Bürstadt. Für das Bürstädter Rathaus ist es eine gute Nachricht, der Naturschutzbund (Nabu) übt allerdings heftige Kritik: Aus den 470 Hektar naturbelassenem Wald auf Bürstädter Gemarkung wird nun doch kein Naturschutzgebiet. Das hat die neue Landesregierung in Wiesbaden entschieden. Holz soll aber auch in Zukunft nicht aus dem Bereich geschlagen werden, versichert das hessische Umweltministerium gegenüber unserer Redaktion. Alles soll so bleiben, wie es ist.
Nach Plänen der grünen Umwelt- und Forstministerin Priska Hinz sollten alle Waldstücke, die größer als 100 Hektar und ohnehin schon weitgehend sich selbst überlassen waren, Naturschutzgebiete werden - quasi automatisch. Das hätte eine ganze Reihe an Waldstücken in Hessen betroffen, unter anderem den Reinhardswald bei Kassel mit knapp 1300 Hektar, etwa 420 Hektar am Hang des Melibokus an der Bergstraße. Und eben auch die 470 Hektar auf Bürstädter Gemarkung. Eigentlich sollte es im Januar soweit sein. Nach der Hessenwahl im Oktober wanderten die Grünen allerdings in die Opposition. Neuer Chef im Landesumweltamt ist der CDU-Politiker Ingmar Jung, der die Entscheidung direkt rückgängig machte. Die Naturwälder bleiben also einfach Naturwälder.
Die Stadt Bürstadt hatte bereits im Frühsommer 2022 gegen diese Pläne Stellung bezogen (wir haben berichtet). Zunächst aus Brandschutzgründen, denn die Pflege der Wege müsste in einem Naturschutzgebiet auf ein Minimum beschränkt werden. Falls aber ein Feuer ausbricht, sollte die Feuerwehr ohne Umwege an den Einsatzort kommen. Angesichts der hohen Waldbrandgefahr in den vergangenen Sommern eine akute Bedrohung, urteilte das Rathaus.
Traubenkirsche verdrängt heimische Bäume
Dazu kam die Frage, was aus dem Wald wird, wenn er sich selbst überlassen bleibt. Zwischen Grillhütte und Boxheimerhof zeigt sich schon jetzt, wie der Wald dann aussehen könnte: Etliche Kiefern sind abgestorben und mussten geschlagen werden. Übriggeblieben sind Büsche, Sträucher und etliche Grasflächen. Hier findet die Traubenkirsche die perfekten Standortbedingungen.
Wo der Einwanderer aus Amerika Fuß fasst, haben es heimische Bäume schwer, warnt der Bürstädter Naturschutzbeauftragte Henry Riechmann. Schon seit Jahren werden rund um die Grillhütte und entlang der B 47 junge Bäumchen gesetzt, um Lücken zu schließen. Gepflanzt werden Baumarten wie Eiche, Hainbuche und auch Kiefer, die dem Klimawandel standhalten sollen.
Dennoch übt der Nabu Hessen deutliche Kritik an der Kehrtwende im Umweltministerium. Man sei „fassungslos“ , macht der hessische Landesvorsitzender Maik Sommerhage deutlich. Michael Held, Bürstädter Nabu-Chef, pflichtet ihm bei. „Ein Naturschutzgebiet Bürstädter Wald würde dauerhaft sicherstellen, dass dieses Gebiet aus der forstwirtschaftlichen Nutzung genommen wird“, erläutert Held. Dann könnte das Rad nicht mehr so einfach zurückgedreht werden.
Zumal auch in Naturschutzgebieten Pflegemaßnahmen durchgeführt werden, um die wild wuchernde Traubenkirsche zurückzudrängen. Held führt das Naturschutzgebiet Lampertheimer Altrhein und die Viernheimer Heide als Beispiele an, hier gebe es regelmäßige Pflegemaßnahmen, teilweise auch gemeinsam von Forstamt und Umweltverbänden.
Holzwirtschaft werde es auf den betroffenen Flächen auch in Zukunft nicht geben. Das stellt Christoph Zörb, Sprecher des hessischen Umweltministeriums, klar. Auf 32 000 Hektar wird der Wald in Hessen bereits der Natur überlassen, seit zehn Jahren finde hier keine Holzernte mehr statt. „Und das bleibt auch so. Ob eine Fläche als Naturschutzgebiet ausgewiesen ist oder nicht, ändert nichts daran.“
Ministerium: Förster haben Artenvielfalt im Blick
Vielmehr gehe es darum, den Wald mit seiner vielfältigen Tierwelt zu erhalten - allerdings mit weniger Aufwand und weniger Bürokratie. „ Jetzt prüfen wir, wie wir das am besten schaffen“, kündigt Zörb an. Für ihn sind auch Förster Naturschützer: „Die haben alles im Blick und schützen auch die Artenvielfalt.“
Die Meinung, „ohne Förster gäbe es keinen Wald“, teilt der Nabu-Vorsitzende Michael Held allerdings nicht. Vielmehr sieht er vieles kritisch, was sich auf den Forstflächen der Region abspielt. So schade der Einsatz schwerer Maschinen dem gesamten Ökosystem, weil der Boden zu sehr verdichtet werde. Auch werden nach Ansicht der Naturschützer immer noch zu viele große Laubbäume geschlagen. Dabei würden gerade die alten Exemplare dringend gebraucht, weil sie Fledermäusen und vielen Vogel- und Käferarten Unterschlupf und Nahrung bieten. Ohnehin sollten keine Laubbäume gefällt werden, die älter als 140 Jahre sind - zumindest so lange, bis sie wieder mindestens zehn Prozent des Bestands ausmachen, fordert der Nabu.
In den hessischen Naturwäldern ist das bereits der Fall. Es gibt keine Holznutzung mehr, so dass die Bäume theoretisch 300 Jahre und älter werden können. Gerade im Klimawandel seien solche Bereiche besonders wichtig, betont der Umweltverband. Mit einem geschlossenen Kronendach können sich Wälder besser vor Austrocknung schützen.
Zwischen B 47 und Boxheimerhof haben Sommerhitze und Dürre allerdings schon deutliche Lücken in den Wald geschlagen. Der Lampertheimer Forstamtsleiter Steffen Hering hat den politischen Beschluss aus Wiesbaden nun umzusetzen. Und er kann durchaus damit leben. Zumal der Wald in der Rheinebene nicht überall so schlecht da stehe wie rund um die Grillhütte. „Die Standorte sind sehr unterschiedlich“, sagt er. Es gebe Bereiche, die recht unproblematisch seien. An manchen Stellen sei etwas Nachhilfe aber dringend notwendig.
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