Wohnen

Traum vom Eigenheim im Neubaugebiet in Bobstadt getrübt

Erst hat Familie Kulig lange auf den Glasfaseranschluss gewartet, jetzt droht neues Ungemach im Neubagebiet Langgewann im Bürstädter Stadtteil Bobstadt, der die Anwohner umtreibt

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Corinna Busalt
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Viele Monate haben sie auf den Internetanschluss im Neubaugebiet Langgewann gewartet, jetzt haben sie endlich einen: Kamil Kulig (l.) und Dirk Albat. © Berno Nix

Bürstadt. Im Januar hat Kamil Kulig die erste Wand gemauert, im November ist er eingezogen. „Wir waren die ersten hier“, sagt der 34-Jährige in seinem Haus im Bobstädter Langgewann. Aus Lampertheim kommt die Familie und fühlt sich nun sehr wohl so nah am Feldrand. „Wenn wir nicht so viel Theater mit dem Internet gehabt hätten, wäre es noch besser.“ Zig Mal hat Kulig mit den Nachbarn beim Versorger EWR angerufen, um zu fragen, wann das Glasfaserkabel angeschlossen wird. Nach der Anfrage dieser Redaktion, warum das so lange dauert, ging es plötzlich ganz schnell - dabei hieß es noch kurz zuvor, das Langgewann stehe in der Prioritätenliste unten.

Nun hat Familie Kulig schnelles Internet, macht sich aber neue Sorgen: Im Neubaugebiet soll ein Mehrfamilienhaus entstehen. Um mehr zu erfahren, verfolgt eine ganze Gruppe die Sitzung des Bauausschusses und wie die Mehrheit der Kommunalpolitiker die dafür nötige Änderung des Bebauungsplans im Langgewann befürwortet.

Das Baugebiet Langgewann

Im Wohnbaugebiet Langgewann in Bobstadt hat die Bürstädter Grundstücksentwicklungs Gesellschaft (BGE) - eine Tochter der Stadt Bürstadt - insgesamt 29 Baugrundstücke zwischen 302 und 619 Quadratmeter entwickelt. Seit Anfang 2023 wird hier gebaut. Die Vergabe der Flächen fand bereits im Frühjahr 2022 im Losverfahren statt.

Nach dem Ukraine-Krieg sind laut BGE die Baukosten und auch die Fremdkapitalzinsen stark angestiegen. Wegen der „spürbaren Zurückhaltung beim Erwerb der zugeteilten Bauplätze stehen der BGE GmbH noch einige Bauplätze zur Verfügung“, heißt es auf der Internetseite. Die weitere Vermarktung wurde zurückgestellt, weil sich die BGE neu ausrichten - und selbst als Bauherr auftreten - will.

Die Kommunalpolitik wünscht sich von der BGE, dass sie mit dem Kapital aus der Entwicklung von Neubaugebieten bezahlbaren Wohnraum schafft und vermietet.

Kopfschüttelnd verlassen sie nach diesem Tagesordnungspunkt den Saal. „Wir kriegen einen Riesenklotz mit 40 Parteien, dann ist es vorbei mit der Ruhe“, schimpfen sie später vor der Tür. Nun wollen sie abwarten, ob die Stadtverordnetenversammlung am Mittwoch, 3. Juli, 19.30 Uhr, dem Aufstellungsbeschluss ebenfalls zustimmt, ehe sie protestieren. Einsprüche einlegen können sie, sobald der Bebauungsplan öffentlich ausliegt.

Bebauungsplan sieht bisher nur kleine Einheiten vor

Die Änderung des Plans ist notwendig, da im Langgewann nur kleinere Einheiten gebaut werden dürfen. Nun aber will die Bürstädter Grundstücksentwicklungs Gesellschaft (BGE) als städtische Tochter keine Neubaugebiete mehr entwickeln, sondern selbst bauen. Das ist auch dringender Wunsch der Politiker, weil bezahlbare Wohnungen fehlen.

Laut dem neuen BGE-Geschäftsführer Ralf Gawlik wurden bereits die Statuten geändert und ein Planungsbüro beauftragt. „Es gibt noch keinen konkreten Plan bisher“, sagt Gawlik. Vier Grundstücke sind aktuell dafür vorgesehen.

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Bürgermeisterin Bärbel Schader betont in der Ausschusssitzung, der Komplex werde sich in die Bebauung einfügen. Daran haben die Nachbarn aber große Zweifel. „Wir haben uns hier einen Traum verwirklicht und sind extra aus einem Mischgebiet hergezogen“, sagt einer der Bewohner, ohne seinen Namen nennen zu wollen. „Wir haben uns einen Traum erfüllt und dafür viel Geld investiert.“ Die Voraussetzungen seien ganz andere gewesen, als sie mit dem Bau des Eigenheims begonnen hätten. Seine Nachbarn wirken ebenfalls zerknirscht.

Die Information von 40 Wohnungen bei einer Investitionssumme von fünf Millionen Euro hat im Dezember der damalige BGE-Geschäftsführer Martin Niederhöfer in der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses genannt. Er sprach von 2500 Quadratmeter Wohnfläche und Kosten von 2000 Euro pro Quadratmeter - wobei in der Runde der Politiker schon Zweifel aufkamen, ob das für diesen Preis umsetzbar ist oder doch viel teurer würde.

Auch Bauherr Kamil Kulig ist mit seinem Nachbarn Dirk Albat überzeugt: „Das ist von den Kosten her unhaltbar.“ Zudem fragen sie sich, wo die ganzen Autos für das Mehrparteienhaus parken sollen. „Hier sind ganz wenige Buchten vorgesehen.“ Kuligs Auto steht auf dem eigenen Grundstück neben dem Haus.

„Wenn so viele Menschen herziehen, brauchen wir eine Zufahrt vom Friedhof“, meint der 34-Jährige. „Morgens und abends kriegen wir Verkehr wie bei der Rush Hour.“ Die geplante Sackgasse vom Wattenheimer Weg ins Langgewann reiche dann nicht mehr aus. Dabei sei die Straße verkehrsberuhigt geplant, so dass die Kinder draußen spielen können. Bislang verläuft vor dem Haus nur eine Schotterpiste, die im Trockenen viel Staub aufwirbelt, doch bei starkem Regen habe das Wasser kürzlich den neu angelegten Garten des Nachbarn überflutet.

Zurückgegebene Bauplätze liegen noch brach

Unverständlich ist für Kulig zudem, dass neben seinem Haus zwei Bauplätze brach liegen. Interessenten hätten diese nach der Vergabe wieder zurückgegeben. „Aber sie stehen seit Monaten nicht mehr zum Verkauf.“ Kulig und Albat kennen mehrere Leute im Freundes- und Familienkreis, die verzweifelt ein Grundstück suchen fürs Eigenheim. Die BGE, die nach wie vor für die Vermarktung zuständig ist, habe sie aber abgewiesen. In der Sitzung des Ortsbeirats informierte Bürgermeisterin Schader kürzlich, im Langgewann gingen nun wieder Grundstücke in die Vermarktung und auch die Straße werde gemacht.

Es könnte so schön sein im Neubaugebiet, Kulig und Albat schwärmen vom Zusammenhalt und der guten Stimmung. Nach dem Ärger mit dem Internet würden sie jetzt gern in Ruhe die restlichen Arbeiten rund um die Häuser erledigen. Und abends, wenn es dunkel wird, die Eulen beobachten. „Wenn sie auf unserem Dach sitzen, ist ihr Ruf durch den Kamin bis ins Wohnzimmer zu hören“, sagt Kulig lächelnd.

Redaktion Redakteurin des Südhessen Morgen und zuständig für die Ausgabe Bürstadt/Biblis

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