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Heimatforschung in Bürstadt: Klaus Grinda im Portrait

Wie spannend Geschichte sein kann, erfährt jeder, der Klaus Grinda zuhört. Der Bürstädter versteht es, sein Publikum in den Bann zu ziehen. Das hat auch mit seiner eigenen Familiengeschichte zu tun

Von 
Corinna Busalt
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Wäre ein guter Lehrer geworden: Der Bürstädter Klaus Grinda begeistert seine Zuhörer regelmäßig für Geschichte. © Berno Nix

Bürstadt. Wie spannend Geschichte sein kann, erfährt jeder, der dem Bürstädter Klaus Grinda zuhört. Der 57-Jährige erzählt so lebhaft, dass er sein Publikum rasch in den Bann zieht. Ob das Kinder sind oder Erwachsene, ob das seine Heimatstadt Bürstadt oder Darmstadt oder Berlin betrifft. Grinda wühlt sich durch historische Bücher, geht mit offenen Augen durch die Städte und findet echte Schätze in der Vergangenheit. Dass es sich lohnt, diese auszugraben und weiterzugeben, ist für ihn keine Frage, sondern eine Art Auftrag, den er mit Leidenschaft erfüllt. „Es wiederholt sich doch alles in der Geschichte, und das ist so wichtig zu wissen.“

Dass Klaus Grinda alte Ereignisse interessieren, liegt wohl daran, dass er schon als Kind ergründen wollte, warum was so ist, wie es ist, und woher das kommt. Zudem hat ihn seine eigene Familie neugierig gemacht. Die Bürstädter Großeltern mütterlicherseits erzählten immer gerne und freimütig von früher. Auf der Seite des Vaters dagegen erfuhr Grinda erst durch aktives Nachfragen mehr über die Vergangenheit. „Das liegt daran, dass mein Vater, seine vier Schwestern und seine Mutter aus Ostpreußen geflüchtet sind. Sein Vater, also mein Opa, kam aus Königsberg nicht mehr heraus - und ist dort als Soldat gefallen.“ Diese traumatisierenden Erlebnisse prägten die Familie ihr Leben lang.

Auch die eigene Familie erlebte Ablehnung

In der neuen Heimat wurden Grindas aber auch nicht mit offenen Armen empfangen. Mit sechs Jahren kam der Vater nach Bürstadt. Zunächst zwangseinquartiert bei Bäcker Bechtloff, später in einer sehr einfachen Unterkunft der Steinlache. Wie stark die Familie auf Ablehnung traf, beschäftigt Klaus Grinda bis heute. Den Vorwurf, Geflüchtete nähmen anderen die Wohnung weg, gab es schon damals. „Das kennen wir alles heute wieder“, sagt er kopfschüttelnd. Deswegen ist es so wichtig zu wissen, was früher war.

Stolz ist Grinda, dass und wie sich sein Vater durchgebissen hat. „Als guter Tormann beim VfR wurde aus dem Flüchtling Manfred plötzlich der Manni.“ Und stolz ist er auch, dass sein Opa Hans Bauer, als „Hut-Bauer“ bekannt, diesen jungen Mann als Schwiegersohn akzeptierte, obwohl der katholische Pfarrer ihm den evangelischen Flüchtling hatte ausreden wollen. Von den offenen Großeltern mütterlicherseits hat Grinda viel darüber erfahren, wie es früher in Bürstadt zuging. Sie konnten ihm auch erklären, warum in Bürstadt so oft der Name „Lache“ vorkommt. Etwa bei der Stein- und Bubenlache, den Lächnern oder Lachgärten. „Mit Lachen hat das nichts zu tun, sondern mit Wasserlachen – von den alten Rheinarmen.“

Geschichtenerzähler ohne Notizen

Und die Geschichte vom Oberschultheiß Schremser, den in Bürstadt jeder als Straßennamen kennt, und wie er den Sohn des Großherzogs im napoleonischen Krieg vor dem Erfrieren in Russland gerettet hat, erzählt Grinda so lebendig, dass man meinen könnte, er wäre dabei gewesen. Wie er das schafft? „Man muss die Bilder im Kopf haben.“ Zettel oder Notizen braucht der 57-Jährige nicht.

Dabei kennt sich Grinda nicht nur in den letzten paar hundert Jahren aus. Genauso gern erzählt er von den Römern, die etwa 100 nach Christus im Ried siedelten – wegen des Rheins, der sich mit Kähnen prima befahren ließ. Und dass Bürstadt genau zwischen Worms und dem Odenwald an einer alten Römerstraße lag. Auch von den Alemannen, die die römischen Siedlungen hier ausbauten, und den Franken, die sie wieder vertrieben, weiß Grinda versiert zu berichten. „Migration hat es hier schon immer gegeben, das zeigt der Blick in die Vergangenheit.“

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Unterwegs eignet sich Grinda viel Wissen an

Übrigens ist er überzeugt, dass es neben dem Briebelpark, wo heute die alla hopp!-Anlage steht, einen „Königshof“ gab, wo die Nachfahren von Karl dem Großen – und andere Hoheiten – mit ihrem Hofstaat eine Pause von den beschwerlichen Reisen einlegten. „Das muss da gewesen sein, wo heute das Gemeindezentrum St. Michael steht.“

Nicht nur in seiner Heimatstadt kennt sich der Banker aus. Da Grinda in vielen verschiedenen Städten gearbeitet hat, nutzte er die Zeit im Zug, um sich in die jeweilige Historie einzulesen und kann Interessierte versiert durch Darmstadt oder Berlin führen. Sein Interesse wirkt unerschöpflich. Auch bei Auswärtsspielen der Lilien von Darmstadt 98 treibt es ihn nicht direkt ins Stadion. Zuerst nimmt sich Grinda Zeit, die Städte zu besichtigen.

Als er beim Bürstädter Verein für Heimatgeschichte die Aufgabe als Schatzmeister übernommen hat, wussten die anderen Mitstreiter noch gar nicht, welchen Geschichtsfan sie da in den Vorstand geholt hatten. Dass er nicht nur rechnen kann, haben sie erst später erfahren. Seine Führungen macht er mit Freude – und nicht gegen Geld. „Das wird auch jedes Mal anders“, verrät er. SPD-Mitglieder hat Grinda etwa zuerst auf den Boxheimerhof geführt, wo Nazis schon 1931 über Konzentrationslager für politische Gegner sprachen. Wenige Jahre später wurde der Bürstädter Sozialdemokrat Christoph Weitz im KZ Osthofen interniert und gequält.

Von Banker zum Geschichtenerzähler

Kindergruppen führt Grinda meist zur ältesten Kirche im Ort. Vor St. Michael lässt er sie dann rätseln, wieso sie genau dort steht und nicht woanders. „Detektivarbeit mögen sie, damit kann ich sie packen“, erzählt er schmunzelnd. Und gesteht: „Eigentlich wollte ich immer Lehrer werden.“ Tatsächlich würde er heute nicht mehr zur Bank gehen, auch wenn ihm die Arbeit weiterhin Freude macht.

Über die Berufswahl grämt er sich aber nicht sehr, schließlich hat er seine Frau durch den Beruf kennengelernt. Da gebe es nichts zu bereuen. Aber eins ist klar: „Geschichte? Das ist für mich mehr als ein Hobby“,sagt Grinda. Wer erleben möchte, wie er das meint, kann ihn bei den Bäschdädder Babblern am Mittwoch, 11. Dezember, im MGV-Vereinsheim (Waldgartenstraße 18) erleben. Dort geht’s um die „Woinachdszeid in Bäschdadd“.

Klaus Grinda: Der Bürstädter im Portrait

Klaus Grinda, Jahrgang 1967, ist in Lampertheim geboren und in Bürstadt aufgewachsen. Mit seiner Frau hat er einen 24-jährige Sohn und eine 19 Jahre alte Tochter. Als Kind besucht er zunächst die Albert-Schweitzer-Schule und später das Alte Kurfürstliche Gymnasium in Bensheim. 1986 macht er sein Abitur und absolviert eine Ausbildung bei der Raiffeisenbank Bürstadt. Nach dem Studium wechselt er zur Dresdner Bank Mannheim und pendelt bald nach Frankfurt, Berlin und Stuttgart. Aktuell arbeitet der Bankfachwirt als Controller bei der Volksbank Darmstadt Mainz. In seiner Freizeit liest und reist Grinda gerne, zudem engagiert er sich für den Verein für Heimatgeschichte in Bürstadt. Er ist glühender Fan der Darmstädter Lilien, für die er eine Dauerkarte besitzt. 

Redaktion Redakteurin des Südhessen Morgen und zuständig für die Ausgabe Bürstadt/Biblis

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