Bürstadt. Der neue Bürstädter Sportcampus ist nach wie vor die Heimstätte des traditionsreichen VfR Bürstadt. Und so war es für den Verein eine Selbstverständlichkeit, mit einer eigenen Veranstaltung bei den Einweihungsfeierlichkeiten präsent zu sein. „Kleine Stadt im großen Fußball“ – so hieß die Nostalgieveranstaltung in Anlehnung an ein Buch, das der Lorscher Fritz Glanzner in Zusammenarbeit mit dem Verein Mitte der 1980er auflegte.
Und so hieß es auch diesmal, als sehr deutlich aufgezeigt wurde, dass es im Fußball der damaligen Zeit einer Stadt wie Bürstadt gelang, im Konzert der Großstädte mitzuspielen. Viele der damaligen Spiele sind im Archiv des Hessischen Rundfunks abgelegt. Jonas Schulte, Moderator der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt, brachte gleich einige filmischen Schätze mit und rief mit ihnen eine fußballerische Zeit in Erinnerung, die Bürstadt so schnell nicht mehr wiedererleben dürfte.
Begonnen hatte alles im Jahr 1967. Der VfR war gerade in die Landesliga Hessen Süd abgestiegen und traf hier unter anderem auf Gegner wie den FC 07 Bensheim. Doch Bürstadt hatte mit Lothar Buchmann einen neuen Trainer verpflichtet. Dieser entpuppte sich als wahrer Glücksgriff. Nach der Rückkehr 1968 in die Oberliga Hessen setzte er im Jahr 1972 noch einen drauf: Der VfR Bürstadt setzte sich gegen den FSV Frankfurt durch, wurde Hessenmeister und war nun in der zweitklassigen Regionalliga Süd vertreten. Dort trafen die Bürstädter unter anderem auf den SV Chio Waldhof, was Jonas Schulte in einem Filmdokument aufzeigte, das tonlos und in schwarz-weiß war. Aufgrund fehlender Traditionspunkte spielten die Bürstädter nur zwei Jahre in der Regionalliga Süd und schafften im Jahr 1974 den Sprung in die Zweite Liga Süd nicht.
1977 wurde unter Trainer Wolfgang Solz Versäumtes nachgeholt. Hier erwischten die Bürstädter zwar einen guten Start, doch je länger die Vorrunde dauert, desto mehr verließ sie das Glück. Dies bedauerte Wolfgang Solz in einem Interview anlässlich des Heimspiels gegen die Offenbacher Kickers, das die knapp 100 Zuschauer nun in Farbe verfolgten, als wäre es gerade jetzt geschehen.
Helden von damals berichten
Zwischen den Filmberichten nutzte Jonas Schulte immer wieder die Gelegenheit, um sich die Protagonisten der damaligen Zeit zu schnappen, um mit ihnen die Vergangenheit Revue passieren zu lassen. Da durfte Waldhof-Trainer-Legende Klaus Schlappner nicht fehlen. Der Lampertheimer trug als Spieler auch einige Zeit das schwarz-weiße Bürstädter Trikot. Schlappner bemängelte, welch Ausmaße der Sportkapitalismus inzwischen angenommen habe und dass echte Kerle Mangelwaren seien: „Wir waren früher Profis. Doch heute sind die Spieler alle Profitis.“ Er hob aber auch hervor, wie viele höher spielende Vereine im Rhein-Neckar-Dreieck damals vertreten waren. „Unsere Region kann Fußball“, brach er für die Region eine Lanze.
Inzwischen ist Lothar Buchmann 87 Jahre alt – sein Alter ließ er sich beim Interview nicht anmerken und erzählte eine Anekdote nach der anderen. Zum Beispiel über seine Prämie, die er aushandelte, um eine weitere Saison als Spieler zur Verfügung zu stehen. 500 Mark wollte er lediglich haben, was relativ niedrig war, so dass dies VfR-Sponsor Robert Kölsch noch einmal bestätigt haben wollte. Und schließlich zückte der langjährige Bürstädter Mäzen einen 500-Mark-Schein aus seiner Westentasche und begleitete dies trocken mit einem „Zählen sie nach, Herr Buchmann“.
Inzwischen hatte Lothar Buchmann auch ein Talent aus Heppenheim entdeckt, das es bis ganz weit nach oben schaffte. Bevor der Heppenheimer Jürgen Groh im Jahre 1983 mit dem Hamburger SV den Europapokal der Landesmeister gewann, spielte er in Bürstadt und wurde dabei von Buchmann immer von zu Hause abgeholt. „Bereits bei den Autofahrten ging Buchmann auf die kommenden Gegner ein und bereite mich so auf die anstehenden Begegnungen vor“, erinnerte sich Groh, der die Zeit in Bürstadt als „sehr lehrreich“ empfand. Als Groh längst bei den Hanseaten etabliert war, stieg der VfR Bürstadt 1984 erneut in die Zweite Liga auf, die nun nur noch eingleisig war. Um diesen Erfolg zu erreichen, musste er sich in der Aufstiegsrunde mit vier Mannschaften durchsetzen.
Gegen die TSV 1860 München
Ein Verein, die der VfR auf die Plätze verwies, war der frühere Deutsche Meister TSV 1860 München. War bereits das torlose Unentschieden im Münchner Olympiastadion Ende Mai 1984 ein toller Erfolg, so brachen einige Tage später im Bürstädter Waldstadion alle Dämme, als die Löwen zu Hause mit 4:0 bezwungen wurden. Schiedsrichter der Begegnung war damals der legendäre Wolf-Dieter Ahlenfelder aus Oberhausen.
Auch das war in zwei kurzweiligen Filmberichten zu sehen, die Jonas Schulte präsentierte und mit witzig-süffisanten Kommentaren anreicherte. Auch hier war es für ihn eine Selbstverständlichkeit die Helden der damaligen Zeit zu befragen. Etwa den Bürstädter Bub Ludwig Brenner, der erzählte, dass er beim Bäcker neugierigen Fans bereitwillig Auskunft gab, die Bürstädter Spieler aber weit entfernt von einem Starkult heutiger Tage gewesen seien. Auch Aufstiegstrainer Horst-Dieter Strich möchte seine Zeit beim VfR Bürstadt nicht missen und hob noch einmal das damalige Triumvirat Robert Kölsch, Heinrich Hiltl und Alwin Morweiser hervor: „Das war wirklich ein einmaliger Vorstand..“
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