„Ein großer Demokrat“, so schreibt Kurt Stenzel in der Reihe „Bausteine zur Ortsgeschichte“ über Julius Helmstädter. Ein Sozialdemokrat, der für seine politische Überzeugung mit dem Leben bezahlen musste. Am 11. Februar 1945, also vor nunmehr 75 Jahren, kam er unter Herrschaft der Nationalsozialisten im KZ in Dachau ums Leben.
Ein Gedenkstein auf dem Friedhof in Edingen erinnert seit 1949 an ihn, doch das ist der örtlichen Unabhängigen Bürgerliste (UBL-FDP/FWV) nicht genug. Sie hat deshalb beantragt, ein Stück des Neckarweges nach ihm zu benennen. Und zwar einen Teil, der in besonderer Weise mit ihm in Verbindung steht. Denn auf diesem Weg war Helmstädter gemeinsam mit seinem Ratskollegen Simon Brecht am 14. März 1933 aus einer von den Nazis gestürmten Sitzung vorne im früheren Rathaus geflohen und so seiner Verhaftung noch einmal entgangen.
Stolperstein am Wohnhaus
Daneben, so schlägt die UBL vor, soll ein Stolperstein vor dem Wohnhaus Helmstädters in der Hauptstraße 139 verlegt werden. Der Künstler Gunter Demnig erinnert mit dieser Art von Mahnmal an die Opfer der NS-Zeit, indem er vor deren letztem selbstgewähltem Wohnort Gedenktafeln aus Messing ins Trottoir einlässt. Inzwischen liegen mehr als 75 000 seiner Stolpersteine in rund 2000 Kommunen Deutschlands und Europas.
An Helmstädter erinnert ein solcher Stein lediglich in der Karlsruher Ständehausstraße, also dort, wo er 1932/33 als Landtagsabgeordneter dem Badischen Parlament angehörte. Sollte der Gemeinderat dem Vorschlag der UBL folgen, muss sich die Gemeinde noch etwas gedulden. Denn die Steine verlegt Demnig persönlich, und für 2020 ist er bereits restlos ausgebucht.
Da könnte es mit der Benennung des Weges zwischen der Kuhgasse und der Firma Kling Malz deutlich schneller gehen. Dabei wünschen sich die Antragsteller, dass unten am Rathausabgang ein Schild an jenes historische Ereignis des Jahres 1933 erinnert. Das Julius-Helmstädter-Ufer wäre ein Denkmal für einen Edinger, der als Gemeinderat, Landtagsabgeordneter und überzeugter Gegner des Nationalsozialismus in die Geschichte der Gemeinde einging. Die genauen Umstände des Todes des schwer herzkranken politischen Gefangenen sind nach Angaben der UBL ungeklärt.
Wie sehr er bis zuletzt mit seiner Heimat Edingen und seiner dort lebenden Familie verbunden war, zeigen Ausschnitte aus einem Brief, den Helmstädter im KZ seinen Lieben schrieb. „Wie lange es noch dauert, weiß ich nicht, ich hoffe nicht mehr lange“, heißt es da, zitiert im besagten Buch. Im September 1944 sorgt er sich in den handschriftlichen Zeilen auch um seine Haustiere: „Seid mir vorsichtig mit den Hasen.“ Ein „rührendes Dokument der Menschlichkeit angesichts des Terrors“, wie der Autor Kurt Stenzel diese Zeilen nennt.
Helmstädters darin geäußerter Wunsch „auf baldiges Wiedersehen“ sollte nicht in Erfüllung gehen. Am 11. Februar 1945 starb er im KZ Dachau. Sein Idealismus und sein Streben um Freiheit und Gerechtigkeit indes lebten weiter. Sein Sohn Fritz, 1904 in Edingen geboren, war der erste Kreisvorsitzende der SPD in Stuttgart und gehörte zunächst dem Badischen Landtag und von 1952 bis 1968 schließlich dem baden-württembergischen Landtag an. Dessen Sohn Wilfried war von 1972 bis 1980 Abgeordneter im Parlament. Und die Tochter von Julius Helmstädter, Hermine Hofmann, engagierte sich nach 1945 in Edingen für die SPD. Sie war die erste Frau im Gemeinderat, in dem sie von 1948 bis 1951 und von 1959 bis 1968 mitwirkte. Am 12. Juli 2014 starb sie schließlich im gesegneten Alter von 104 Jahren.
Entscheidung am Mittwoch
Ob ihrem Vater Julius Helmstädter mit der Benennung des Neckarufers ein bleibendes Denkmal gesetzt wird, liegt nun in der Hand des heutigen Gemeinderates. Er befasst sich am Mittwoch, 24. Juni, ab 18 Uhr mit dem Antrag der UBL. Ins Drehbuch der Geschichte funkt allerdings das Coronavirus hinein. Die Sitzung findet nicht wie sonst üblich im Bürgersaal das Rathauses in Edingen statt, also direkt neben dem besagten Flussabschnitt, sondern im Ortsteil Neckarhausen, in der Eduard-Schläfer-Halle.
Julius Helmstädter
- Am 17. Juli 1879 wurde Julius Helmstädter in Pforzheim geboren.
- Schon in jungen Jahren kam er nach Edingen. Sein Vater war Zigarrenmacher, er wurde Maurer.
- 1907 war er Gründungsmitglied der SPD in Edingen.
- Von 1913 bis 1933 gehörte er dem Gemeinderat an.
- 1902 bis 1904 war Helmstädter Vorsitzender der „Schwerathleten-Abteilung“, die 1913 in der „Fortuna“ Edingen aufgegangen ist.
- 1944 wurde er verhaftet, am 11. Februar 1945 starb er im KZ Dachau. hje
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