Bürstadt. „Uns macht das stolz, und die Leute, die zu uns kommen, sind total beeindruckt von der Anlage“, sagt Rainer Uhrig. Mit Toni Bozanovic führt der Bürstädter den Jugendförderverein mit 260 Nachwuchskickern. Auf dem Bildungs- und Sportcampus hat der JFV dank der Dietmar-Hopp-Stiftung herausragende Möglichkeiten bekommen: mit zwei Kunstrasenplätzen sowie Fitness-, Büro- und Mannschaftsräumen im Bildungszentrum. Vor genau einem Jahr ist das Areal eröffnet worden. „Wir sind hier gut angekommen. Was wir nur vermissen, das ist die Wertschätzung der Nutzer.“
Vor wenigen Wochen ist erneut ein Auto über den großen Kunstrasen gelenkt worden und hat deutliche Spuren hinterlassen. Andere Besucher steuern Fahrräder oder Roller durch die Anlage, obwohl es dafür Abstellflächen an den Eingängen gibt. Zigarettenkippen und sogar Hundekot wurden schon vom Fußballplatz entfernt. „Für uns ist das total unbegreiflich“, sagt Uhrig. „Eine solche Anlage wie hier findet man in Hessen gar nicht und bundesweit sicher selten.“ Bozanovic nickt. „Wir haben hier eine Sportstätte, die viel Geld gekostet hat, die müssen wir doch alle gemeinsam pflegen“, sagt der Sportchef des JFV.
Bislang läuft nur kaltes Wasser aus den Duschen im Gebäude
15 Mannschaften unter dem Dach des JFV
Der Jugendförderverein (JFV) wurde 2011 in Bürstadt gegründet, um die Jugendteams der vier Fußballvereine – Eintracht, VfR, SG und FSV Riedrode – zusammenzuführen und den Nachwuchs gemeinsam zu fördern. Aktuell trainieren 15 Mannschaften beim JFV. Den Vorsitz teilen sich Rainer Beckerle (Verwaltung) und Horst Kreiling (Finanzen), als Jugendleiter fungiert Rainer Uhrig, Sportchef ist Toni Bozanovic.
Kinder ab fünf Jahren nimmt der JFV auf. Gerade bei den Kleinsten sucht er aktuell Betreuer. Mit 19 Jahren gehören die Fußballer dann zu den Senioren und verlassen den JFV – sie kehren zu ihrem Stammverein zurück.
Die Umgestaltung des rund 68 000 Quadratmeter großen Areals hat gut 22 Millionen Euro gekostet. 18 Millionen Euro sind als Förderung geflossen – an die Stadt und den JFV. Die Dietmar-Hopp-Stiftung hat ausdrücklich den Nachwuchsfußball unterstützt und das große Kunstrasenfeld sowie die Hälfte des Bildungszentrums für den JFV finanziert.
Infos zum Campus gibt’s unter buerstadt.de. Dort ist auch zu sehen, wann der Jugendförderverein die Kunstrasenfelder nutzt bzw. wann sie frei sind. Zudem ist es möglich, die Freilufthalle oder Räume im Bildungszentrum über einen Link zu buchen – allerdings nicht für private Feste. cos
Zwar gibt es Campuslotsen, die unterwegs sind und Besucher im Zweifelsfall zur Rede zu stellen. „Aber die können ja nicht immer da sein“, sagt Uhrig. „Und für uns ist es auch ermüdend, jedes Mal die Leute anzusprechen“, meint Uhrig. Es gebe Hinweisschilder und auch genug Mülleimer. Sie müssten nur beachtet werden. Immerhin habe es bislang keine großen Schäden gegeben – nur immer wieder diese vielen Respektlosigkeiten im Kleinen. Auch dass Eltern ihre Kinder nicht aufhalten, wenn diese mit Laufrädern oder Rollern über die Hügel sausen. „Zwischen den Steinen durch, sehen nur wir da die Unfallgefahr?“, fragt sich Bozanovic.
Frustriert wirken die beiden JFV-Köpfe auch, weil noch immer nicht alles funktioniere und „alles unheimlich lange dauert“. Seit einem Jahr warten sie auf die Heizung, warmes Wasser und funktionierende Jalousien, die vor der Sonne schützen. Das heißt: Die Nachwuchskicker müssen kalt duschen, was sich in der bevorstehenden kalten Jahreszeit niemand vorstellen mag. Im Sommer habe es keiner im Gebäude ausgehalten. „Wir hatten zum Teil 40 Grad hier drin“, sagt Uhrig.
„Letztes Jahr hatten alle noch Verständnis, als nicht sofort alles funktionierte, aber jetzt, ein Jahr später?“ Uhrig und Bozanovic schütteln die Köpfe – und warten darauf, dass es vorangeht. Von der Verwaltung hieß es, im September/Oktober könne die Technikzentrale und damit das Wärmenetz in Betrieb gehen. Peinlich wäre es, wenn beim internationalen Jugendturnier Mitte Oktober Spieler von Juventus Turin und Bayern München kommen und nur kalte Duschen finden.
Den Mund fusselig reden sich die Aktiven des JFV auch, wenn das Training am Nachmittag beginnt, die Plätze aber belegt sind, weil Jungs in ihrer Freizeit kicken. „Die müssen wir wegschicken, was jedes Mal wieder anstrengend ist, weil sie nicht wissen, wohin sie gehen sollen“, sagt Uhrig. Das benachbarte Freizeitkickergelände sei zwar gemäht worden, eigne sich aber wegen der vielen Grasbüschel und Löcher im Boden nicht. „Wir sind da im Zwiespalt, weil wir ja selbst Fußballer sind und niemanden vergraulen wollen.“ Andererseits müssten Nichtmitglieder allein schon aus Versicherungsgründen den Rasen verlassen, damit sie keinen Ball an den Kopf bekommen. Uhrig ist überzeugt: Hobbyspieler aller Altersklassen brauchen einen Platz für sich. Denn an allen Nachmittagen nutzt der JFV beide Felder – und die reichen nicht einmal für alle 15 Mannschaften. „Zwei Teams mussten wir auslagern, die trainieren bei der Eintracht“, so Uhrig.
Übrigens hätte der JFV sogar noch mehr Mannschaften – wenn es mehr Trainer oder Betreuer gäbe. „Wie alle Vereine sind wir auf Ehrenamtliche angewiesen. Es gibt da einen großen Mangel.“ Uhrig bedauert das. „Nicht nur bei uns. Es fehlt einfach die Bereitschaft, sich einzubringen, und manchmal gibt’s auch Ängste, das nicht zu schaffen. Dabei werden die Leute nicht allein gelassen, sondern geschult.“ Wer also mit dem Kicken in Bürstadt beginnen will, müsse meist auf einen freien Platz warten. Der Zulauf ist groß, gerade bei den Bambini. Der attraktive Campus locke jetzt noch zusätzlich.
Übrigens haben Uhrig und Bozanovic ihr großes Ziel, die Kinder und Jugendlichen auch außerhalb des Fußballplatzes zu fördern, nicht aus den Augen verloren. Aber auch dafür brauchen sie Akteure, die sich für den Nachwuchs einbringen wollen.
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