Justiz

Tankstellen-Raub in Edingen-Neckarhausen: Angeklagter entschuldigt sich

Am Landgericht Heidelberg hat der Prozess gegen einen 29-Jährigen begonnen, der unter anderem eine Tankstelle in Edingen-Neckarhausen ausgeraubt haben soll. Bei der Angestellten entschuldigte er sich

Von 
Dirk Timmermann
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In dieser Tankstelle in Edingen-Neckarhausen soll der Angeklagte eine Angestellte bedroht und Geld aus der Kasse entwendet haben. © Christoph Blüthner

Heidelberg. Zwei Einbrüche in Einfamilienhäuser und ein Tankstellenraub: Seit Montag muss sich ein 29-Jähriger vor dem Landgericht Heidelberg verantworten. Bei den im August und Oktober 2023 verübten Taten soll der geständige Angeklagte Bargeld im Wert von mehr als 9000 Euro erbeutet haben, außerdem Schmuck, Musikboxen und Spielekonsolen. Ausschlaggebend soll die Heroinabhängigkeit des Mannes sein.

„Mach keinen Scheiß, mach die Kasse auf!“ Mit diesen Worten und vorgehaltener Waffe soll der Angeklagte die Kassiererin eingeschüchtert haben. Knapp 50 Sekunden dauerte der Überfall am 15. Oktober 2023 auf eine Tankstelle in der Edinger Trautenfeldstraße, wie die Videobilder in Saal 1 des Landgerichts Heidelberg zeigen. In verschiedenen Einstellungen hat die Überwachungskamera das Ereignis am Nachmittag aufgezeichnet.

Mutmaßlicher Täter flüchtet durchs Fenster

„Ich hatte noch die Kartons mit Flaschen in der Hand“, erklärte die Geschädigte im Zeugenstand. Nachdem sie das Lager aufgefüllt habe, sei ihr ein Fremder entgegengetreten, „mit großer Sonnenbrille und Baseball-Cap im Camouflage-Stil“. Ihren Karton habe er abgenommen, auf den Boden gestellt – und dann ihre Kasse entleert. Die Pistole hielt sie für eine „Plastikwaffe“, tatsächlich war es eine ungeladene Schreckschusspistole.

Mit 1100 Euro Beute – ausschließlich Scheine – sei der in Kasachstan geborene deutsche Staatsangehörige in Richtung Hotel entschwunden. Ganz in der Nähe des Tatorts habe er sich rechtzeitig eingemietet. „Die Kleidung war schon gewechselt, ein Taxi gerufen, doch plötzlich erklang Sirenengeheul“, so die Rekonstruktion des Ermittlungsführers vor der 1. Großen Strafkammer. Die nahende Polizei soll den Räuber derart „nervös gemacht“ haben, dass dieser seinen Zufluchtsort durch das Fenster verließ. 40 Minuten später hätten ihn die Beamten dann eingeholt.

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Die erste Woche sei schwierig gewesen, bekennt die Überfallene, zumal es bereits das zweite Erlebnis dieser Art für sie war. Der kurz nach der Tat verständigte Pächter berichtet sogar vom fünften Raub seit Übernahme der Tankstelle. Ihr gehe es längst wieder gut, und zum Glück sei sie unverletzt geblieben, sagte die 32-Jährige, die den Vorfall gut weggesteckt zu haben scheint und weiterhin als Aushilfe tätig ist. Dass der Angeklagte sich persönlich entschuldigte, nahm die Friedrichsfelderin positiv auf.

Nicht nur Tankstelle in Edingen-Neckarhausen überfallen

Der schwere Raub in Edingen-Neckarhausen ist jedoch nicht das einzige Delikt, das die Staatsanwaltschaft dem Mann zur Last legt. Ein Hinweis auf weitere Taten ergab sich direkt bei der Festnahme: „Bargeld, Schmuck, Uhren und Ringe“ habe der 29-Jährige den Ermittlern zufolge bei sich gehabt. Woher das Diebesgut stammt, konnten sie schnell aufklären: Fünf Tage vor dem Überfall war in ein Haus in Göllheim eingebrochen worden. Durch das geöffnete Küchenfenster war der Täter gelangt und hatte Geld, Schmuck, eine antike Taschenuhr sowie eine Playstation 4 im Gesamtwert von 4000 Euro entwendet. Und auch am 16. August hatte die Polizei einen Einbruch registriert, damals in Obrigheim. Auf 4100 Euro belief sich hierbei der Schaden.

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Auch diese Delikte hat der Angeklagte vollumfänglich eingeräumt. Was ihn zu den Taten veranlasste, erläuterte sein Verteidiger: „Mein Mandant ist in hohem Maße betäubungsmittelabhängig“, so Ulrich Stange. Schon mit im Alter von 13 Jahren begann eine klassische „Drogenkarriere“: Alkohol und Marihuana hat der Mann, der in Kirchheimbolanden die Hauptschule abschloss, nach eigenem Bekunden konsumiert. Mit 16 kamen Amphetamine hinzu, dann Partydrogen wie Ecstasy. Sie hätten ihn „wach“ gemacht, aber auch zu Psychosen geführt. Kurz darauf habe er Heroin probiert und „Gefallen daran gefunden“. Von dieser Substanz ist der Angeklagte, der in der Justizvollzugsanstalt Zweibrücken eine Maurerlehre abbrach, seither nicht losgekommen. „Alle zwei Tage fünf Gramm“, sei in Freiheit zuletzt seine Menge gewesen.

Angeklagter: "Bis zu zehn Bier pro Tag"

Zwei Langzeittherapien in Kliniken sind bisher gescheitert, in der JVA Mannheim nimmt der Mann am Methadon-Programm teil. Für eine erneute stationäre Therapie will er sich „Mühe geben“, beteuerte der Bürgergeld-Empfänger, dessen Alkoholkonsum vor der Inhaftierung „bis zu zehn Bier pro Tag“ betrug, wie er erzählte.

Ob eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für den 29-Jährigen möglich ist, hängt auch von der Einschätzung des Sachverständigen ab. Rainer Niethammer, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, wird sein Gutachten am 11. April vorstellen. Dann werden auch weitere Zeuginnen und Zeugen gehört. Als Strafmaß erwartet den Angeklagten eine mehrjährige Haftstrafe, „nicht mehr als drei Jahre“, lautet das Ziel der Verteidigung. Vorgespräche im Hinblick auf eine Verständigung haben nicht stattgefunden.

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