren: 25. Juli 1954
  • Beruf: Rechtsanwalt
  • Familie: verheiratet, vier Kinder; Sohn von Bürgermeister Werner Herold (Amtszeit 1966 bis 1991)
  • Kommunalpolitik: Gemeinderat der Unabhängigen Bürgerliste (UBL-FDP/FWV) von 1994 bis 1999 und seit 2009; Bürgermeister-Stellvertreter; Kreisrat im Rhein-Neckar-Kreis seit 2006
  • Partei: Mitglied der FDP
  • Ehrenämter: Koordinationsteam Bündnis für Flüchtlingshilfe, FDP-Ortsverbandsvorsitzender bis 2019, Kreisschatzmeister, Stellvertretender Kreisvorsitzender Europa Union, Vorsitzender der gemeinnützigen Albert-Hitzfeld-Stiftung, Vorsitzender Förderverein Gemeindemuseum

 

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