Bobstadt. Morgens um 5 Uhr fängt Angela Blodt an. Dann räumt sie neue Ware ein, legt ihren Stammkunden die bestellten Zeitschriften zurück und bereitet im Geschäft alles vor, wenn um 7 Uhr die ersten Kunden kommen. "Viele holen sich ihre Zeitung, weil sie sich ein bisschen unterhalten können", erzählt sie. Wie wird das ab Januar? Die Bobstädter können sich das kaum vorstellen. Seit 36 Jahren betreibt Angela Blodt ihr Geschäft im Stadtteil. Doch am Silvestertag steht sie zum letzten Mal hinter der Theke.
Der Laden hat sich zum sozialen Treffpunkt im Ort entwickelt. "Als ich angefangen habe, gab es noch fünf Gaststätten, zwei Bäcker, zwei Tankstellen, Metzger und ein Kiosk", erinnert sich die 63-Jährige. Bis auf einen Bäcker ist in den vergangenen Jahren alles verschwunden. "Als die Umgehungsstraße kam, hatte ich auch Angst, dass sich was verändert. Aber unsere Stammkunden sind alle geblieben." Nun hofft sie, dass es im neuen Jahr weitergeht - und sie bald selbst als Kundin einkaufen kann. "Zwei Interessenten sind in der engeren Wahl", sagt sie zuversichtlich.
Im Keller angefangen
Vor 30 Jahren hat Angela Blodt ihren Laden in der Frankensteinstraße gebaut. Bücher und Spielzeug verkaufte sie zuvor schon sechs Jahre lang in ihrem eigenen Keller in der Darmstädter Straße. "Eigentlich bin ich technische Zeichnerin." Sie hat bei BBC in Käfertal gearbeitet, bis ihre beiden Mädchen zur Welt kamen. Dann blieb sie daheim - und baute sukzessive ihr Geschäft auf.
"Es ist schon immer gut gelaufen", sagt sie im Rückblick. Stetig erweitert hat sie das Sortiment. Seit 26 Jahren füllen Kunden Lottoscheine aus, seit 21 Jahren betreibt sie die Post im Haus. Dort gibt es nicht nur Päckchen und Briefmarken, bei Angela Blodt eröffnen die Leute sogar Konten und heben Geld ab. "Später haben wir noch den Außenbereich aufgelockert und dienstags den Hähnchenwagen dazu genommen." Donnerstags und samstags bietet zudem der Bauernladen Steinmetz nebenan Obst und Gemüse, Wurst, Fleisch und Kuchen sowie ein Mittagessen an. Zahlreiche Gäste machen es sich dort gemütlich. Steinmetz beteuert bereits, in Bobstadt bleiben zu wollen - zur Not auch an einem anderen Standort.
Ab und zu verkaufen auch Vereine Kuchen, um Geld in die Kasse zu bekommen. Außerdem stehen auf dem Regal neben Angela Blodt gleich mehrere Spardosen: Das grüne Schwein gehört der Tanzabteilung der TG Bobstadt, die Büchsen daneben der AWO, dem Hospiz und der Kinderkrebsklinik. Auch für Mirjas Delfintherapie wird gesammelt. "Wir unterstützen das auf diese Weise", sagt die 63-Jährige. "Außerdem helfen wir Asylbewerbern, wenn sie Probleme beim Ausfüllen der Formulare haben." Und wer ganz schlecht zu Fuß sei, bekomme seine Zeitung sogar nach Hause gebracht. "Für mich ist das selbstverständlich", sagt Angela Blodt. "Unsere Kunden geben uns auch so viel zurück." Sie wirkt nachdenklich. "Wenn es mir mal schlechter geht, ist hoffentlich auch jemand für mich da", sagt sie. "Das ist für mich Nächstenliebe."
Angela Blodt spricht ganz oft von "wir", denn ihr Team ist sehr wichtig. "Meine Mitarbeiter sind super, die helfen überall." Seit ihr Rücken Probleme macht, darf sie nicht mehr schwer heben. "Die machen das alles für mich", sagt sie dankbar. Drei Frauen stehen ihr im Geschäft zur Seite. Wie geht es mit ihnen weiter? "Roswitha Merkel geht mit mir in Ruhestand." Patricia Dellinger würde gerne bei einem Nachfolger weitermachen. Als Aushilfe ist außerdem Marina Gotha im Einsatz.
Zuletzt 1999 in Urlaub
Die Entscheidung, in Rente zu gehen, hat sich Angela Blodt reiflich überlegt. Da horcht ein Kunde auf und mischt sich direkt ein: "Ich verfolge ihren Kampf seit Jahren, sie hat sich das wirklich nicht leicht gemacht", sagt er. Doch die Arbeit ist hart. Von 5 Uhr morgens bis 19.30 Uhr am Abend hat sie zu tun. Selbst in der Mittagspause geht sie nicht nach Hause. "Da mache ich oben im Büro die Post." Urlaub? Sie lacht. "Zuletzt 1999. Wandern gehe ich einmal im Jahr über Pfingsten - nach Feierabend." Denn die Poststelle, die sie persönlich betreut, dürfe nicht schließen. "Aber das hat mir nichts ausgemacht, ich habe mich daran gewöhnt - und ich bin richtig gerne hier."
Nur einmal, erinnert sie sich, hat sie ihr Geschäft verflucht: Als ihr Enkelkind eingeschult wurde - und sie in ihrem Laden anstatt in der Schule stand. Zum Glück werde das beim nächsten Enkel im kommenden Jahr anders. Darauf freut sie sich schon sehr. Überhaupt dass sie künftig mehr Zeit für die Familie hat. Zudem sei der erste Urenkel unterwegs, verrät sie strahlend. Und mit ihrem Hund will sie lange Spaziergänge unternehmen. "Ich habe mir schon so viel vorgenommen, was ich alles machen will!"
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