Handwerk

Der letzte Bäcker in Edingen hört auf

Die Bäckerei Stahl in der Hauptstraße bleibt nach der Sommerpause für immer geschlossen. Die Gemeinde sucht einen Nachmieter.

Von 
Hans-Jürgen Emmerich
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Der Laden der Bäckerei Stahl in Edingen bleibt geschlossen. © Marcus Schwetasch

Edingen-Neckarhausen. Jetzt gibt offenbar auch die letzte kleine Bäckerei in Edingen auf. „Wegen Krankheit vorübergehend geschlossen“, steht auf Din-A-4-Zetteln im Schaufenster der Bäckerei Stahl, die die Kunden in dieser Woche vorfanden – statt der erhofften frischen Backwaren nach Ende der sommerlichen Betriebsferien.

Es ist die dritte Bäckerei in Edingen-Neckarhausen, die innerhalb von knapp vier Jahren ihre Türen für immer dicht macht. Im Mai 2022 schlug die Schließung von Kapp in Edingen hohe Wellen. Peter Kapp, Anfang 60, hatte zuletzt drei Filialen in der Gemeinde. Er zählt zu den Spitzenbäckern Deutschlands und ist Autor mehrerer Fachbücher. Die Schließung seiner Bäckerei war nicht nur für Edingen ein schwerer Schlag.

Nach Kapp in Edingen gibt Hemberger in Neckarhausen auf

Vor ziemlich genau einem Jahr kam dann die nächste Hiobsbotschaft für Liebhaber frischer, handgemachter Backwaren. Bäcker Hemberger in Neckarhausen kehrte nach der Sommerpause nicht wie erwartet in die Backstube zurück, sondern machte den Laden für immer dicht. Ein herber Verlust, wie es von vielen Seiten übereinstimmend hieß. Denn Hembergers Backwaren waren weit über Neckarhausen hinaus bekannt und beliebt.

Nun also gibt es auch in der Bäckerei Stahl keine frischen Brötchen mehr, kein Brot, keinen Kuchen, kein Frühstück. Und das, obwohl der Betrieb auf Google durchweg gut bewertet wird und auf 4,7 von 5 möglichen Sternen kommt, bei 200 Rezensionen. „Mindestens einmal die Woche kaufe ich in dieser traditionellen Handwerks-Bäckerei meine Backwaren für den alltäglichen Bedarf und muss eine klare Weiterempfehlung aussprechen“, schreibt dort eine Nicole. Sie lobt die Frische der Waren und schwärmt: „Das Personal bedient unkompliziert und ist immer zu einem amüsanten Schwätzchen aufgelegt.“ Auch gebe es Flexibilität für Extra-Wünsche. Ihr Fazit: „Wir bleiben treu und freuen uns immer wieder auf einen Einkauf bei der Bäckerei Stahl.“

Archivierter Screenshot der Bäckerei Stahl. © Bäckerei Stahl

Doch diese Kundin und viele weitere müssen wohl auf Sortiment und Personal der Bäckerei künftig verzichten. „Wir bedauern sehr, dass die Bäckerei Stahl so nicht weiter fortbestehen wird“, betont Bürgermeister Florian König auf Anfrage. Dies treffe die Gemeinde sowohl als Kunde als auch als Vermieter: „Aber wir haben auch Verständnis für die Eheleute Stahl, die sich ihren Ruhestand längst verdient haben.“

Die Gemeindeverwaltung wünsche sich selbstverständlich, dass es möglichst schnell einen Nachfolger gibt, unterstreicht der Bürgermeister. „Ein neuer Bäcker wäre natürlich super, aber auch Alternativen wären für uns denkbar“, erklärt er weiter. Dem Zufall überlassen will er das aber nicht. „Wir befinden uns schon aktiv in der Nachfolgersuche und hoffen, bald fündig zu werden“, versichert König.

Dieses Schild hängt im Schaufenster der geschlossenen Bäckerei Stahl in Edingen. © Marcus Schwetasch

Firmengeschichte von Stahl begann in Wieblingen

Ihren Ursprung hat die Bäckerei Stahl in Heidelberg-Wieblingen. Dort wurde das Unternehmen 1978 am Weidweg 16 gegründet. Der Umzug in ein größeres, eigenes Anwesen in der Mannheimer Straße 276 erfolgte 1981. In der Folge wurde das Ladengeschäft viermal umgebaut. „Um unseren Kunden immer ein aktuelles Ambiente zu bieten“, wie es in einer älteren Veröffentlichung auf der heute leeren Homepage der Bäckerei (www.baeckereistahl.de) heißt. Beim letzten Umbau im Jahr 2001wurde der Snack-Bereich und das „Backen im Laden“ in Wieblingen der Eintragung zufolge auf den neusten Stand gebracht.

Herzhaftes Frühstück bei der Bäckerei Stahl in Edingen. © Hans-Jürgen Emmerich

Am Standort in der Hauptstraße in Edingen befand sich nur der Verkauf, die eigentliche Backstube war immer außerhalb. Dafür würden an diesem Standort die Räumlichkeiten auch gar nicht ausreichen. Die 100 Quadratmeter sind auf zwei Stockwerke verteilt, wie es von der Gemeinde heißt. Wenn sie jetzt jemanden findet, der das Objekt übernimmt, dann wird das ebenfalls keine vor Ort produzierende Bäckerei sein können, sondern allenfalls eine Verkaufsfiliale.

Die Ludwigshafener Bäckereikette Görtz ist in Edingen einige Meter weiter auf der anderen Seite der Hauptstraße bereits seit einigen Jahren mit Laden und Café vertreten. An einer weiteren Filiale dürfte sie also kein Interesse haben. Die Heidelberger Traditionsbäckerei Riegler, die ihre Backstube in Wieblingen hat, denkt auch nicht daran, sich hier mit einer weiteren Filiale niederzulassen, wie ihr Geschäftsführer Markus Riegler dieser Redaktion auf Anfrage erklärt. Ohnehin heißt bei ihm die Devise: Klasse statt Masse.

Das Ladenlokal der Bäckerei Stahl in Edingen befindet sich in einem Gebäude der kommunalen Bau- und Grundstücks GmbH. © Marcus Schwetasch

Immer mehr kleine Bäckereien in der Region geben auf

In der Region geht einstweilen das Sterben der kleinen Bäckereien weiter. Neben Kapp in Edingen (2022) und Hemberger in Neckarhausen (2024) haben schon zuvor Bäcker Ehrke in Schriesheim (2012), Neupert in Edingen (2013), Knapp in Ladenburg (2018) und Krämer in Heddesheim (2022) aufgegeben. Häufig fehlt es den Inhabern an geeigneten Nachfolgern. Auch der Verdrängungswettbewerb spielt eine große Rolle, wie es aus Kreisen des Bäckerhandwerks heißt.

Falls es in Edingen trotzdem jemand wagt, Brot und Brötchen anzubieten: Interessenten für die Räumlichkeiten können sich bei dem Geschäftsführer der Bau- und Grundstücks GmbH, Benjamin Gerhold (benjamin.gerhold@edingen-neckarhausen.de) melden. „Auch eine Übernahme des Bäckerei-Inventars wäre möglich“, lässt Bürgermeister König wissen. Auch für die bisherigen Inhaber hat er ein paar nette Worte übrig: „Der Familie Stahl wünschen wir für die Zukunft alles Gute.“

Redaktion Aus Leidenschaft Lokalredakteur seit 1990, beim Mannheimer Morgen seit 2000.

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