Bürstadt. Die städtebauliche Entwicklung der Bürstädter Innenstadt ist in den vergangenen zehn Jahren geprägt von einer besonders großen Tatkraft. Eine Dekade, in der viel Geld in zentrale Strukturen und zukunftsfähige Quartiere investiert wurde. Bürgermeisterin Bärbel Schader, die seit Sommer 2013 die Rathauschefin ist, schaltete den Stadtumbau-Turbo ein. In den elf Jahren ihrer bisherigen Amtszeit wurden rund 20 Millionen Euro verbaut. Eines der prominenten Großprojekte war die Umgestaltung des Marktplatzes und der angrenzenden Passage zur Nibelungenstraße. Eine Meile, die am Samstag in den Blickpunkt gerückt wurde.
Der Aktionstag unter dem Titel „Zehn Jahre Marktplatz und lebendige Innenstadt“ war zwar nicht besonders gut besucht, bot aber eine sehr plastische Retrospektive über ein erfolgreiches Kapitel individueller Stadtplanung. Gemeinsam mit der in Bürstadt aufgewachsenen Schauspielerin und Kabarettistin Yvonne Hotz führte Schader während einer sehr kommunikativen Inszenierung zu drei Stationen, die beispielhaft für die Vitalisierung einer lebendigen Innenstadt stehen. Im Dialog mit lokalen Akteuren öffnete sich die jüngere Biografie der Stadt als elementarer Schritt in eine urbane Zukunft, die man immer wieder neu erfinden muss.
Ein Blick zurück auf die Anfänge als Siedlung
„Nichts ist statisch“, sagte Schader über die Dynamik einer Stadt, die schon immer von neuen Impulsen geprägt und geleitet wurde. Klaus Grinda vom Verein für Heimatgeschichte Bürstadt bestätigte dies auf einer völlig anderen Ebene: Auf dem Balkon des Historischen Rathauses skizzierte er die Vergangenheit der Siedlung, die auf über 1250 Jahre Stadtgeschichte zurückblickt. Erstmals wurde Bürstadt am 1. November 767 im Lorscher Codex urkundlich erwähnt. Doch die Ursprünge dürften viel weiter zurückreichen. Vor über neun Jahren wurde im Sonneneck ein etwa 7100 Jahre altes Skelett gefunden - weitaus älter als der in den Südtiroler-Alpen tiefgefrorene Ötzi. Die Reste dieses „Ur-Bürstädters“ und weitere Artefakte werden im Hessischen Landesmuseum in Darmstadt aufbewahrt.
Jede Epoche der wechselhaften Geschichte von Wandel geprägt
„Es gab hier immer schon einen lebendigen Austausch“, betonte Grinda und verwies auf die wechselhafte Siedlungsgeschichte des Ortes, der von Römern, Alemannen, Franken und Germanen aus dem Osten geprägt war. Migration gehöre zum Leben in Bürstadt, jede Epoche sei von Wandel geprägt. Dies sei auch heute nicht anders. „Von Grenzen lassen sich die Menschen nicht aufhalten“, so der leidenschaftliche Historiker im Gespräch mit Yvonne Hotz. Die Teilnehmer lauschten bei einem Glas Sekt auf der neu gestalteten Terrasse vor dem Historischen Rathaus, das 2003 umfassend saniert worden war. Das Obergeschoss mit seinem festlichen Ambiente dient als die „Gute Stube“ der Stadt.
Beginn der interaktiven Tour war der Marktplatz, wo eine Bilderausstellung optisch die Zeit vor und nach der Umgestaltung verdeutlichte. Über die Entstehung des Projekts Back- und Brauhaus sprachen die Stadtführerinnen mit Friedel Drayß. 2017 hatte er in der neuen Mitte Bürstadts einen gastronomisch-gesellschaftlichen Anziehungspunkt geschaffen. Bereits 2009 wurde die Erneuerung des Haag‘schen Geländes als Maßnahme von hoher Priorität definiert, so Bärbel Schader unter der Markthalle. Es folgten Workshops, Ideensammlungen und Planungswerkstätten im Kontext des prominenten Teilraumkonzepts, das letztlich das gesamte Gesicht der Innenstadt freundlicher, funktionaler und kommunikativer gemacht hat.
Ein Konzept zur Stärkung der Innenstadt
Aus vielen visionären Puzzleteilen wurde ein homogenes, gleichsam begehbares Gesamtkonzept. Mitte Mai 2014 erfolgte die Einweihung. „Es musste damals alles schnell gehen“, erinnert sich Stadtplaner Christian Schwarzer an die Entwicklung eines integrierten Handlungskonzepts, das den Rahmen für die Umsetzung des Förderprogramms „Aktive Kernbereiche” und damit die Grundlage für die zukünftige Entwicklung der Bürstädter Innenstadt definierte. Es ging dabei zuvorderst um klare Leitlinien und um Strategien zur Stärkung der Innenstadt. Ohne ein offenes Visier und den Mut zur Veränderung gehe es nicht, betont die Bürgermeisterin. Zukunft bedeute permanenten Wandel und regelmäßigen Austausch mit allen Mitgliedern der Stadtgesellschaft. Ein Musterbeispiel für einen Dialog erlebten die Teilnehmer im Interkulturellen Büro direkt neben dem Historischen Rathaus: Im „MITtendrin“ sind seit Frühjahr Seniorenbeirat, Inklusionsbeirat und Integrationskommission sowie weitere Beratungsangebote gebündelt.
Die zentralen sozialen Akteure agieren unter einem Dach. Auch die psychosozialen Fachkräfte (PauLa) sind dort räumlich angegliedert. Für den Umbau wurden Mittel aus dem hessischen Förderprogramm „Zukunft Innenstadt“ genutzt. Abdulla Gdoura aus dem 16-köpfigen Team des Interkulturellen Büros lobte die lokalen Impulse für ein besseres Miteinander auch auf internationaler Ebene. Es sei hier in den letzten Jahren eine Menge Positives passiert. Unter seiner Leitung wurden am Samstag in der Passage kulturelle Genüsse kulinarischer und künstlerischer Art serviert: türkischer Mokka, Süßes aus Polen, Tattoos aus Henna. Tamilische Gruppen führten an der Ecke Nibelungenstraße traditionelle Tänze auf. 19 Prozent der Bürstädter Bevölkerung sind Einwanderer.
Ideen zur neuen Gestaltung der Passage vorgestellt
Die Verbindung zwischen dem zentralen Marktplatz - der neuen Mitte - und der gewerblich geprägten Nibelungenstraße ist ein lebendiger Korridor. Ein Raum der Begegnung und Erholung, so Carina Cestaro. Die neue Fachbereichsleiterin für Stadtplanung und Umwelt präsentierte die Ideen zur Weiterentwicklung der Passage.
Unter dem Motto „Grün trifft Kultur“ soll ein Ort entstehen, der kulturelle Vielfalt und soziales Miteinander betont und dabei auch Aspekte des Klimawandels berücksichtigt: Durch Räume der Begegnung und viel Grün sollen ein angenehmes Mikroklima und damit auch die Aufenthalts- und Lebensqualität gesteigert werden. Die Gabionenwand wird in das pflanzliche Konzept integriert, flankiert von Bereichen für Urbanen Gartenbau im Kontext des Ansatzes „essbare Stadt“. Die Passage soll nicht nur Durchgang sein, sondern ein eigenständiger Ort zum Verweilen und Kommunizieren, so Carina Cestaro, die ein Modell der künftigen Gestaltungsmöglichkeiten mitgebracht hatte.
In der Passage klang die dreistündige Veranstaltung aus, die am bundesweiten Tag der Städtebauförderung unter dem Motto „Wir im Quartier“ organisiert worden war. An diesem Tag sollen Kommunen und Bürger die Erfolge der Städtebauförderung feiern, sich über aktuelle Planungen informieren und aktiv an der Ausgestaltung ihres Lebensumfelds mitwirken.
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