Biblis. Der stückweise Abriss des Kernkraftwerks in Biblis läuft auf vollen Touren. In Block A brummt die Rückbaufabrik. Längst sind die hochradioaktiven Brennstäbe weggepackt und lagern nebenan im Zwischenlager, bis irgendwann ein Endlager für hochradioaktiven Abfall gefunden und errichtet ist. In der Rückbaufabrik geht’s um den Abfall, der zwar im Kontrollbereich in Kontakt mit Radioaktivität gekommen ist, aber nur noch ausgesprochen schwach strahlt. Trotzdem kommt das Kernkraftwerk nicht aus den Schlagzeilen heraus - aktuell genau wegen dieser Beton- und Ziegelbrocken.
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Der Abfallzweckverband des Kreises Bergstraße ZAKB als zuständiger Entsorger sucht in Ermangelung einer eigenen Deponie bundesweit einen Platz zur Ablagerung des freigemessenen und damit als unbedenklich eingestuften Bauschutts. Es geht um 3200 Tonnen und damit den geringsten Teil des anfallenden Materials beim Abriss. Allerdings haben alle rund 260 angefragten Deponien in ganz Deutschland abgewunken.
Protest hat sich formiert
Nun hat das Regierungspräsidium Darmstadt die rund 40 Kilometer entfernte Deponie in Büttelborn (Kreis Groß-Gerau) ausgedeutet, um den Bauschutt mit der schwachen Reststrahlung aufzunehmen. Der Betreiber hat im Anhörungsverfahren bis Mitte Januar Zeit, seinen Protest darzulegen. Und der ist längst formiert. Angeführt von Landrat Thomas Will und dem Büttelborner Bürgermeister Marcus Merkel (beide SPD) wollen die Gegner nach eigener Ankündigung bis zur letzten Instanz klagen. In der Woche vor Weihnachten führen die Deponiepläne sogar zum Schlagabtausch im Umweltausschuss des hessischen Landtags. SPD und Linke fahren schwere Geschütze gegen Grünen-Umweltministerin Priska Hinz auf. Es ist ausgerechnet jene Politikerin, die beim Auftakt des Grünen-Bundestagswahlkampfs in Biblis - damals mit Spitzenkandidat Joschka Fischer - Zielscheibe des Protests von rund 1000 RWE-Mitarbeitern aus mehreren deutschen Kernkraftwerken wurde. Diese ausgewiesene Kernkraftgegnerin muss nun in der schwarz-grünen Landesregierung den Umgang mit dem Bauschutt aus dem Bibliser Kraftwerk regeln. Begleitet wird die heftige Debatte vom Protest der Bürgerinitiativen und Umweltschutzverbände. „Bleibt mit dem Dreck weg“ steht neben dem in Flammen stehenden Symbol für Radioaktivität auf den Bannern.
Zeitplan steht auf dem Spiel
Für RWE steht mit der Entscheidung der komplette Zeitplan für den Rückbau der beiden Bibliser Blöcke auf dem Spiel. „Wir brauchen diesen Entsorgungsweg, sonst wird der Rückbau nicht funktionieren“, sagt Kraftwerkssprecher Alexander Scholl bei einem Ortstermin im November. Und RWE darf von Rechts wegen den Bauschutt nicht auf dem Gelände lagern. Bis 2032 soll der Abriss vollzogen sein - ausgenommen ist die äußere Hülle. Was mit ihr passiert, sei noch nicht entschieden. Das sei aber dann auch keine Frage des Atomrechts mehr, so der Kraftwerksbetreiber RWE. Die Entscheidung über den Verbleib des schwach radioaktiven Bauschutts ist also auf das kommende Jahr vertagt.
Vertagt ist auch die Inbetriebnahme des Gasturbinenkraftwerks, das in zwei Jahren auf der Fläche des früheren Parkplatzes für externe Mitarbeiter entstanden ist. Eigentlich hätte das Kraftwerk schon im Oktober betriebsbereit sein sollen. Doch Kraftwerksbauer GE, als Generalunternehmer für RWE aktiv, hat die Anlage nicht fristgerecht übergeben können. GE müsse noch einige notwendige Arbeiten an der Anlage durchführen. Darüber hinaus müssten die Turbinen noch eine Reihe von Testläufen absolvieren, sagt ein Sprecher von RWE: „Nach derzeitigem Planungsstand gehen wir davon aus, dass die Anlage im Laufe des Januars den Betrieb aufnehmen wird.“
Das Kraftwerk wird im Bedarfsfall Gas verstromen. RWE hatte im November 2020, lange vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine und dem daraufhin knapp werdenden Rohstoff , den Zuschlag für den Bau und Betrieb des Gaskraftwerks erhalten. Es soll eine gesicherte elektrische Leistung von 300 Megawatt Strom bereitstellen, um kurzfristig zur Systemsicherheit beisteuern zu können und beispielsweise Blackouts zu verhindern. Die Anlage werde nicht auf dem freien Strommarkt zur Verfügung stehen und dauerhaft in Betrieb sein, sondern ausschließlich auf Anforderung der Netzbetreiber angefahren werden, betont RWE. Bis zur Volllast benötigt das Kraftwerk nur 30 Minuten und kann die 300 Megawatt mindestens 38 Stunden lang ins Netz liefern. Vorgesehen ist eine jährliche Gesamtbetriebszeit von 500 Stunden.
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